Drittes Buch. Die Grundlagen des Stats etc. Das Land.
(Gemeindebann). Sie erfüllt es mit ihrem gemeinsamen Leben. Freilich ist dieses selbst nicht wie dort ein höheres politi- sches, sondern zunächst ein den gemeinen Cultur- und Wirth- schaftsinteressen zugewendetes. Gröszere Städte bilden zu- gleich Bezirke (Cantone), die gröszten Hauptstädte haben zu- gleich die Bedeutung der Kreise (Departements), ja sogar von Provinzen (Berlin).
Veränderungen in der politischen Eintheilung des Statsgebietes sind Sache des Gesetzes. Der Stat hat in allen Stufen der Abtheilung auch seine Gesammtinteressen und die Harmonie seines Organismus zu wahren. Je höher aber die Stufe, um so entscheidender wirken die öffentlichen Interessen, um so freiere Hand hat der Stat in der Bestim- mung der Grenzen. Die tiefste Stufe dagegen, die Gemeinde, steht ihrem Zwecke nach in so vielfältigen und engen Be- ziehungen zu den bestehenden Gemeindecorporationen, dasz hier der Wille auch dieser vorzüglich in Betracht kommt. Die Hauptrücksichten, welche der Stat bei seinen Anordnun- gen zu nehmen hat, sind a) die politische Zweckmäszig- keit der Eintheilung; b) die natürlichen Verbindungen und Gegensätze, z. B. zusammengehörige Fluszgebiete oder Thäler; c) die historischen Beziehungen der Bevölkerung; d) ihre Verkehrsbeziehung, z. B. zu einer Stadt als Central- punkt. Untergeordnet dagegen sind die blosz mathemati- schen Rücksichten, die sich abzählen oder mit dem Zirkel bemessen lassen.
Siebentes Capitel. VII. Verhältnisz des Stats zum Privateigenthum.
Das Privateigenthum, d. h. die Herrschaft des Indi- viduums über die Sachen, ist so alt als der Mensch. Als die ersten Menschen die Früchte pflückten, welche die Bäume
Drittes Buch. Die Grundlagen des Stats etc. Das Land.
(Gemeindebann). Sie erfüllt es mit ihrem gemeinsamen Leben. Freilich ist dieses selbst nicht wie dort ein höheres politi- sches, sondern zunächst ein den gemeinen Cultur- und Wirth- schaftsinteressen zugewendetes. Gröszere Städte bilden zu- gleich Bezirke (Cantone), die gröszten Hauptstädte haben zu- gleich die Bedeutung der Kreise (Departements), ja sogar von Provinzen (Berlin).
Veränderungen in der politischen Eintheilung des Statsgebietes sind Sache des Gesetzes. Der Stat hat in allen Stufen der Abtheilung auch seine Gesammtinteressen und die Harmonie seines Organismus zu wahren. Je höher aber die Stufe, um so entscheidender wirken die öffentlichen Interessen, um so freiere Hand hat der Stat in der Bestim- mung der Grenzen. Die tiefste Stufe dagegen, die Gemeinde, steht ihrem Zwecke nach in so vielfältigen und engen Be- ziehungen zu den bestehenden Gemeindecorporationen, dasz hier der Wille auch dieser vorzüglich in Betracht kommt. Die Hauptrücksichten, welche der Stat bei seinen Anordnun- gen zu nehmen hat, sind a) die politische Zweckmäszig- keit der Eintheilung; b) die natürlichen Verbindungen und Gegensätze, z. B. zusammengehörige Fluszgebiete oder Thäler; c) die historischen Beziehungen der Bevölkerung; d) ihre Verkehrsbeziehung, z. B. zu einer Stadt als Central- punkt. Untergeordnet dagegen sind die blosz mathemati- schen Rücksichten, die sich abzählen oder mit dem Zirkel bemessen lassen.
Siebentes Capitel. VII. Verhältnisz des Stats zum Privateigenthum.
Das Privateigenthum, d. h. die Herrschaft des Indi- viduums über die Sachen, ist so alt als der Mensch. Als die ersten Menschen die Früchte pflückten, welche die Bäume
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Drittes Buch. Die Grundlagen des Stats etc. Das Land.
(Gemeindebann). Sie erfüllt es mit ihrem gemeinsamen Leben.
Freilich ist dieses selbst nicht wie dort ein höheres politi-
sches, sondern zunächst ein den gemeinen Cultur- und Wirth-
schaftsinteressen zugewendetes. Gröszere Städte bilden zu-
gleich Bezirke (Cantone), die gröszten Hauptstädte haben zu-
gleich die Bedeutung der Kreise (Departements), ja sogar von
Provinzen (Berlin).
Veränderungen in der politischen Eintheilung des
Statsgebietes sind Sache des Gesetzes. Der Stat hat in
allen Stufen der Abtheilung auch seine Gesammtinteressen
und die Harmonie seines Organismus zu wahren. Je höher
aber die Stufe, um so entscheidender wirken die öffentlichen
Interessen, um so freiere Hand hat der Stat in der Bestim-
mung der Grenzen. Die tiefste Stufe dagegen, die Gemeinde,
steht ihrem Zwecke nach in so vielfältigen und engen Be-
ziehungen zu den bestehenden Gemeindecorporationen, dasz
hier der Wille auch dieser vorzüglich in Betracht kommt.
Die Hauptrücksichten, welche der Stat bei seinen Anordnun-
gen zu nehmen hat, sind a) die politische Zweckmäszig-
keit der Eintheilung; b) die natürlichen Verbindungen und
Gegensätze, z. B. zusammengehörige Fluszgebiete oder Thäler;
c) die historischen Beziehungen der Bevölkerung; d) ihre
Verkehrsbeziehung, z. B. zu einer Stadt als Central-
punkt. Untergeordnet dagegen sind die blosz mathemati-
schen Rücksichten, die sich abzählen oder mit dem Zirkel
bemessen lassen.
Siebentes Capitel.
VII. Verhältnisz des Stats zum Privateigenthum.
Das Privateigenthum, d. h. die Herrschaft des Indi-
viduums über die Sachen, ist so alt als der Mensch. Als die
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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/304>, abgerufen am 21.11.2024.
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