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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Viertes Capitel. IV. Das Land.
dem Volk hat unterordnen müssen, so werden auch die Orte
und Herrschaften genöthigt, in dem breiteren Land aufzu-
gehen. Nur in einem Lande kann es ein Volk oder mindestens
eine Völkerschaft geben, in dem Orte gibt es nur eine Orts-
bürgerschaft, in der Herrschaft nur eine Genossenschaft der
Angehörigen. Für den modernen Stat erscheint daher wie
das Volk so auch das Land eine nothwendige Grundlage
seiner Existenz. Wo es an einem Lande fehlt, da hat folg-
lich ein sogenannter aus dem Mittelalter zurück gebliebener
Stat nur eine höchst unsichere und unwirksame Existenz.
Er kann wie eine Merkwürdigkeit noch eine Weile erhalten
werden, aber er hat keinen Antheil an dem modernen Leben
und ist deszhalb der allgemeinen Abneigung gegen die soge-
nannte Kleinstaterei ausgesetzt.

Damit ist die Grenze nach der Kleine hin bezeichnet;
freilich nicht in einer bestimmten Zahl von Quadratmeilen,
aber in einem Princip. In derselben Weise läszt sich auch
nach der Grösze hin eine Grenze bezeichnen, denn das Stats-
gebiet darf nicht ausgedehnter sein, als die Beherrschung
desselben von dem Centrum der Statsgewalt aus noch mög-
lich ist. Freilich ist auch diese Grenzbestimmung sehr rela-
tiv. Seitdem es Eisenbahnen, Dampfschiffe und Telegraphen
gibt, ist kein Land so entlegen, dasz nicht die Verbindung
desselben mit der Hauptstadt möglich wäre. Man kann heute
nicht mehr die Möglichkeit läugnen, den ganzen Erdball po-
litisch zu ordnen und zu einigen, denn das heutige Völker-
recht breitet sich bereits über den gröszten Theil der be-
wohnten Erdoberfläche aus und setzt die Verbindung vieler
Staten zu Einer Menschheit als selbstverständlich voraus.
Wird die feste Erdrinde auf ungefähr 2,448,347 Quadrat-
meilen berechnet, so beherrscht das groszbritannische Reich
allein 382,164 Quadratmeilen, das russische Reich etwa
376,463 Quadratmeilen, das chinesische nahezu 180,000
Quadratmeilen, die Vereinigten Staten von Nordamerika

Bluntschli, allgemeine Statslehre. 18

Viertes Capitel. IV. Das Land.
dem Volk hat unterordnen müssen, so werden auch die Orte
und Herrschaften genöthigt, in dem breiteren Land aufzu-
gehen. Nur in einem Lande kann es ein Volk oder mindestens
eine Völkerschaft geben, in dem Orte gibt es nur eine Orts-
bürgerschaft, in der Herrschaft nur eine Genossenschaft der
Angehörigen. Für den modernen Stat erscheint daher wie
das Volk so auch das Land eine nothwendige Grundlage
seiner Existenz. Wo es an einem Lande fehlt, da hat folg-
lich ein sogenannter aus dem Mittelalter zurück gebliebener
Stat nur eine höchst unsichere und unwirksame Existenz.
Er kann wie eine Merkwürdigkeit noch eine Weile erhalten
werden, aber er hat keinen Antheil an dem modernen Leben
und ist deszhalb der allgemeinen Abneigung gegen die soge-
nannte Kleinstaterei ausgesetzt.

Damit ist die Grenze nach der Kleine hin bezeichnet;
freilich nicht in einer bestimmten Zahl von Quadratmeilen,
aber in einem Princip. In derselben Weise läszt sich auch
nach der Grösze hin eine Grenze bezeichnen, denn das Stats-
gebiet darf nicht ausgedehnter sein, als die Beherrschung
desselben von dem Centrum der Statsgewalt aus noch mög-
lich ist. Freilich ist auch diese Grenzbestimmung sehr rela-
tiv. Seitdem es Eisenbahnen, Dampfschiffe und Telegraphen
gibt, ist kein Land so entlegen, dasz nicht die Verbindung
desselben mit der Hauptstadt möglich wäre. Man kann heute
nicht mehr die Möglichkeit läugnen, den ganzen Erdball po-
litisch zu ordnen und zu einigen, denn das heutige Völker-
recht breitet sich bereits über den gröszten Theil der be-
wohnten Erdoberfläche aus und setzt die Verbindung vieler
Staten zu Einer Menschheit als selbstverständlich voraus.
Wird die feste Erdrinde auf ungefähr 2,448,347 Quadrat-
meilen berechnet, so beherrscht das groszbritannische Reich
allein 382,164 Quadratmeilen, das russische Reich etwa
376,463 Quadratmeilen, das chinesische nahezu 180,000
Quadratmeilen, die Vereinigten Staten von Nordamerika

Bluntschli, allgemeine Statslehre. 18
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[273/0291] Viertes Capitel. IV. Das Land. dem Volk hat unterordnen müssen, so werden auch die Orte und Herrschaften genöthigt, in dem breiteren Land aufzu- gehen. Nur in einem Lande kann es ein Volk oder mindestens eine Völkerschaft geben, in dem Orte gibt es nur eine Orts- bürgerschaft, in der Herrschaft nur eine Genossenschaft der Angehörigen. Für den modernen Stat erscheint daher wie das Volk so auch das Land eine nothwendige Grundlage seiner Existenz. Wo es an einem Lande fehlt, da hat folg- lich ein sogenannter aus dem Mittelalter zurück gebliebener Stat nur eine höchst unsichere und unwirksame Existenz. Er kann wie eine Merkwürdigkeit noch eine Weile erhalten werden, aber er hat keinen Antheil an dem modernen Leben und ist deszhalb der allgemeinen Abneigung gegen die soge- nannte Kleinstaterei ausgesetzt. Damit ist die Grenze nach der Kleine hin bezeichnet; freilich nicht in einer bestimmten Zahl von Quadratmeilen, aber in einem Princip. In derselben Weise läszt sich auch nach der Grösze hin eine Grenze bezeichnen, denn das Stats- gebiet darf nicht ausgedehnter sein, als die Beherrschung desselben von dem Centrum der Statsgewalt aus noch mög- lich ist. Freilich ist auch diese Grenzbestimmung sehr rela- tiv. Seitdem es Eisenbahnen, Dampfschiffe und Telegraphen gibt, ist kein Land so entlegen, dasz nicht die Verbindung desselben mit der Hauptstadt möglich wäre. Man kann heute nicht mehr die Möglichkeit läugnen, den ganzen Erdball po- litisch zu ordnen und zu einigen, denn das heutige Völker- recht breitet sich bereits über den gröszten Theil der be- wohnten Erdoberfläche aus und setzt die Verbindung vieler Staten zu Einer Menschheit als selbstverständlich voraus. Wird die feste Erdrinde auf ungefähr 2,448,347 Quadrat- meilen berechnet, so beherrscht das groszbritannische Reich allein 382,164 Quadratmeilen, das russische Reich etwa 376,463 Quadratmeilen, das chinesische nahezu 180,000 Quadratmeilen, die Vereinigten Staten von Nordamerika Bluntschli, allgemeine Statslehre. 18

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/291>, abgerufen am 25.11.2024.