Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur. ganzen Mittelalters waren Religion und Recht, Kirche undStat in der engsten Verbindung und Wechselwirkung. Wer von der religiösen Gemeinschaft ausgeschlossen war, wurde es auch von der politischen. Der "Ungläubige" konnte im gün- stigsten Falle auf Duldung, und selbst auf diese nur aus- nahmsweise hoffen; an politische Gleichberechtigung mit den "Gläubigen" war nicht zu denken. Selbst innerhalb der christlichen Religion wurde, als Die neuere Rechtsentwicklung in manchen Staten hat nun 10 Instrum. Pac. Osn. V. §. 35: "Sive autem Catholici sive Augustanae confessionis fuerint subditi, nullibi ob religionem despicatui habeantur nec a mercatorum, opificum aut tribuum communione, haereditatibus, legatis, hospitalibus, leprosoriis, eleemosynis, aliisve juribus aut com- merciis, multo minus publicis coemiteriis, honoreve sepulturae arceantur -- sed in his et similibus pari cum concivibus jure habeantur, aequali justitia protectioneque tuti." 11 Deutsche Bundesakte A. 16: "Die Verschiedenheit der christlichen
Religionsparteien kann in den Ländern des deutschen Bundes keinen Unterschied in dem Genusz der bürgerlichen und politischen Rechte begründen." Vgl. Klüber Acten des Wiener Congr. II. S. 439. Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur. ganzen Mittelalters waren Religion und Recht, Kirche undStat in der engsten Verbindung und Wechselwirkung. Wer von der religiösen Gemeinschaft ausgeschlossen war, wurde es auch von der politischen. Der „Ungläubige“ konnte im gün- stigsten Falle auf Duldung, und selbst auf diese nur aus- nahmsweise hoffen; an politische Gleichberechtigung mit den „Gläubigen“ war nicht zu denken. Selbst innerhalb der christlichen Religion wurde, als Die neuere Rechtsentwicklung in manchen Staten hat nun 10 Instrum. Pac. Osn. V. §. 35: „Sive autem Catholici sive Augustanae confessionis fuerint subditi, nullibi ob religionem despicatui habeantur nec a mercatorum, opificum aut tribuum communione, haereditatibus, legatis, hospitalibus, leprosoriis, eleemosynis, aliisve juribus aut com- merciis, multo minus publicis coemiteriis, honoreve sepulturae arceantur — sed in his et similibus pari cum concivibus jure habeantur, aequali justitia protectioneque tuti.“ 11 Deutsche Bundesakte A. 16: „Die Verschiedenheit der christlichen
Religionsparteien kann in den Ländern des deutschen Bundes keinen Unterschied in dem Genusz der bürgerlichen und politischen Rechte begründen.“ Vgl. Klüber Acten des Wiener Congr. II. S. 439. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0268" n="250"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.</fw><lb/> ganzen Mittelalters waren Religion und Recht, Kirche und<lb/> Stat in der engsten Verbindung und Wechselwirkung. Wer<lb/> von der religiösen Gemeinschaft ausgeschlossen war, wurde es<lb/> auch von der politischen. Der „Ungläubige“ konnte im gün-<lb/> stigsten Falle auf Duldung, und selbst auf diese nur aus-<lb/> nahmsweise hoffen; an politische Gleichberechtigung mit den<lb/> „Gläubigen“ war nicht zu denken.</p><lb/> <p>Selbst <hi rendition="#g">innerhalb</hi> der christlichen Religion wurde, als<lb/> die Confessionen sich schieden, auf die <hi rendition="#g">bestimmte Con-<lb/> fession</hi> auch in dem Statsrechte groszer Werth gelegt. In<lb/> vorzugsweise katholischen Ländern wurde nur den Katholiken,<lb/> in protestantischen nur den Protestanten das volle Statsbürger-<lb/> recht zuerkannt. Auch der westphälische Frieden sicherte für<lb/> Deutschland nur die privatrechtliche, keineswegs die politische<lb/> Rechtsgleichheit der Katholiken und der Protestanten. <note place="foot" n="10"><hi rendition="#i">Instrum. Pac. Osn.</hi> V. §. 35: „Sive autem Catholici sive Augustanae<lb/> confessionis fuerint subditi, nullibi ob religionem despicatui habeantur<lb/> nec a mercatorum, opificum aut tribuum communione, haereditatibus,<lb/> legatis, hospitalibus, leprosoriis, eleemosynis, aliisve juribus aut com-<lb/> merciis, multo minus publicis coemiteriis, honoreve sepulturae arceantur<lb/> — sed in his et similibus pari cum concivibus jure habeantur, aequali<lb/> justitia protectioneque tuti.“</note> Die<lb/> deutsche Bundesacte von 1815 stellte die anerkannten christ-<lb/> lichen Religionsparteien der Katholiken, Lutheraner und Re-<lb/> formirten auch in dieser Beziehung in Deutschland gleich,<lb/> liesz es aber noch ungewisz, ob auch die Anhänger von an-<lb/> dern Secten der nämlichen Rechte theilhaftig seien. <note place="foot" n="11">Deutsche Bundesakte A. 16: „Die Verschiedenheit der christlichen<lb/> Religionsparteien kann in den Ländern des deutschen Bundes keinen<lb/> Unterschied in dem Genusz der bürgerlichen und <hi rendition="#g">politischen</hi> Rechte<lb/> begründen.“ Vgl. <hi rendition="#g">Klüber</hi> Acten des Wiener Congr. II. S. 439.</note></p><lb/> <p>Die neuere Rechtsentwicklung in manchen Staten hat nun<lb/> eine entschiedene Tendenz, die Ausübung der politischen Rechte<lb/><hi rendition="#g">unabhängig</hi> zu erklären <hi rendition="#g">von irgend einem religiösen<lb/> Bekenntnisz</hi>. Es wäre irrig, diese Tendenz als die Frucht<lb/> des religiösen Indifferentismus zu erklären, obwohl nicht zu<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [250/0268]
Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
ganzen Mittelalters waren Religion und Recht, Kirche und
Stat in der engsten Verbindung und Wechselwirkung. Wer
von der religiösen Gemeinschaft ausgeschlossen war, wurde es
auch von der politischen. Der „Ungläubige“ konnte im gün-
stigsten Falle auf Duldung, und selbst auf diese nur aus-
nahmsweise hoffen; an politische Gleichberechtigung mit den
„Gläubigen“ war nicht zu denken.
Selbst innerhalb der christlichen Religion wurde, als
die Confessionen sich schieden, auf die bestimmte Con-
fession auch in dem Statsrechte groszer Werth gelegt. In
vorzugsweise katholischen Ländern wurde nur den Katholiken,
in protestantischen nur den Protestanten das volle Statsbürger-
recht zuerkannt. Auch der westphälische Frieden sicherte für
Deutschland nur die privatrechtliche, keineswegs die politische
Rechtsgleichheit der Katholiken und der Protestanten. 10 Die
deutsche Bundesacte von 1815 stellte die anerkannten christ-
lichen Religionsparteien der Katholiken, Lutheraner und Re-
formirten auch in dieser Beziehung in Deutschland gleich,
liesz es aber noch ungewisz, ob auch die Anhänger von an-
dern Secten der nämlichen Rechte theilhaftig seien. 11
Die neuere Rechtsentwicklung in manchen Staten hat nun
eine entschiedene Tendenz, die Ausübung der politischen Rechte
unabhängig zu erklären von irgend einem religiösen
Bekenntnisz. Es wäre irrig, diese Tendenz als die Frucht
des religiösen Indifferentismus zu erklären, obwohl nicht zu
10 Instrum. Pac. Osn. V. §. 35: „Sive autem Catholici sive Augustanae
confessionis fuerint subditi, nullibi ob religionem despicatui habeantur
nec a mercatorum, opificum aut tribuum communione, haereditatibus,
legatis, hospitalibus, leprosoriis, eleemosynis, aliisve juribus aut com-
merciis, multo minus publicis coemiteriis, honoreve sepulturae arceantur
— sed in his et similibus pari cum concivibus jure habeantur, aequali
justitia protectioneque tuti.“
11 Deutsche Bundesakte A. 16: „Die Verschiedenheit der christlichen
Religionsparteien kann in den Ländern des deutschen Bundes keinen
Unterschied in dem Genusz der bürgerlichen und politischen Rechte
begründen.“ Vgl. Klüber Acten des Wiener Congr. II. S. 439.
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