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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Sechszehntes Capitel. 5. Die Sclaverei und ihre Aufhebung.
zu stätem Wechsel der Wohnsitze anreizte, so lag es im
Interesse der Herrn, die Bauern durch mancherlei Vergünsti-
gung auf ihren Gütern festzuhalten. Die bäuerliche Eigen-
schaft entstand erst, seitdem der Stat aus Gründen der Finan-
zen und des Militärsystems die Bauern immer fester an die
Scholle band und der Willkür der Herrn überlieferte. Das
siebenzehnte Jahrhundert hat sich auch in andern europäi-
schen Ländern der bäuerlichen Freiheit ungünstig erwiesen,
aber wohl nirgends ungünstiger als in Ruszland. Knechte
und Bauern wurden zu gemeinsamer Eigenschaft verbunden.
Der Herr erhielt eine fast unbeschränkte Verfügung über ihre
Personen und ihre Habe. Aber auch in Ruszland brachte
die neue Zeit erst Erleichterung der Lasten, und in unsern
Tagen Befreiung für die Bauern. Das Emancipationswerk,
welches der Kaiser Alexander II. trotz des Sträubens vieler
Adeliger durchführte (Gesetz vom 19. Febr. 1861), hat auch
da eine neue Periode privatrechtlicher Freiheit eingeleitet. 7

So wurde Europa allmählich gereinigt von dem uralten
Fluch der Sclaverei. Aber in der neuen Welt hatte dieselbe
einen neuen Boden und eine in mancher Hinsicht noch schlim-
mere Anwendung gefunden. Wie furchtbar sich dieser Frevel
an dem Geiste der Humanität gerächt hat, das hat der nord-
amerikanische Bürgerkrieg gezeigt (1861-1865).

Die Negersclaverei ist zwar insofern weniger verwerflich,
als die antike Sclaverei der europäischen Völker, als dort die
Herrschaft der weiszen Herrn nicht über ihres gleichen, wie
hier, sondern über eine von Natur untergeordnete schwarze
Rasse geübt wird. Aber diese Anlehnung an die natürliche
Ordnung begünstigt auch die leidenschaftliche und hoch-
müthige Ueberhebung der Weiszen, die weniger geneigt sind
und weniger genöthigt werden, in den Schwarzen die gemein-
same menschliche Natur zu ehren und die Grausamkeit der

7 Vgl. den Art. Leibeigenschaft (russische) von Tschitscherin im
Deutschen Statswörterbuch.

Sechszehntes Capitel. 5. Die Sclaverei und ihre Aufhebung.
zu stätem Wechsel der Wohnsitze anreizte, so lag es im
Interesse der Herrn, die Bauern durch mancherlei Vergünsti-
gung auf ihren Gütern festzuhalten. Die bäuerliche Eigen-
schàft entstand erst, seitdem der Stat aus Gründen der Finan-
zen und des Militärsystems die Bauern immer fester an die
Scholle band und der Willkür der Herrn überlieferte. Das
siebenzehnte Jahrhundert hat sich auch in andern europäi-
schen Ländern der bäuerlichen Freiheit ungünstig erwiesen,
aber wohl nirgends ungünstiger als in Ruszland. Knechte
und Bauern wurden zu gemeinsamer Eigenschaft verbunden.
Der Herr erhielt eine fast unbeschränkte Verfügung über ihre
Personen und ihre Habe. Aber auch in Ruszland brachte
die neue Zeit erst Erleichterung der Lasten, und in unsern
Tagen Befreiung für die Bauern. Das Emancipationswerk,
welches der Kaiser Alexander II. trotz des Sträubens vieler
Adeliger durchführte (Gesetz vom 19. Febr. 1861), hat auch
da eine neue Periode privatrechtlicher Freiheit eingeleitet. 7

So wurde Europa allmählich gereinigt von dem uralten
Fluch der Sclaverei. Aber in der neuen Welt hatte dieselbe
einen neuen Boden und eine in mancher Hinsicht noch schlim-
mere Anwendung gefunden. Wie furchtbar sich dieser Frevel
an dem Geiste der Humanität gerächt hat, das hat der nord-
amerikanische Bürgerkrieg gezeigt (1861-1865).

Die Negersclaverei ist zwar insofern weniger verwerflich,
als die antike Sclaverei der europäischen Völker, als dort die
Herrschaft der weiszen Herrn nicht über ihres gleichen, wie
hier, sondern über eine von Natur untergeordnete schwarze
Rasse geübt wird. Aber diese Anlehnung an die natürliche
Ordnung begünstigt auch die leidenschaftliche und hoch-
müthige Ueberhebung der Weiszen, die weniger geneigt sind
und weniger genöthigt werden, in den Schwarzen die gemein-
same menschliche Natur zu ehren und die Grausamkeit der

7 Vgl. den Art. Leibeigenschaft (russische) von Tschitschérin im
Deutschen Statswörterbuch.
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[195/0213] Sechszehntes Capitel. 5. Die Sclaverei und ihre Aufhebung. zu stätem Wechsel der Wohnsitze anreizte, so lag es im Interesse der Herrn, die Bauern durch mancherlei Vergünsti- gung auf ihren Gütern festzuhalten. Die bäuerliche Eigen- schàft entstand erst, seitdem der Stat aus Gründen der Finan- zen und des Militärsystems die Bauern immer fester an die Scholle band und der Willkür der Herrn überlieferte. Das siebenzehnte Jahrhundert hat sich auch in andern europäi- schen Ländern der bäuerlichen Freiheit ungünstig erwiesen, aber wohl nirgends ungünstiger als in Ruszland. Knechte und Bauern wurden zu gemeinsamer Eigenschaft verbunden. Der Herr erhielt eine fast unbeschränkte Verfügung über ihre Personen und ihre Habe. Aber auch in Ruszland brachte die neue Zeit erst Erleichterung der Lasten, und in unsern Tagen Befreiung für die Bauern. Das Emancipationswerk, welches der Kaiser Alexander II. trotz des Sträubens vieler Adeliger durchführte (Gesetz vom 19. Febr. 1861), hat auch da eine neue Periode privatrechtlicher Freiheit eingeleitet. 7 So wurde Europa allmählich gereinigt von dem uralten Fluch der Sclaverei. Aber in der neuen Welt hatte dieselbe einen neuen Boden und eine in mancher Hinsicht noch schlim- mere Anwendung gefunden. Wie furchtbar sich dieser Frevel an dem Geiste der Humanität gerächt hat, das hat der nord- amerikanische Bürgerkrieg gezeigt (1861-1865). Die Negersclaverei ist zwar insofern weniger verwerflich, als die antike Sclaverei der europäischen Völker, als dort die Herrschaft der weiszen Herrn nicht über ihres gleichen, wie hier, sondern über eine von Natur untergeordnete schwarze Rasse geübt wird. Aber diese Anlehnung an die natürliche Ordnung begünstigt auch die leidenschaftliche und hoch- müthige Ueberhebung der Weiszen, die weniger geneigt sind und weniger genöthigt werden, in den Schwarzen die gemein- same menschliche Natur zu ehren und die Grausamkeit der 7 Vgl. den Art. Leibeigenschaft (russische) von Tschitschérin im Deutschen Statswörterbuch.

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/213>, abgerufen am 24.11.2024.