Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
ritterschaftlichen Gebiete wurden ebenso den fürstlichen Län- dern einverleibt und die Cantone aufgelöst. Die Bundesacte von 1815 suchte noch den vormals reichsritterschaftlichen Ge- schlechtern eine privilegirte Stellung zu wahren, und ihnen Autonomie, Landstandschaft, grundherrliche Gerichtsbarkeit, Patronatsrechte, Forsthoheit und einen privilegirten Gerichts- stand zu erhalten. Aber diese Einbalsamirung vergangener Zustände konnte das abgestorbene Leben nicht erneuern. Die Patrimonialgerichtsbarkeit war so wenig als die Steuerprivile- gien dem modernen Rechts- und Statsbewusztsein gegenüber zu erhalten.
Im Groszen hat der sogenannte niedere Adel in Deutsch- land keine besondere Rechtsstellung mehr. Als Rechtsinsti- tution und als Statseinrichtung ist er untergegangen. Was noch auszer den Namen und Wappen aus alter Zeit gelegent- lich übrig geblieben ist, wie zuweilen eine besondere Ver- tretung der Grundherrn in den Ersten Kammern, oder die adeligen Familienfideicommisse, macht durchaus den Eindruck der Antiquität. Aber heute noch nimmt der Grundadel, zum Theil auch der Hofadel ohne Grundbesitz eine gesell- schaftlich bedeutsame Stellung ein und übt mittelbar einen nicht gering zu schätzenden Einflusz aus auf die Besetzung der Aemter und die Politik. Die höheren Officierstellen, die Hofämter, die diplomatischen Stellen werden vorzugsweise, wenn auch nicht mehr mit rechtlicher Nothwendigkeit, aus diesem Stande besetzt. Der übrige blosze Titularadel hat sich mit den höheren Bürgerclassen nach und nach gemischt, durch Heirathen und durch Berufswahl, in der Gesellschaft und im politischen Leben.
Der deutsche ritterschaftliche Adel hat keineswegs eine so patriotische und nationale Geschichte, wie die englische Aristokratie. Ein groszer Theil des deutschen Grundadels hatte sich lange Zeit den Ideen und den Reformen der Neu- zeit feindlich entgegen gestemmt. Viele Grundherrn schwärmten
Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
ritterschaftlichen Gebiete wurden ebenso den fürstlichen Län- dern einverleibt und die Cantone aufgelöst. Die Bundesacte von 1815 suchte noch den vormals reichsritterschaftlichen Ge- schlechtern eine privilegirte Stellung zu wahren, und ihnen Autonomie, Landstandschaft, grundherrliche Gerichtsbarkeit, Patronatsrechte, Forsthoheit und einen privilegirten Gerichts- stand zu erhalten. Aber diese Einbalsamirung vergangener Zustände konnte das abgestorbene Leben nicht erneuern. Die Patrimonialgerichtsbarkeit war so wenig als die Steuerprivile- gien dem modernen Rechts- und Statsbewusztsein gegenüber zu erhalten.
Im Groszen hat der sogenannte niedere Adel in Deutsch- land keine besondere Rechtsstellung mehr. Als Rechtsinsti- tution und als Statseinrichtung ist er untergegangen. Was noch auszer den Namen und Wappen aus alter Zeit gelegent- lich übrig geblieben ist, wie zuweilen eine besondere Ver- tretung der Grundherrn in den Ersten Kammern, oder die adeligen Familienfideicommisse, macht durchaus den Eindruck der Antiquität. Aber heute noch nimmt der Grundadel, zum Theil auch der Hofadel ohne Grundbesitz eine gesell- schaftlich bedeutsame Stellung ein und übt mittelbar einen nicht gering zu schätzenden Einflusz aus auf die Besetzung der Aemter und die Politik. Die höheren Officierstellen, die Hofämter, die diplomatischen Stellen werden vorzugsweise, wenn auch nicht mehr mit rechtlicher Nothwendigkeit, aus diesem Stande besetzt. Der übrige blosze Titularadel hat sich mit den höheren Bürgerclassen nach und nach gemischt, durch Heirathen und durch Berufswahl, in der Gesellschaft und im politischen Leben.
Der deutsche ritterschaftliche Adel hat keineswegs eine so patriotische und nationale Geschichte, wie die englische Aristokratie. Ein groszer Theil des deutschen Grundadels hatte sich lange Zeit den Ideen und den Reformen der Neu- zeit feindlich entgegen gestemmt. Viele Grundherrn schwärmten
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Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
ritterschaftlichen Gebiete wurden ebenso den fürstlichen Län-
dern einverleibt und die Cantone aufgelöst. Die Bundesacte
von 1815 suchte noch den vormals reichsritterschaftlichen Ge-
schlechtern eine privilegirte Stellung zu wahren, und ihnen
Autonomie, Landstandschaft, grundherrliche Gerichtsbarkeit,
Patronatsrechte, Forsthoheit und einen privilegirten Gerichts-
stand zu erhalten. Aber diese Einbalsamirung vergangener
Zustände konnte das abgestorbene Leben nicht erneuern. Die
Patrimonialgerichtsbarkeit war so wenig als die Steuerprivile-
gien dem modernen Rechts- und Statsbewusztsein gegenüber
zu erhalten.
Im Groszen hat der sogenannte niedere Adel in Deutsch-
land keine besondere Rechtsstellung mehr. Als Rechtsinsti-
tution und als Statseinrichtung ist er untergegangen. Was
noch auszer den Namen und Wappen aus alter Zeit gelegent-
lich übrig geblieben ist, wie zuweilen eine besondere Ver-
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der Antiquität. Aber heute noch nimmt der Grundadel,
zum Theil auch der Hofadel ohne Grundbesitz eine gesell-
schaftlich bedeutsame Stellung ein und übt mittelbar einen
nicht gering zu schätzenden Einflusz aus auf die Besetzung
der Aemter und die Politik. Die höheren Officierstellen, die
Hofämter, die diplomatischen Stellen werden vorzugsweise,
wenn auch nicht mehr mit rechtlicher Nothwendigkeit, aus
diesem Stande besetzt. Der übrige blosze Titularadel hat
sich mit den höheren Bürgerclassen nach und nach gemischt,
durch Heirathen und durch Berufswahl, in der Gesellschaft
und im politischen Leben.
Der deutsche ritterschaftliche Adel hat keineswegs eine
so patriotische und nationale Geschichte, wie die englische
Aristokratie. Ein groszer Theil des deutschen Grundadels
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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/192>, abgerufen am 22.11.2024.
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