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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
des Königs und Träger der obersten Hof- und Reichsämter
die öffentlichen Angelegenheiten im Lande verwalteten, bildete
sich im Verfolge der Zeit das Oberhaus; die letztern wurden
zu einem Bestandtheile des spätern Unterhauses. Beide
Classen hatten anfangs ein persönliches Recht der Reichs-
standschaft. Die erstere behielt es bei. Für die letztere aber
wurde es, in Verbindung mit andern Rittern des Landes After-
vasallen der groszen Kronvasallen und den Bewohnern der
Städte und Burgen, später zu einem politischen Repräsen-
tationsrechte
. Nur die ersteren, die Lords, galten fortan
als hoher Adel. Dem niederen Adel der Gentry trat
die begüterte Bürgerschaft zur Seite.

In der vollendeten Verfassung des Parlaments, welche in
der Hauptsache in der zweiten Hälfte des XIII. und der ersten
Hälfte des XIV. Jahrhunderts zu Stande kam, 2 fand der Adel
seine natürliche Stellung im State. In den Zeiten Heinrichs III.
gewann es den Anschein, dasz die Barone, unter der Anfüh-
rung des Grafen von Leicester, die Monarchie selbst in ihrer
Existenz gefährden und die Regierung des States in ihre Hand
nehmen möchten. Dieser Uebergriff war aber doch nur vor-
übergehend, und sehr bald setzte sich von neuem das Princip
fest, dasz der Aristokratie wohl ein bestimmter Einflusz
auf die politischen Angelegenheiten der Nation
und
insbesondere die Mitwirkung in der Gesetzgebung ge-
bühre, nicht aber die Ausübung der eigentlichen Herr-
schaft
, nicht die Statsregierung. Aber auch den untern
Ständen gegenüber fand der Adel die nöthige Schranke seiner
politischen Macht in der Ergänzung des Parlaments durch die
Repräsentanten der Städte und Burgen und dadurch, dasz die
englischen Ritter von den Freisassen (libere tenentes) zum
Parlament gewählt, nicht wie auf dem Continent nur von dem
eigenen Stande bezeichnet wurden.


2 Vgl. unten Theil II. Buch II. Cap. 3.

Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
des Königs und Träger der obersten Hof- und Reichsämter
die öffentlichen Angelegenheiten im Lande verwalteten, bildete
sich im Verfolge der Zeit das Oberhaus; die letztern wurden
zu einem Bestandtheile des spätern Unterhauses. Beide
Classen hatten anfangs ein persönliches Recht der Reichs-
standschaft. Die erstere behielt es bei. Für die letztere aber
wurde es, in Verbindung mit andern Rittern des Landes After-
vasallen der groszen Kronvasallen und den Bewohnern der
Städte und Burgen, später zu einem politischen Repräsen-
tationsrechte
. Nur die ersteren, die Lords, galten fortan
als hoher Adel. Dem niederen Adel der Gentry trat
die begüterte Bürgerschaft zur Seite.

In der vollendeten Verfassung des Parlaments, welche in
der Hauptsache in der zweiten Hälfte des XIII. und der ersten
Hälfte des XIV. Jahrhunderts zu Stande kam, 2 fand der Adel
seine natürliche Stellung im State. In den Zeiten Heinrichs III.
gewann es den Anschein, dasz die Barone, unter der Anfüh-
rung des Grafen von Leicester, die Monarchie selbst in ihrer
Existenz gefährden und die Regierung des States in ihre Hand
nehmen möchten. Dieser Uebergriff war aber doch nur vor-
übergehend, und sehr bald setzte sich von neuem das Princip
fest, dasz der Aristokratie wohl ein bestimmter Einflusz
auf die politischen Angelegenheiten der Nation
und
insbesondere die Mitwirkung in der Gesetzgebung ge-
bühre, nicht aber die Ausübung der eigentlichen Herr-
schaft
, nicht die Statsregierung. Aber auch den untern
Ständen gegenüber fand der Adel die nöthige Schranke seiner
politischen Macht in der Ergänzung des Parlaments durch die
Repräsentanten der Städte und Burgen und dadurch, dasz die
englischen Ritter von den Freisassen (libere tenentes) zum
Parlament gewählt, nicht wie auf dem Continent nur von dem
eigenen Stande bezeichnet wurden.


2 Vgl. unten Theil II. Buch II. Cap. 3.
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[158/0176] Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur. des Königs und Träger der obersten Hof- und Reichsämter die öffentlichen Angelegenheiten im Lande verwalteten, bildete sich im Verfolge der Zeit das Oberhaus; die letztern wurden zu einem Bestandtheile des spätern Unterhauses. Beide Classen hatten anfangs ein persönliches Recht der Reichs- standschaft. Die erstere behielt es bei. Für die letztere aber wurde es, in Verbindung mit andern Rittern des Landes After- vasallen der groszen Kronvasallen und den Bewohnern der Städte und Burgen, später zu einem politischen Repräsen- tationsrechte. Nur die ersteren, die Lords, galten fortan als hoher Adel. Dem niederen Adel der Gentry trat die begüterte Bürgerschaft zur Seite. In der vollendeten Verfassung des Parlaments, welche in der Hauptsache in der zweiten Hälfte des XIII. und der ersten Hälfte des XIV. Jahrhunderts zu Stande kam, 2 fand der Adel seine natürliche Stellung im State. In den Zeiten Heinrichs III. gewann es den Anschein, dasz die Barone, unter der Anfüh- rung des Grafen von Leicester, die Monarchie selbst in ihrer Existenz gefährden und die Regierung des States in ihre Hand nehmen möchten. Dieser Uebergriff war aber doch nur vor- übergehend, und sehr bald setzte sich von neuem das Princip fest, dasz der Aristokratie wohl ein bestimmter Einflusz auf die politischen Angelegenheiten der Nation und insbesondere die Mitwirkung in der Gesetzgebung ge- bühre, nicht aber die Ausübung der eigentlichen Herr- schaft, nicht die Statsregierung. Aber auch den untern Ständen gegenüber fand der Adel die nöthige Schranke seiner politischen Macht in der Ergänzung des Parlaments durch die Repräsentanten der Städte und Burgen und dadurch, dasz die englischen Ritter von den Freisassen (libere tenentes) zum Parlament gewählt, nicht wie auf dem Continent nur von dem eigenen Stande bezeichnet wurden. 2 Vgl. unten Theil II. Buch II. Cap. 3.

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/176>, abgerufen am 22.11.2024.