Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur. Sprache kamen -- wurden sogar alle Privatgüter in Englanddurch ein Gesetz Wilhelms I. als Lehensboden erklärt und das Obereigenthum des Königs darüber behauptet. Auch die bisherigen Allodialgüter wurden so in den Lehensnexus hereingezogen, und die bisherigen blosz lebenslänglichen Bene- ficien hinwieder zu erblichen Lehen erhoben. Alle freien Männer im Reiche muszten überdem dem Könige den Eid der Lehens- treue schwören und sich zum Kriegsdienst verpflichten; 1 und es ging dieser Eid dem Treuschwur der freien Insassen an ihren unmittelbaren Lehensherrn vor. Ueber 60,000 Ritter- lehne gab es unter der Regierung Wilhelms I., die alle un- mittelbar oder zum gröszern Theile mittelbar dem Könige als oberstem Lehens- und Kriegsherrn verbunden waren. Man sieht, die Zügel der Lehensherrschaft wurden von dem Könige selbst in die Hand genommen und straffer angezogen, als da- mals in Frankreich, dessen König über den Herzog von der Normandie, welcher als solcher selbst ein französischer Vasall war, nur eine geringe, mehr formelle als reale Souveränetät besasz. Der normannische und sächsische Adel blieb somit, wenn er auch nach der Weise des Mittelalters Rechte der Gerichtsbarkeit und Polizeigewalt über seine Hintersassen be- sasz und ausübte, doch in seinem wirklichen Unterthanen- 1 Stat. Wilh. c. 52: "Statuimus, ut omnes liberi homines foedere
et sacramento affirment, quod intra et extra regnum Angliae Wilhelmo suo domino fideles esse velint, terras et honores illius fidelitate ubique servare cum eo, et contra inimicos et alienigenas defendere." c. 58: "Statuimus etiam, ut omnes barones et milites et servientes et universi liberi homines totius regni nostri praedicti habeant et teneant se semper bene in armis et in equis, ut decet et oportet; et quod sint semper prompti et bene parati ad servitium suum integrum nobis explendum et peragendum, cum semper opus fuerit, secundum quod nobis de feodis debent et tenementis de jure facere, et sicut illis statuimus per commune concilium totius regni praedicti, et illis dedimus et concessimus in feodo. jure haereditario. Vgl. Reeves History of the English Law I. S. 34 ff.; Phillipps engl. Reichs- u. Rechtsgesch. II. S. 42; Gneist das heutige engl. Verfassungs- und Verwaltungsrecht I. u. III. Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur. Sprache kamen — wurden sogar alle Privatgüter in Englanddurch ein Gesetz Wilhelms I. als Lehensboden erklärt und das Obereigenthum des Königs darüber behauptet. Auch die bisherigen Allodialgüter wurden so in den Lehensnexus hereingezogen, und die bisherigen blosz lebenslänglichen Bene- ficien hinwieder zu erblichen Lehen erhoben. Alle freien Männer im Reiche muszten überdem dem Könige den Eid der Lehens- treue schwören und sich zum Kriegsdienst verpflichten; 1 und es ging dieser Eid dem Treuschwur der freien Insassen an ihren unmittelbaren Lehensherrn vor. Ueber 60,000 Ritter- lehne gab es unter der Regierung Wilhelms I., die alle un- mittelbar oder zum gröszern Theile mittelbar dem Könige als oberstem Lehens- und Kriegsherrn verbunden waren. Man sieht, die Zügel der Lehensherrschaft wurden von dem Könige selbst in die Hand genommen und straffer angezogen, als da- mals in Frankreich, dessen König über den Herzog von der Normandie, welcher als solcher selbst ein französischer Vasall war, nur eine geringe, mehr formelle als reale Souveränetät besasz. Der normannische und sächsische Adel blieb somit, wenn er auch nach der Weise des Mittelalters Rechte der Gerichtsbarkeit und Polizeigewalt über seine Hintersassen be- sasz und ausübte, doch in seinem wirklichen Unterthanen- 1 Stat. Wilh. c. 52: „Statuimus, ut omnes liberi homines foedere
et sacramento affirment, quod intra et extra regnum Angliae Wilhelmo suo domino fideles esse velint, terras et honores illius fidelitate ubique servare cum eo, et contra inimicos et alienigenas defendere.“ c. 58: „Statuimus etiam, ut omnes barones et milites et servientes et universi liberi homines totius regni nostri praedicti habeant et teneant se semper bene in armis et in equis, ut decet et oportet; et quod sint semper prompti et bene parati ad servitium suum integrum nobis explendum et peragendum, cum semper opus fuerit, secundum quod nobis de feodis debent et tenementis de jure facere, et sicut illis statuimus per commune concilium totius regni praedicti, et illis dedimus et concessimus in feodo. jure haereditario. Vgl. Reeves History of the English Law I. S. 34 ff.; Phillipps engl. Reichs- u. Rechtsgesch. II. S. 42; Gneist das heutige engl. Verfassungs- und Verwaltungsrecht I. u. III. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0174" n="156"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.</fw><lb/> Sprache kamen — wurden sogar alle Privatgüter in England<lb/> durch ein Gesetz Wilhelms I. als <hi rendition="#g">Lehensboden</hi> erklärt und<lb/> das <hi rendition="#g">Obereigenthum</hi> des Königs darüber behauptet. Auch<lb/> die bisherigen Allodialgüter wurden so in den Lehensnexus<lb/> hereingezogen, und die bisherigen blosz lebenslänglichen Bene-<lb/> ficien hinwieder zu erblichen Lehen erhoben. Alle freien Männer<lb/> im Reiche muszten überdem dem Könige den Eid der <hi rendition="#g">Lehens-<lb/> treue</hi> schwören und sich zum Kriegsdienst verpflichten; <note place="foot" n="1"><hi rendition="#i">Stat. Wilh</hi>. c. 52: „Statuimus, ut <hi rendition="#i">omnes liberi homines</hi> foedere<lb/> et sacramento affirment, quod intra et extra regnum Angliae Wilhelmo<lb/> suo domino fideles esse velint, terras et honores illius fidelitate ubique<lb/> servare cum eo, et contra inimicos et alienigenas defendere.“ c. 58:<lb/> „Statuimus etiam, ut omnes barones et milites et servientes et universi<lb/> liberi homines totius regni nostri praedicti habeant et teneant se semper<lb/> bene in armis et in equis, ut decet et oportet; et quod sint semper<lb/> prompti et bene parati ad servitium suum integrum nobis explendum et<lb/> peragendum, cum semper opus fuerit, secundum quod nobis <hi rendition="#i">de feodis</hi><lb/> debent et <hi rendition="#i">tenementis</hi> de jure facere, et sicut illis statuimus per commune<lb/> concilium totius regni praedicti, et <hi rendition="#i">illis dedimus et concessimus in feodo.<lb/> jure haereditario</hi>. Vgl. <hi rendition="#i">Reeves</hi> History of the English Law I. S. 34 ff.;<lb/><hi rendition="#i">Phillipps</hi> engl. Reichs- u. Rechtsgesch. II. S. 42; <hi rendition="#i">Gneist</hi> das heutige engl.<lb/> Verfassungs- und Verwaltungsrecht I. u. III.</note> und<lb/> es ging <hi rendition="#g">dieser Eid</hi> dem Treuschwur der freien Insassen an<lb/> ihren unmittelbaren Lehensherrn <hi rendition="#g">vor</hi>. Ueber 60,000 Ritter-<lb/> lehne gab es unter der Regierung Wilhelms I., die alle un-<lb/> mittelbar oder zum gröszern Theile mittelbar dem Könige als<lb/> oberstem Lehens- und Kriegsherrn verbunden waren. Man<lb/> sieht, die Zügel der Lehensherrschaft wurden von dem Könige<lb/> selbst in die Hand genommen und straffer angezogen, als da-<lb/> mals in Frankreich, dessen König über den Herzog von der<lb/> Normandie, welcher als solcher selbst ein französischer Vasall<lb/> war, nur eine geringe, mehr formelle als reale Souveränetät<lb/> besasz. Der normannische und sächsische Adel blieb somit,<lb/> wenn er auch nach der Weise des Mittelalters Rechte der<lb/> Gerichtsbarkeit und Polizeigewalt über seine Hintersassen be-<lb/> sasz und ausübte, doch in seinem wirklichen <hi rendition="#g">Unterthanen</hi>-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [156/0174]
Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
Sprache kamen — wurden sogar alle Privatgüter in England
durch ein Gesetz Wilhelms I. als Lehensboden erklärt und
das Obereigenthum des Königs darüber behauptet. Auch
die bisherigen Allodialgüter wurden so in den Lehensnexus
hereingezogen, und die bisherigen blosz lebenslänglichen Bene-
ficien hinwieder zu erblichen Lehen erhoben. Alle freien Männer
im Reiche muszten überdem dem Könige den Eid der Lehens-
treue schwören und sich zum Kriegsdienst verpflichten; 1 und
es ging dieser Eid dem Treuschwur der freien Insassen an
ihren unmittelbaren Lehensherrn vor. Ueber 60,000 Ritter-
lehne gab es unter der Regierung Wilhelms I., die alle un-
mittelbar oder zum gröszern Theile mittelbar dem Könige als
oberstem Lehens- und Kriegsherrn verbunden waren. Man
sieht, die Zügel der Lehensherrschaft wurden von dem Könige
selbst in die Hand genommen und straffer angezogen, als da-
mals in Frankreich, dessen König über den Herzog von der
Normandie, welcher als solcher selbst ein französischer Vasall
war, nur eine geringe, mehr formelle als reale Souveränetät
besasz. Der normannische und sächsische Adel blieb somit,
wenn er auch nach der Weise des Mittelalters Rechte der
Gerichtsbarkeit und Polizeigewalt über seine Hintersassen be-
sasz und ausübte, doch in seinem wirklichen Unterthanen-
1 Stat. Wilh. c. 52: „Statuimus, ut omnes liberi homines foedere
et sacramento affirment, quod intra et extra regnum Angliae Wilhelmo
suo domino fideles esse velint, terras et honores illius fidelitate ubique
servare cum eo, et contra inimicos et alienigenas defendere.“ c. 58:
„Statuimus etiam, ut omnes barones et milites et servientes et universi
liberi homines totius regni nostri praedicti habeant et teneant se semper
bene in armis et in equis, ut decet et oportet; et quod sint semper
prompti et bene parati ad servitium suum integrum nobis explendum et
peragendum, cum semper opus fuerit, secundum quod nobis de feodis
debent et tenementis de jure facere, et sicut illis statuimus per commune
concilium totius regni praedicti, et illis dedimus et concessimus in feodo.
jure haereditario. Vgl. Reeves History of the English Law I. S. 34 ff.;
Phillipps engl. Reichs- u. Rechtsgesch. II. S. 42; Gneist das heutige engl.
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