Zehntes Capitel. 2. Der Adel. B. Der französische Adel.
die Ehre derer hob, die sich ihm weihten, und als Ritter oder Dienstleute einem Herrn zu besonderer Treue verbunden wurden. Waren die erstern gröstentheils Freie, so fanden sich dagegen unter den Ministerialen auch viele ursprünglich hörige Leute.
Aber auch dieser Berufsadel wurde mit der Zeit zu einem erblichen Lehensadel. Die Ritter bekamen Lehengüter, die sich in ihrem Geschlechte vererbten, die Dienstleute wur- den mit Hoflehen ausgestattet. Als begüterte Männer (riches oms) unterschieden sie sich von der Rotüre, als Vasal- len standen sie ihren Seigneurs nahe. Wie diese von alters- her Tafelgenossen des Königs (convivae regis) waren, so galt es im Mittelalter als ein Grundsatz des Feudalrechts: die Ritter sind Tafelgenossen der Herren. 6 Ihre Kriegs- und Hof- dienste waren mit den Gütern verbunden, wie die Hoheitsrechte der Seigneurs mit den Grundherrschaften. Auch ihnen kam eine -- zwar beschränktere -- Grundherrlichkeit zu; sie waren gewöhnlieh hinwieder niedere Gerichtsherren über die Unter- thanen ihrer Lehensherrn, welche durch sie mit demselben ver- mittelt wurden. Ihr Stand schlosz sich mehr und mehr ab. Und war derselbe ursprünglich eine Folge des Berufes, so wurde nun die ritterbürtige Herkunft und die standesmäszige Erziehung die regelmäszige Voraussetzung auch der Ritter- schaft. Mit Rücksicht auf ihr Geschlecht wurden die neuen Adeligen nun gentils hommes genannt. Die Abstammung allein freilich machte den Sohn nicht zum Ritter, 7 aber wer nicht von einem rittermäszigen Vater stammte -- auf die Mutter wurde nicht gesehen -- konnte in der Regel auch nicht Ritter werden. Nur dem Könige blieb es vorbehalten, in den Adel- stand zu erheben. 8 Indessen war die Verbindung dieses Adels
6Loysel, Inst. Coutum. I. 1. 14: "Nul ne doit seoir a la table du Baron s'il n'est Chevalier."
7 Das französische Rechtssprichwort: "Nul ne nait Chevalier" bei Loysel, Inst. Coutum. I. 1.
8Loysel, Inst. Coutum. I. 1. 12: "Nul ne peut anoblir que le Roy," 13.: "Le moyen d'etre anobli sans Lettres, est d'etre fait Chevalier."
Zehntes Capitel. 2. Der Adel. B. Der französische Adel.
die Ehre derer hob, die sich ihm weihten, und als Ritter oder Dienstleute einem Herrn zu besonderer Treue verbunden wurden. Waren die erstern gröstentheils Freie, so fanden sich dagegen unter den Ministerialen auch viele ursprünglich hörige Leute.
Aber auch dieser Berufsadel wurde mit der Zeit zu einem erblichen Lehensadel. Die Ritter bekamen Lehengüter, die sich in ihrem Geschlechte vererbten, die Dienstleute wur- den mit Hoflehen ausgestattet. Als begüterte Männer (riches oms) unterschieden sie sich von der Rotüre, als Vasal- len standen sie ihren Seigneurs nahe. Wie diese von alters- her Tafelgenossen des Königs (convivae regis) waren, so galt es im Mittelalter als ein Grundsatz des Feudalrechts: die Ritter sind Tafelgenossen der Herren. 6 Ihre Kriegs- und Hof- dienste waren mit den Gütern verbunden, wie die Hoheitsrechte der Seigneurs mit den Grundherrschaften. Auch ihnen kam eine — zwar beschränktere — Grundherrlichkeit zu; sie waren gewöhnlieh hinwieder niedere Gerichtsherren über die Unter- thanen ihrer Lehensherrn, welche durch sie mit demselben ver- mittelt wurden. Ihr Stand schlosz sich mehr und mehr ab. Und war derselbe ursprünglich eine Folge des Berufes, so wurde nun die ritterbürtige Herkunft und die standesmäszige Erziehung die regelmäszige Voraussetzung auch der Ritter- schaft. Mit Rücksicht auf ihr Geschlecht wurden die neuen Adeligen nun gentils hommes genannt. Die Abstammung allein freilich machte den Sohn nicht zum Ritter, 7 aber wer nicht von einem rittermäszigen Vater stammte — auf die Mutter wurde nicht gesehen — konnte in der Regel auch nicht Ritter werden. Nur dem Könige blieb es vorbehalten, in den Adel- stand zu erheben. 8 Indessen war die Verbindung dieses Adels
6Loysel, Inst. Coutum. I. 1. 14: „Nul ne doit seoir à la table du Baron s'il n'est Chevalier.“
7 Das französische Rechtssprichwort: „Nul ne nait Chevalier“ bei Loysel, Inst. Coutum. I. 1.
8Loysel, Inst. Coutum. I. 1. 12: „Nul ne peut anoblir que le Roy,“ 13.: „Le moyen d'être anobli sans Lettres, est d'être fait Chevalier.“
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Zehntes Capitel. 2. Der Adel. B. Der französische Adel.
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Dienstleute einem Herrn zu besonderer Treue verbunden wurden.
Waren die erstern gröstentheils Freie, so fanden sich dagegen
unter den Ministerialen auch viele ursprünglich hörige Leute.
Aber auch dieser Berufsadel wurde mit der Zeit zu einem
erblichen Lehensadel. Die Ritter bekamen Lehengüter,
die sich in ihrem Geschlechte vererbten, die Dienstleute wur-
den mit Hoflehen ausgestattet. Als begüterte Männer
(riches oms) unterschieden sie sich von der Rotüre, als Vasal-
len standen sie ihren Seigneurs nahe. Wie diese von alters-
her Tafelgenossen des Königs (convivae regis) waren, so galt
es im Mittelalter als ein Grundsatz des Feudalrechts: die
Ritter sind Tafelgenossen der Herren. 6 Ihre Kriegs- und Hof-
dienste waren mit den Gütern verbunden, wie die Hoheitsrechte
der Seigneurs mit den Grundherrschaften. Auch ihnen kam
eine — zwar beschränktere — Grundherrlichkeit zu; sie waren
gewöhnlieh hinwieder niedere Gerichtsherren über die Unter-
thanen ihrer Lehensherrn, welche durch sie mit demselben ver-
mittelt wurden. Ihr Stand schlosz sich mehr und mehr ab.
Und war derselbe ursprünglich eine Folge des Berufes, so
wurde nun die ritterbürtige Herkunft und die standesmäszige
Erziehung die regelmäszige Voraussetzung auch der Ritter-
schaft. Mit Rücksicht auf ihr Geschlecht wurden die neuen
Adeligen nun gentils hommes genannt. Die Abstammung allein
freilich machte den Sohn nicht zum Ritter, 7 aber wer nicht
von einem rittermäszigen Vater stammte — auf die Mutter
wurde nicht gesehen — konnte in der Regel auch nicht Ritter
werden. Nur dem Könige blieb es vorbehalten, in den Adel-
stand zu erheben. 8 Indessen war die Verbindung dieses Adels
6 Loysel, Inst. Coutum. I. 1. 14: „Nul ne doit seoir à la table du
Baron s'il n'est Chevalier.“
7 Das französische Rechtssprichwort: „Nul ne nait Chevalier“ bei
Loysel, Inst. Coutum. I. 1.
8 Loysel, Inst. Coutum. I. 1. 12: „Nul ne peut anoblir que le Roy,“
13.: „Le moyen d'être anobli sans Lettres, est d'être fait Chevalier.“
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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/165>, abgerufen am 28.11.2024.
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