Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
rechtliche Vorzüge. Politisch aber war er ausgezeichnet theils durch die Verbindung der Eigenschaft eines Antrustio mit den hohen Reichsämtern, Hofstellen und kirchlichen Würden, theils durch die Theilnahme an dem Rathe des Königs und die her- vorragende Stellung auf den Nationalversammlungen und Reichs- tagen. Romanische und germanische Elemente sind in dieser Adelsinstitution ebenso gemischt, wie in den Personen, welche zu diesem Adel gerechnet wurden.
Indessen war der germanische Charakter doch überwiegend, und kam immer mehr zur Herrschaft. Diesem Charakter ge- hört einerseits die persönliche Treuverbindung mit dem Könige (trustis dominica) an, welche sich durch die Familiensitte und dem Familieninteresse gemäsz fortpflanzte, und sich weiter auf die Vasallen anderer Herren (Seniores) verzweigte, anderer- seits die Ausstattung der Magnaten mit königlichen Beneficien, meistens in Grundstücken bestehend, welche der König ihnen verlieh. In diesen beiden Beziehungen vornehmlich wurzelt das spätere Lehenswesen.
2. Die Periode der Karolinger (752-987).
Der Wechsel der königlichen Dynastie war groszentheils das Werk einer Adelsrevolution. Die karolingischen Haus- meier wuszten sich als Stellvertreter des Königs und Herzogs an die Spitze des mächtigen und kriegerischen Adels zu setzen. Als Führer desselben begünstigten sie das Streben der Edeln, sich in ihrem Grundbesitze zu befestigen. Mit ihrer Hülfe verdrängten sie dann die entarteten Scheinkönige.
Diese Bewegung hatte, worauf Guizot3 aufmerksam ge- macht, vornehmlich in dem nördlichen Theile von Frankreich, in welchem die Germanen vorherrschten, und welcher eben deszhalb im Gegensatze zu dem "romanischen Frankreich" des Südens "deutsches Frankreich" (Francia Teutonica) genannt wurde, in Austrasien nachhaltige Unterstützung gefunden.
3 Essais sur l'histoire France. S. 52 ff.
Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
rechtliche Vorzüge. Politisch aber war er ausgezeichnet theils durch die Verbindung der Eigenschaft eines Antrustio mit den hohen Reichsämtern, Hofstellen und kirchlichen Würden, theils durch die Theilnahme an dem Rathe des Königs und die her- vorragende Stellung auf den Nationalversammlungen und Reichs- tagen. Romanische und germanische Elemente sind in dieser Adelsinstitution ebenso gemischt, wie in den Personen, welche zu diesem Adel gerechnet wurden.
Indessen war der germanische Charakter doch überwiegend, und kam immer mehr zur Herrschaft. Diesem Charakter ge- hört einerseits die persönliche Treuverbindung mit dem Könige (trustis dominica) an, welche sich durch die Familiensitte und dem Familieninteresse gemäsz fortpflanzte, und sich weiter auf die Vasallen anderer Herren (Seniores) verzweigte, anderer- seits die Ausstattung der Magnaten mit königlichen Beneficien, meistens in Grundstücken bestehend, welche der König ihnen verlieh. In diesen beiden Beziehungen vornehmlich wurzelt das spätere Lehenswesen.
2. Die Periode der Karolinger (752-987).
Der Wechsel der königlichen Dynastie war groszentheils das Werk einer Adelsrevolution. Die karolingischen Haus- meier wuszten sich als Stellvertreter des Königs und Herzogs an die Spitze des mächtigen und kriegerischen Adels zu setzen. Als Führer desselben begünstigten sie das Streben der Edeln, sich in ihrem Grundbesitze zu befestigen. Mit ihrer Hülfe verdrängten sie dann die entarteten Scheinkönige.
Diese Bewegung hatte, worauf Guizot3 aufmerksam ge- macht, vornehmlich in dem nördlichen Theile von Frankreich, in welchem die Germanen vorherrschten, und welcher eben deszhalb im Gegensatze zu dem „romanischen Frankreich“ des Südens „deutsches Frankreich“ (Francia Teutonica) genannt wurde, in Austrasien nachhaltige Unterstützung gefunden.
3 Essais sur l'histoire France. S. 52 ff.
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Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
rechtliche Vorzüge. Politisch aber war er ausgezeichnet theils
durch die Verbindung der Eigenschaft eines Antrustio mit den
hohen Reichsämtern, Hofstellen und kirchlichen Würden, theils
durch die Theilnahme an dem Rathe des Königs und die her-
vorragende Stellung auf den Nationalversammlungen und Reichs-
tagen. Romanische und germanische Elemente sind in dieser
Adelsinstitution ebenso gemischt, wie in den Personen, welche
zu diesem Adel gerechnet wurden.
Indessen war der germanische Charakter doch überwiegend,
und kam immer mehr zur Herrschaft. Diesem Charakter ge-
hört einerseits die persönliche Treuverbindung mit dem Könige
(trustis dominica) an, welche sich durch die Familiensitte und
dem Familieninteresse gemäsz fortpflanzte, und sich weiter auf
die Vasallen anderer Herren (Seniores) verzweigte, anderer-
seits die Ausstattung der Magnaten mit königlichen Beneficien,
meistens in Grundstücken bestehend, welche der König ihnen
verlieh. In diesen beiden Beziehungen vornehmlich wurzelt
das spätere Lehenswesen.
2. Die Periode der Karolinger (752-987).
Der Wechsel der königlichen Dynastie war groszentheils
das Werk einer Adelsrevolution. Die karolingischen Haus-
meier wuszten sich als Stellvertreter des Königs und Herzogs
an die Spitze des mächtigen und kriegerischen Adels zu setzen.
Als Führer desselben begünstigten sie das Streben der Edeln,
sich in ihrem Grundbesitze zu befestigen. Mit ihrer Hülfe
verdrängten sie dann die entarteten Scheinkönige.
Diese Bewegung hatte, worauf Guizot 3 aufmerksam ge-
macht, vornehmlich in dem nördlichen Theile von Frankreich,
in welchem die Germanen vorherrschten, und welcher eben
deszhalb im Gegensatze zu dem „romanischen Frankreich“ des
Südens „deutsches Frankreich“ (Francia Teutonica) genannt
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3 Essais sur l'histoire France. S. 52 ff.
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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/162>, abgerufen am 25.11.2024.
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