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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
von Bremen, Magdeburg und Salzburg, die Bischöfe von Würz-
burg, Augsburg, Basel u. s. f. oder doch an einer Curiatstimme
einen Antheil haben, indem sie auf den sogenannten Prälaten-
bänken
, die hinwieder den Grafenbänken entsprechen, zu-
sammensitzen. In der Heerschildsordnung der Rechtsbücher
nehmen die geistlichen Fürsten den nächsten Rang nach dem
Könige ein, dem der erste Heerschild zukommt. Die welt-
lichen Fürsten, obwohl in der Reichsverfassung jenen wesent-
lich gleichgestellt, haben erst den dritten Heerschild, weil sie
unbedenklich Vasallen jener werden, aber es nicht schicklich
wäre, dasz der geistliche Fürst zum Vasallen des weltlichen
Fürsten würde. Vergeblich wurde in dem groszen Investitur-
Streit zwischen den Päpsten und den sächsischen Kaisern der
Vorschlag gemacht, die Kirchenfürsten sollten auf das welt-
liche Fürstenthum verzichten und nur der Kirche ihr Leben
widmen. Die deutschen geistlichen Fürsten wiesen diese Zu-
muthung selbst des Papstes mit Unwillen zurück. Damit aber
war auch in Deutschland die Verbindung der geistlichen
Aemter mit den statlichen Aemtern und politischen Interessen
gegeben. Es war unmöglich, den herrschenden Klerus auszer-
halb des States zu stellen, wenn er im State weltliche Herr-
schaft üben wollte.

Wie in der Reichsverfassung so war es auch in der Landes-
verfassung. Auch da bildeten die dem Lande angehörigen
Prälaten (Bischöfe, Aebte, Stiftspröbste, geistliche Ordens-
meister) einen besonderen zu den Landtagen berechtigten Stand,
sei es indem sie eine eigene Prälatencurie besetzten oder ge-
meinsam mit dem Adel (Herren und Ritterschaft) tagten, und
besaszen auf ihren Grundherrschaften eine mehr oder weniger
ausgedehnte Gerichtsbarkeit. Die grundherrliche Stellung war
regelmäszig die Grundlage ihrer landständischen Rechte. Wenn
sie daher auch ihre persönliche Freiheit von Kriegspflicht und
Steuer behaupten konnten, für ihre Ministerialen und bäuer-
lichen Hintersassen, welche durchweg Laien waren, konnten sie

Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
von Bremen, Magdeburg und Salzburg, die Bischöfe von Würz-
burg, Augsburg, Basel u. s. f. oder doch an einer Curiatstimme
einen Antheil haben, indem sie auf den sogenannten Prälaten-
bänken
, die hinwieder den Grafenbänken entsprechen, zu-
sammensitzen. In der Heerschildsordnung der Rechtsbücher
nehmen die geistlichen Fürsten den nächsten Rang nach dem
Könige ein, dem der erste Heerschild zukommt. Die welt-
lichen Fürsten, obwohl in der Reichsverfassung jenen wesent-
lich gleichgestellt, haben erst den dritten Heerschild, weil sie
unbedenklich Vasallen jener werden, aber es nicht schicklich
wäre, dasz der geistliche Fürst zum Vasallen des weltlichen
Fürsten würde. Vergeblich wurde in dem groszen Investitur-
Streit zwischen den Päpsten und den sächsischen Kaisern der
Vorschlag gemacht, die Kirchenfürsten sollten auf das welt-
liche Fürstenthum verzichten und nur der Kirche ihr Leben
widmen. Die deutschen geistlichen Fürsten wiesen diese Zu-
muthung selbst des Papstes mit Unwillen zurück. Damit aber
war auch in Deutschland die Verbindung der geistlichen
Aemter mit den statlichen Aemtern und politischen Interessen
gegeben. Es war unmöglich, den herrschenden Klerus auszer-
halb des States zu stellen, wenn er im State weltliche Herr-
schaft üben wollte.

Wie in der Reichsverfassung so war es auch in der Landes-
verfassung. Auch da bildeten die dem Lande angehörigen
Prälaten (Bischöfe, Aebte, Stiftspröbste, geistliche Ordens-
meister) einen besonderen zu den Landtagen berechtigten Stand,
sei es indem sie eine eigene Prälatencurie besetzten oder ge-
meinsam mit dem Adel (Herren und Ritterschaft) tagten, und
besaszen auf ihren Grundherrschaften eine mehr oder weniger
ausgedehnte Gerichtsbarkeit. Die grundherrliche Stellung war
regelmäszig die Grundlage ihrer landständischen Rechte. Wenn
sie daher auch ihre persönliche Freiheit von Kriegspflicht und
Steuer behaupten konnten, für ihre Ministerialen und bäuer-
lichen Hintersassen, welche durchweg Laien waren, konnten sie

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[138/0156] Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur. von Bremen, Magdeburg und Salzburg, die Bischöfe von Würz- burg, Augsburg, Basel u. s. f. oder doch an einer Curiatstimme einen Antheil haben, indem sie auf den sogenannten Prälaten- bänken, die hinwieder den Grafenbänken entsprechen, zu- sammensitzen. In der Heerschildsordnung der Rechtsbücher nehmen die geistlichen Fürsten den nächsten Rang nach dem Könige ein, dem der erste Heerschild zukommt. Die welt- lichen Fürsten, obwohl in der Reichsverfassung jenen wesent- lich gleichgestellt, haben erst den dritten Heerschild, weil sie unbedenklich Vasallen jener werden, aber es nicht schicklich wäre, dasz der geistliche Fürst zum Vasallen des weltlichen Fürsten würde. Vergeblich wurde in dem groszen Investitur- Streit zwischen den Päpsten und den sächsischen Kaisern der Vorschlag gemacht, die Kirchenfürsten sollten auf das welt- liche Fürstenthum verzichten und nur der Kirche ihr Leben widmen. Die deutschen geistlichen Fürsten wiesen diese Zu- muthung selbst des Papstes mit Unwillen zurück. Damit aber war auch in Deutschland die Verbindung der geistlichen Aemter mit den statlichen Aemtern und politischen Interessen gegeben. Es war unmöglich, den herrschenden Klerus auszer- halb des States zu stellen, wenn er im State weltliche Herr- schaft üben wollte. Wie in der Reichsverfassung so war es auch in der Landes- verfassung. Auch da bildeten die dem Lande angehörigen Prälaten (Bischöfe, Aebte, Stiftspröbste, geistliche Ordens- meister) einen besonderen zu den Landtagen berechtigten Stand, sei es indem sie eine eigene Prälatencurie besetzten oder ge- meinsam mit dem Adel (Herren und Ritterschaft) tagten, und besaszen auf ihren Grundherrschaften eine mehr oder weniger ausgedehnte Gerichtsbarkeit. Die grundherrliche Stellung war regelmäszig die Grundlage ihrer landständischen Rechte. Wenn sie daher auch ihre persönliche Freiheit von Kriegspflicht und Steuer behaupten konnten, für ihre Ministerialen und bäuer- lichen Hintersassen, welche durchweg Laien waren, konnten sie

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/156>, abgerufen am 22.11.2024.