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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
Glieder, deren sie zu ihrem Dasein bedarf, an sich
zu ziehen, aber sie ist nicht berechtigt, solche Theile, die
in einem andern Statsverband leben und ihre Befriedigung
finden, von diesem gewaltsam loszureiszen, wenn sie ihrer
entbehren kann.

5. Die höchste Statenbildung beschränkt sich nicht
auf eine einzelne Nationalität
. Die Entwicklung der
Menschheit setzt nicht blosz die freie Offenbarung und den
Wettkampf der Nationen als Grundbedingung voraus, sondern
sie verlangt hinwieder die Verbindung der Nationen zu
höherer Einheit. Das Recht beruht in höherem Grade auf
der Menschennatur als auf den nationalen Besonderheiten.
Das ausgebildete Recht der Culturvölker wird mehr durch die
Bedürfnisse des menschlichen Verkehrs bestimmt als durch
die nationale Sitte. Die wesentlichen Einrichtungen des States
sind dieselben bei den verschiedenen Völkern. Die höchste
Statsidee ist menschlich.

Daher kann auch der Volksstat Bestandtheile von ver-
schiedenen Nationalitäten einigen. Sogar die entschieden
nationalen Staten erhalten durch die beigemischten Bruch-
stücke von fremden Nationen oft eine nützliche Ergänzung
ihrer nationalen Beschränktheit und es können diese fremden
Bestandtheile auch als Vermittlungsglieder dienen, welche
den Zusammenhang mit der Cultur andrer Nationen herstellen
und wirksam erhalten. Zuweilen wirkt diese Mischung eben-
so wohlthätig und förderlich für das Statsleben, wie die Legi-
rung der Edelmetalle mit Kupfer dieselben erst für die Ver-
kehrsmünzen brauchbar macht.

6. Dagegen ist es der Einheit des States allerdings sehr
förderlich, wenn das Volk wesentlich auf eine bestimmte
Hauptnation
sich stützen kann und die übrigen Volksele-
mente nur in einem numerisch untergeordneten Verhält-
nisse zu demselben stehen, wie die Deutschen in Ruszland,
die slavischen Stämme in Preuszen, die Juden in Deutsch-

Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.
Glieder, deren sie zu ihrem Dasein bedarf, an sich
zu ziehen, aber sie ist nicht berechtigt, solche Theile, die
in einem andern Statsverband leben und ihre Befriedigung
finden, von diesem gewaltsam loszureiszen, wenn sie ihrer
entbehren kann.

5. Die höchste Statenbildung beschränkt sich nicht
auf eine einzelne Nationalität
. Die Entwicklung der
Menschheit setzt nicht blosz die freie Offenbarung und den
Wettkampf der Nationen als Grundbedingung voraus, sondern
sie verlangt hinwieder die Verbindung der Nationen zu
höherer Einheit. Das Recht beruht in höherem Grade auf
der Menschennatur als auf den nationalen Besonderheiten.
Das ausgebildete Recht der Culturvölker wird mehr durch die
Bedürfnisse des menschlichen Verkehrs bestimmt als durch
die nationale Sitte. Die wesentlichen Einrichtungen des States
sind dieselben bei den verschiedenen Völkern. Die höchste
Statsidee ist menschlich.

Daher kann auch der Volksstat Bestandtheile von ver-
schiedenen Nationalitäten einigen. Sogar die entschieden
nationalen Staten erhalten durch die beigemischten Bruch-
stücke von fremden Nationen oft eine nützliche Ergänzung
ihrer nationalen Beschränktheit und es können diese fremden
Bestandtheile auch als Vermittlungsglieder dienen, welche
den Zusammenhang mit der Cultur andrer Nationen herstellen
und wirksam erhalten. Zuweilen wirkt diese Mischung eben-
so wohlthätig und förderlich für das Statsleben, wie die Legi-
rung der Edelmetalle mit Kupfer dieselben erst für die Ver-
kehrsmünzen brauchbar macht.

6. Dagegen ist es der Einheit des States allerdings sehr
förderlich, wenn das Volk wesentlich auf eine bestimmte
Hauptnation
sich stützen kann und die übrigen Volksele-
mente nur in einem numerisch untergeordneten Verhält-
nisse zu demselben stehen, wie die Deutschen in Ruszland,
die slavischen Stämme in Preuszen, die Juden in Deutsch-

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[114/0132] Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur. Glieder, deren sie zu ihrem Dasein bedarf, an sich zu ziehen, aber sie ist nicht berechtigt, solche Theile, die in einem andern Statsverband leben und ihre Befriedigung finden, von diesem gewaltsam loszureiszen, wenn sie ihrer entbehren kann. 5. Die höchste Statenbildung beschränkt sich nicht auf eine einzelne Nationalität. Die Entwicklung der Menschheit setzt nicht blosz die freie Offenbarung und den Wettkampf der Nationen als Grundbedingung voraus, sondern sie verlangt hinwieder die Verbindung der Nationen zu höherer Einheit. Das Recht beruht in höherem Grade auf der Menschennatur als auf den nationalen Besonderheiten. Das ausgebildete Recht der Culturvölker wird mehr durch die Bedürfnisse des menschlichen Verkehrs bestimmt als durch die nationale Sitte. Die wesentlichen Einrichtungen des States sind dieselben bei den verschiedenen Völkern. Die höchste Statsidee ist menschlich. Daher kann auch der Volksstat Bestandtheile von ver- schiedenen Nationalitäten einigen. Sogar die entschieden nationalen Staten erhalten durch die beigemischten Bruch- stücke von fremden Nationen oft eine nützliche Ergänzung ihrer nationalen Beschränktheit und es können diese fremden Bestandtheile auch als Vermittlungsglieder dienen, welche den Zusammenhang mit der Cultur andrer Nationen herstellen und wirksam erhalten. Zuweilen wirkt diese Mischung eben- so wohlthätig und förderlich für das Statsleben, wie die Legi- rung der Edelmetalle mit Kupfer dieselben erst für die Ver- kehrsmünzen brauchbar macht. 6. Dagegen ist es der Einheit des States allerdings sehr förderlich, wenn das Volk wesentlich auf eine bestimmte Hauptnation sich stützen kann und die übrigen Volksele- mente nur in einem numerisch untergeordneten Verhält- nisse zu demselben stehen, wie die Deutschen in Ruszland, die slavischen Stämme in Preuszen, die Juden in Deutsch-

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/132>, abgerufen am 24.11.2024.