Das Pfeifen hat der Mensch mit den Sing- vögeln gemein. Letztere haben zwar zu diesem End- zweck einen bis zur Abtheilung der Luftröhre gespal- teten Kehlkopf; doch ist der Mensch auch mit einem einfachen Kehlkopf vorzüglich durch die Verengerung der Lippen, den Gesang der Vögel nachzuahmen im Stande. a)
a) Wie biegsam die Menschenkehle zur Nachah- mung der Thierstimmen ist, lehren uns die Bey- spiele der Wilden. Z. B. die Einwohner von Neuguinea in den Südländern. Nic. Witsen Nord-en Oost-Tartarye. Ed. 2. Amsterdam. 1705. Vol. I. p. 165.
§. 153.
Singen heißt man, wenn die Stimme verschie- dene Grade der Höhe und Tiefe harmonisch durchläuft. Der Gesang ist dem Menschen eigen, und ein be- sonderes Resultat seiner Stimmwerkzeuge. Das Pfeifen ist den Vögeln angebohren; die meisten Vö- gel, und sogar auch Hunde lernen zuweilen Wörter aussprechen. Doch zweifle ich, ob Thiere jemals einen ordentlichen Gesang hervorgebracht haben; so wie es hingegen ausgemacht ist, daß bis itzt kein wildes Volk ohne Gesang angetroffen worden. a)
a) Daß dieses bey den Aethiopiern, Grönländern, Canadiern, Californiern, Kamtschadalen u. a.m. sich so verhalte, wissen wir aus den glaubwür-
Morgagniepistol. anatom. XII. n. 20.
Molinellicomment. institut. Bonon. T. III.
§. 152.
Das Pfeifen hat der Mensch mit den Sing- vögeln gemein. Letztere haben zwar zu diesem End- zweck einen bis zur Abtheilung der Luftröhre gespal- teten Kehlkopf; doch ist der Mensch auch mit einem einfachen Kehlkopf vorzüglich durch die Verengerung der Lippen, den Gesang der Vögel nachzuahmen im Stande. a)
a) Wie biegsam die Menschenkehle zur Nachah- mung der Thierstimmen ist, lehren uns die Bey- spiele der Wilden. Z. B. die Einwohner von Neuguinea in den Südländern. Nic. Witsen Nord-en Oost-Tartarye. Ed. 2. Amsterdam. 1705. Vol. I. p. 165.
§. 153.
Singen heißt man, wenn die Stimme verschie- dene Grade der Höhe und Tiefe harmonisch durchläuft. Der Gesang ist dem Menschen eigen, und ein be- sonderes Resultat seiner Stimmwerkzeuge. Das Pfeifen ist den Vögeln angebohren; die meisten Vö- gel, und sogar auch Hunde lernen zuweilen Wörter aussprechen. Doch zweifle ich, ob Thiere jemals einen ordentlichen Gesang hervorgebracht haben; so wie es hingegen ausgemacht ist, daß bis itzt kein wildes Volk ohne Gesang angetroffen worden. a)
a) Daß dieses bey den Aethiopiern, Grönländern, Canadiern, Californiern, Kamtschadalen u. a.m. sich so verhalte, wissen wir aus den glaubwür-
<TEI><textxml:id="blume_hbnatur_000072"><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0114"xml:id="pb096_0001"n="96"/><prendition="#indent-2"><hirendition="#i"><hirendition="#aq">Morgagni</hi></hi><hirendition="#aq">epistol. anatom</hi>. XII. <hirendition="#aq">n</hi>. 20.</p><prendition="#indent-2"><hirendition="#i"><hirendition="#aq">Molinelli</hi></hi><hirendition="#aq">comment. institut. Bonon. T</hi>. III.</p></div><divn="2"><headrendition="#c">§. 152.</head><lb/><p>Das Pfeifen hat der Mensch mit den Sing-<lb/>
vögeln gemein. Letztere haben zwar zu diesem End-<lb/>
zweck einen bis zur Abtheilung der Luftröhre gespal-<lb/>
teten Kehlkopf; doch ist der Mensch auch mit einem<lb/>
einfachen Kehlkopf vorzüglich durch die Verengerung<lb/>
der Lippen, den Gesang der Vögel nachzuahmen im<lb/>
Stande. <hirendition="#i"><hirendition="#aq">a</hi></hi>)</p><prendition="#indent-2"><hirendition="#i"><hirendition="#aq">a</hi></hi>) Wie biegsam die Menschenkehle zur Nachah-<lb/>
mung der Thierstimmen ist, lehren uns die Bey-<lb/>
spiele der Wilden. Z. B. die Einwohner von<lb/>
Neuguinea in den Südländern. <hirendition="#i"><hirendition="#aq">Nic. Witsen</hi></hi><lb/><hirendition="#aq">Nord-en Oost-Tartarye. Ed.</hi> 2. <hirendition="#aq">Amsterdam</hi>. 1705.<lb/><hirendition="#aq">Vol</hi>. I. <hirendition="#aq">p</hi>. 165.</p></div><divn="2"><headrendition="#c">§. 153.</head><lb/><p>Singen heißt man, wenn die Stimme verschie-<lb/>
dene Grade der Höhe und Tiefe harmonisch durchläuft.<lb/>
Der Gesang ist dem Menschen eigen, und ein be-<lb/>
sonderes Resultat seiner Stimmwerkzeuge. Das<lb/>
Pfeifen ist den Vögeln angebohren; die meisten Vö-<lb/>
gel, und sogar auch Hunde lernen zuweilen Wörter<lb/>
aussprechen. Doch zweifle ich, ob Thiere jemals<lb/>
einen ordentlichen Gesang hervorgebracht haben; so<lb/>
wie es hingegen ausgemacht ist, daß bis itzt kein<lb/>
wildes Volk ohne Gesang angetroffen worden. <hirendition="#i"><hirendition="#aq">a</hi></hi>)</p><prendition="#indent-2"><hirendition="#i"><hirendition="#aq">a</hi></hi>) Daß dieses bey den Aethiopiern, Grönländern,<lb/>
Canadiern, Californiern, Kamtschadalen u. a.m.<lb/>
sich so verhalte, wissen wir aus den glaubwür-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[96/0114]
Morgagni epistol. anatom. XII. n. 20.
Molinelli comment. institut. Bonon. T. III.
§. 152.
Das Pfeifen hat der Mensch mit den Sing-
vögeln gemein. Letztere haben zwar zu diesem End-
zweck einen bis zur Abtheilung der Luftröhre gespal-
teten Kehlkopf; doch ist der Mensch auch mit einem
einfachen Kehlkopf vorzüglich durch die Verengerung
der Lippen, den Gesang der Vögel nachzuahmen im
Stande. a)
a) Wie biegsam die Menschenkehle zur Nachah-
mung der Thierstimmen ist, lehren uns die Bey-
spiele der Wilden. Z. B. die Einwohner von
Neuguinea in den Südländern. Nic. Witsen
Nord-en Oost-Tartarye. Ed. 2. Amsterdam. 1705.
Vol. I. p. 165.
§. 153.
Singen heißt man, wenn die Stimme verschie-
dene Grade der Höhe und Tiefe harmonisch durchläuft.
Der Gesang ist dem Menschen eigen, und ein be-
sonderes Resultat seiner Stimmwerkzeuge. Das
Pfeifen ist den Vögeln angebohren; die meisten Vö-
gel, und sogar auch Hunde lernen zuweilen Wörter
aussprechen. Doch zweifle ich, ob Thiere jemals
einen ordentlichen Gesang hervorgebracht haben; so
wie es hingegen ausgemacht ist, daß bis itzt kein
wildes Volk ohne Gesang angetroffen worden. a)
a) Daß dieses bey den Aethiopiern, Grönländern,
Canadiern, Californiern, Kamtschadalen u. a.m.
sich so verhalte, wissen wir aus den glaubwür-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Blumenbach, Johann Friedrich: Anfangsgründe der Physiologie. (Übers. Joseph Eyerel). 2. Aufl. Wien, 1795, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_physiologie_1795/114>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.