Anm. 2. Zuweilen können Naturalien manchen Kunstproducten so ähnlich seyn, daß sie schwer von einander zu unterscheiden sind. Daher z. B. die ehedem getheilten Meinungen, ob der Ueberzug in der piscina mirabile bei Baja ein von selbst aus dem Wasser abgesetzter Rindenstein von Kalksinter, oder aber ein absichtlich aufgetragener künstlicher Mörtel sey. (- s. Götting. gel. An- zeigen 1791. 188 St. -)
§. 2.
Alle und jede natürlichen Körper zeigen, 1) in Rücksicht ih- rer Entstehung, 2) ihres Wachsthums, und 3) ihrer Structur, eine doppelte Verschiedenheit.
Die einen nähmlich sind allemahl von andern natürlichen Körpern derselben Gestalt und Art hervorgebracht; so daß ihre Existenz in einer ununterbrochenen Reihe bis zur ersten Schö- pfung*) hinauf immer andere dergleichen Körper voraussetzt, denen sie ihr Daseyn zu danken haben.
Zweytens nehmen sie allerhand fremde Substanzen als Nahrungsmittel in ihren Körper auf, assimiliren sie den Be- standtheilen desselben, scheiden das Ueberflüssige wieder aus, und befördern mittelst dieser beständigen Erneuerung und Wech- sel ihr Wachsthum von innen (durch innige Aneignung, in- tus susceptio, expansio).
Diese beiden Eigenschaften setzen drittens von selbst eine be- sondere Structur bei dieser Art von natürlichen Körpern vor- aus. Sie müssen nähmlich, wenn sie auf diese Weise Nah- rungsmittel zu sich nehmen und umwandeln und mit der Zeit andere Geschöpfe ihrer Art wieder hervorbringen sollen, man- cherlei diesen Zwecken der Selbsterhaltung und Fortpflanzung entsprechende, deßhalb mit den so genannten Lebenskräften ver- sehene, und zu einem zweckmäßigen Ganzen unter einander ver- bundene, Gefäße, Adern und andere Organe in ihrem Kör- per haben, die zur Aufnahme bestimmter Säfte, zur Assimila- tion jener Alimente, zur Erzeugung der Nachkommenschaft u. s. w. nothwendig sind.
Dies Alles fehlt bei den natürlichen Körpern der andern Art, nähmlich der Mineralien. Beides, sowohl ihre Ent-
*) Oder wenigstens bis zu ihren ersten Stammältern hinauf. - Denn ich habe im ersten Theile meiner Beyträge zur Naturgeschichte Facta angeführt, die es mehr als bloß wahrschein- lich machen, daß auch selbst in der jetzigen Schöpfung neue Gattun- gen von organisirten Körpern entstehen, und gleichsam nacherschaf- fen werden; wohin namentlich auch die erste Entstehungsweise man- cher sehr einfachen und mikroskopischkleinen organisirten Körper, wie z. B. der mehrsten sogenannten Infusionsthierchen zu gehören scheint.
Anm. 2. Zuweilen können Naturalien manchen Kunstproducten so ähnlich seyn, daß sie schwer von einander zu unterscheiden sind. Daher z. B. die ehedem getheilten Meinungen, ob der Ueberzug in der piscina mirabile bei Bajá ein von selbst aus dem Wasser abgesetzter Rindenstein von Kalksinter, oder aber ein absichtlich aufgetragener künstlicher Mörtel sey. (– s. Götting. gel. An- zeigen 1791. 188 St. –)
§. 2.
Alle und jede natürlichen Körper zeigen, 1) in Rücksicht ih- rer Entstehung, 2) ihres Wachsthums, und 3) ihrer Structur, eine doppelte Verschiedenheit.
Die einen nähmlich sind allemahl von andern natürlichen Körpern derselben Gestalt und Art hervorgebracht; so daß ihre Existenz in einer ununterbrochenen Reihe bis zur ersten Schö- pfung*) hinauf immer andere dergleichen Körper voraussetzt, denen sie ihr Daseyn zu danken haben.
Zweytens nehmen sie allerhand fremde Substanzen als Nahrungsmittel in ihren Körper auf, assimiliren sie den Be- standtheilen desselben, scheiden das Ueberflüssige wieder aus, und befördern mittelst dieser beständigen Erneuerung und Wech- sel ihr Wachsthum von innen (durch innige Aneignung, in- tus susceptio, expansio).
Diese beiden Eigenschaften setzen drittens von selbst eine be- sondere Structur bei dieser Art von natürlichen Körpern vor- aus. Sie müssen nähmlich, wenn sie auf diese Weise Nah- rungsmittel zu sich nehmen und umwandeln und mit der Zeit andere Geschöpfe ihrer Art wieder hervorbringen sollen, man- cherlei diesen Zwecken der Selbsterhaltung und Fortpflanzung entsprechende, deßhalb mit den so genannten Lebenskräften ver- sehene, und zu einem zweckmäßigen Ganzen unter einander ver- bundene, Gefäße, Adern und andere Organe in ihrem Kör- per haben, die zur Aufnahme bestimmter Säfte, zur Assimila- tion jener Alimente, zur Erzeugung der Nachkommenschaft u. s. w. nothwendig sind.
Dies Alles fehlt bei den natürlichen Körpern der andern Art, nähmlich der Mineralien. Beides, sowohl ihre Ent-
*) Oder wenigstens bis zu ihren ersten Stammältern hinauf. – Denn ich habe im ersten Theile meiner Beyträge zur Naturgeschichte Facta angeführt, die es mehr als bloß wahrschein- lich machen, daß auch selbst in der jetzigen Schöpfung neue Gattun- gen von organisirten Körpern entstehen, und gleichsam nacherschaf- fen werden; wohin namentlich auch die erste Entstehungsweise man- cher sehr einfachen und mikroskopischkleinen organisirten Körper, wie z. B. der mehrsten sogenannten Infusionsthierchen zu gehören scheint.
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Anm. 2. Zuweilen können Naturalien manchen Kunstproducten
so ähnlich seyn, daß sie schwer von einander zu unterscheiden sind.
Daher z. B. die ehedem getheilten Meinungen, ob der Ueberzug
in der piscina mirabile bei Bajá ein von selbst aus dem Wasser
abgesetzter Rindenstein von Kalksinter, oder aber ein absichtlich
aufgetragener künstlicher Mörtel sey. (– s. Götting. gel. An-
zeigen 1791. 188 St. –)
§. 2.
Alle und jede natürlichen Körper zeigen, 1) in Rücksicht ih-
rer Entstehung, 2) ihres Wachsthums, und 3) ihrer
Structur, eine doppelte Verschiedenheit.
Die einen nähmlich sind allemahl von andern natürlichen
Körpern derselben Gestalt und Art hervorgebracht; so daß ihre
Existenz in einer ununterbrochenen Reihe bis zur ersten Schö-
pfung *) hinauf immer andere dergleichen Körper voraussetzt,
denen sie ihr Daseyn zu danken haben.
Zweytens nehmen sie allerhand fremde Substanzen als
Nahrungsmittel in ihren Körper auf, assimiliren sie den Be-
standtheilen desselben, scheiden das Ueberflüssige wieder aus,
und befördern mittelst dieser beständigen Erneuerung und Wech-
sel ihr Wachsthum von innen (durch innige Aneignung, in-
tus susceptio, expansio).
Diese beiden Eigenschaften setzen drittens von selbst eine be-
sondere Structur bei dieser Art von natürlichen Körpern vor-
aus. Sie müssen nähmlich, wenn sie auf diese Weise Nah-
rungsmittel zu sich nehmen und umwandeln und mit der Zeit
andere Geschöpfe ihrer Art wieder hervorbringen sollen, man-
cherlei diesen Zwecken der Selbsterhaltung und Fortpflanzung
entsprechende, deßhalb mit den so genannten Lebenskräften ver-
sehene, und zu einem zweckmäßigen Ganzen unter einander ver-
bundene, Gefäße, Adern und andere Organe in ihrem Kör-
per haben, die zur Aufnahme bestimmter Säfte, zur Assimila-
tion jener Alimente, zur Erzeugung der Nachkommenschaft u.
s. w. nothwendig sind.
Dies Alles fehlt bei den natürlichen Körpern der andern
Art, nähmlich der Mineralien. Beides, sowohl ihre Ent-
*) Oder wenigstens bis zu ihren ersten Stammältern
hinauf. – Denn ich habe im ersten Theile meiner Beyträge zur
Naturgeschichte Facta angeführt, die es mehr als bloß wahrschein-
lich machen, daß auch selbst in der jetzigen Schöpfung neue Gattun-
gen von organisirten Körpern entstehen, und gleichsam nacherschaf-
fen werden; wohin namentlich auch die erste Entstehungsweise man-
cher sehr einfachen und mikroskopischkleinen organisirten Körper, wie
z. B. der mehrsten sogenannten Infusionsthierchen zu gehören scheint.
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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 12. Aufl. Wien, 1832, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1832/12>, abgerufen am 02.03.2025.
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