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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 9. Ausg. Göttingen, 1815.

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schichte so äußerst erschwerenden Freyheit nur in
äußerst wenigen Fällen, wo es mir unvermeidlich
schien, bedient. So habe ich z. B. den Pan-
zerthieren oder Armadillen ihren einheimischen, all-
gemein bekannten, und längst von elastischen Zoo-
logen angenommenen Nahmen, Tatu, restituirt;
da man sonst diesen fast haarlosen Thieren durch
einen seltsamen Mißgriff den Nahmen, Rauch-
fuß
, Dasypus, beygelegt hatte, womit die alten
Griechen, ganz passend und völlig nach der Na-
tur, das rauchfüßige Hasengeschlecht bezeich-
net haben. - Aus ähnlichen Gründen braucht
ich für den schönen neuseeländischen Nephrit lie-
ber seinen einheimischen Nahmen (Punammu-
stein
), unter welchem er zuerst von unsern An-
tipoden zu uns gebracht und bekannt worden, als
die ihm neuerlich beygelegte Benennung Beil-
stein
, da ich im hiesigen academischen Museum,
so wie in den in London befindlichen großen Samm-
lungen von südländischen Merkwürdigkeiten, zwar
wohl die Menge von Hacken und andern Gerä-
then, so sich die Neuseeländer aus diesem Steine
bereiten, aber schlechterdings kein daraus verfer-
tigtes Beil aufgefunden habe. - Eben so habe
ich diejenige Gattung des Fledermausgeschlechts,
Vampyr oder Blutsauger genannt, die wirklich
schlafenden Säugethieren das Blut aussaugt; da
hingegen Linne diesen Nahmen dem fliegenden
Hund beygelegt hatte, der wohl seit die Welt
steht, kein Blut gesogen hat, sondern sich ganz
allein von Früchten nährt. - Aber viele andere,
nur nicht gar zu unpassende Kunstnahmen der Art
habe ich dennoch beybehalten, um ja nicht die

schichte so äußerst erschwerenden Freyheit nur in
äußerst wenigen Fällen, wo es mir unvermeidlich
schien, bedient. So habe ich z. B. den Pan-
zerthieren oder Armadillen ihren einheimischen, all-
gemein bekannten, und längst von elastischen Zoo-
logen angenommenen Nahmen, Tatu, restituirt;
da man sonst diesen fast haarlosen Thieren durch
einen seltsamen Mißgriff den Nahmen, Rauch-
fuß
, Dasypus, beygelegt hatte, womit die alten
Griechen, ganz passend und völlig nach der Na-
tur, das rauchfüßige Hasengeschlecht bezeich-
net haben. – Aus ähnlichen Gründen braucht
ich für den schönen neuseeländischen Nephrit lie-
ber seinen einheimischen Nahmen (Punammu-
stein
), unter welchem er zuerst von unsern An-
tipoden zu uns gebracht und bekannt worden, als
die ihm neuerlich beygelegte Benennung Beil-
stein
, da ich im hiesigen academischen Museum,
so wie in den in London befindlichen großen Samm-
lungen von südländischen Merkwürdigkeiten, zwar
wohl die Menge von Hacken und andern Gerä-
then, so sich die Neuseeländer aus diesem Steine
bereiten, aber schlechterdings kein daraus verfer-
tigtes Beil aufgefunden habe. – Eben so habe
ich diejenige Gattung des Fledermausgeschlechts,
Vampyr oder Blutsauger genannt, die wirklich
schlafenden Säugethieren das Blut aussaugt; da
hingegen Linné diesen Nahmen dem fliegenden
Hund beygelegt hatte, der wohl seit die Welt
steht, kein Blut gesogen hat, sondern sich ganz
allein von Früchten nährt. – Aber viele andere,
nur nicht gar zu unpassende Kunstnahmen der Art
habe ich dennoch beybehalten, um ja nicht die

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[9/0013] schichte so äußerst erschwerenden Freyheit nur in äußerst wenigen Fällen, wo es mir unvermeidlich schien, bedient. So habe ich z. B. den Pan- zerthieren oder Armadillen ihren einheimischen, all- gemein bekannten, und längst von elastischen Zoo- logen angenommenen Nahmen, Tatu, restituirt; da man sonst diesen fast haarlosen Thieren durch einen seltsamen Mißgriff den Nahmen, Rauch- fuß, Dasypus, beygelegt hatte, womit die alten Griechen, ganz passend und völlig nach der Na- tur, das rauchfüßige Hasengeschlecht bezeich- net haben. – Aus ähnlichen Gründen braucht ich für den schönen neuseeländischen Nephrit lie- ber seinen einheimischen Nahmen (Punammu- stein), unter welchem er zuerst von unsern An- tipoden zu uns gebracht und bekannt worden, als die ihm neuerlich beygelegte Benennung Beil- stein, da ich im hiesigen academischen Museum, so wie in den in London befindlichen großen Samm- lungen von südländischen Merkwürdigkeiten, zwar wohl die Menge von Hacken und andern Gerä- then, so sich die Neuseeländer aus diesem Steine bereiten, aber schlechterdings kein daraus verfer- tigtes Beil aufgefunden habe. – Eben so habe ich diejenige Gattung des Fledermausgeschlechts, Vampyr oder Blutsauger genannt, die wirklich schlafenden Säugethieren das Blut aussaugt; da hingegen Linné diesen Nahmen dem fliegenden Hund beygelegt hatte, der wohl seit die Welt steht, kein Blut gesogen hat, sondern sich ganz allein von Früchten nährt. – Aber viele andere, nur nicht gar zu unpassende Kunstnahmen der Art habe ich dennoch beybehalten, um ja nicht die

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 9. Ausg. Göttingen, 1815, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1815/13>, abgerufen am 21.11.2024.