In der Ruhe haben sie den Körper und die Arme ausgestreckt: bey einer gewaltsamen Berührung aber, oder außer dem Wasser, ziehen sie sich in ein unförmliches Klümpchen zusammen. Sie sind von den ersten warmen Frühlingstagen an bis in den Herbst in sanft fließenden Wassern und Teichen zu finden, und sitzen mit dem hintern Ende an Wasserpflanzen, Schnecken etc. fest. Ihr ganzer Körper ist eigentlich bloß ein mit Fangarmen versehener Masten. Den Sommer hindurch ver- mehren sie sich, indem sie die lebendigen Jungen wie Sprossen aus ihrem Körper treiben, die sich oft erst, wenn ihnen selbst schon wieder Junge aus- gewachsen sind, von der Mutter losreißen. Bey Annäherung des Winters aber mögen sie wohl Eyer legen*), aus denen im Frühjahr die junge Brut hervor bricht. Man kann sie in sechs und mehr Stücke zerschneiden, und jedes Stück wird binnen einigen Tagen wieder zu ganzen Polypen erwachsen. Man kann ihnen den Kopf oder den Hintertheil der Länge nach spalten, und sich viel- köpfige oder vielgeschwänzte Polypen schaffen. Man kann mehrere Polypen in einander stecken, und so oder auf andre Weise zu wunderlichen monströsen Gruppen zusammen heilen. Man kann sie durch einen, freylich Uebung und Geduld er- fordernden, Handgriff wie einen Handschuh um- kehren. Man kann sie der Länge nach aufschlitzen, und wie ein Stückchen Band ausbreiten, und doch können auch dann, wie Rösel zuerst bemerkt hat, mehrere auf eine schwer zu begreifende Weise einander auffressen, oder eigentlich in einander schmelzen. Man kann sie, nach den merkwürdi- gen Versuchen des seel. Hofr. Lichtenberg**),
*)Pallaselenchus Zoophytor. pag. 28.
**)
s. Götting. Magaz. III. Jahrg. 4 St. S. 565 u. f.
In der Ruhe haben sie den Körper und die Arme ausgestreckt: bey einer gewaltsamen Berührung aber, oder außer dem Wasser, ziehen sie sich in ein unförmliches Klümpchen zusammen. Sie sind von den ersten warmen Frühlingstagen an bis in den Herbst in sanft fließenden Wassern und Teichen zu finden, und sitzen mit dem hintern Ende an Wasserpflanzen, Schnecken ꝛc. fest. Ihr ganzer Körper ist eigentlich bloß ein mit Fangarmen versehener Masten. Den Sommer hindurch ver- mehren sie sich, indem sie die lebendigen Jungen wie Sprossen aus ihrem Körper treiben, die sich oft erst, wenn ihnen selbst schon wieder Junge aus- gewachsen sind, von der Mutter losreißen. Bey Annäherung des Winters aber mögen sie wohl Eyer legen*), aus denen im Frühjahr die junge Brut hervor bricht. Man kann sie in sechs und mehr Stücke zerschneiden, und jedes Stück wird binnen einigen Tagen wieder zu ganzen Polypen erwachsen. Man kann ihnen den Kopf oder den Hintertheil der Länge nach spalten, und sich viel- köpfige oder vielgeschwänzte Polypen schaffen. Man kann mehrere Polypen in einander stecken, und so oder auf andre Weise zu wunderlichen monströsen Gruppen zusammen heilen. Man kann sie durch einen, freylich Uebung und Geduld er- fordernden, Handgriff wie einen Handschuh um- kehren. Man kann sie der Länge nach aufschlitzen, und wie ein Stückchen Band ausbreiten, und doch können auch dann, wie Rösel zuerst bemerkt hat, mehrere auf eine schwer zu begreifende Weise einander auffressen, oder eigentlich in einander schmelzen. Man kann sie, nach den merkwürdi- gen Versuchen des seel. Hofr. Lichtenberg**),
*)Pallaselenchus Zoophytor. pag. 28.
**)
s. Götting. Magaz. III. Jahrg. 4 St. S. 565 u. f.
<TEI><textxml:id="blume000027"><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><prendition="#l1em"><pbfacs="#f0493"xml:id="pb469_0001"n="469"/>
In der Ruhe haben sie den Körper und die Arme<lb/>
ausgestreckt: bey einer gewaltsamen Berührung<lb/>
aber, oder außer dem Wasser, ziehen sie sich in<lb/>
ein unförmliches Klümpchen zusammen. Sie sind<lb/>
von den ersten warmen Frühlingstagen an bis in<lb/>
den Herbst in sanft fließenden Wassern und Teichen<lb/>
zu finden, und sitzen mit dem hintern Ende an<lb/>
Wasserpflanzen, Schnecken ꝛc. fest. Ihr ganzer<lb/>
Körper ist eigentlich bloß ein mit Fangarmen<lb/>
versehener Masten. Den Sommer hindurch ver-<lb/>
mehren sie sich, indem sie die lebendigen Jungen wie<lb/>
Sprossen aus ihrem Körper treiben, die sich oft<lb/>
erst, wenn ihnen selbst schon wieder Junge aus-<lb/>
gewachsen sind, von der Mutter losreißen. Bey<lb/>
Annäherung des Winters aber mögen sie wohl<lb/>
Eyer legen<noteanchored="true"place="foot"n="*)"><p><hirendition="#aq"><hirendition="#k">Pallas</hi><hirendition="#i">elenchus Zoophytor.</hi> pag.</hi> 28.</p></note>, aus denen im Frühjahr die junge<lb/>
Brut hervor bricht. Man kann sie in sechs und<lb/>
mehr Stücke zerschneiden, und jedes Stück wird<lb/>
binnen einigen Tagen wieder zu ganzen Polypen<lb/>
erwachsen. Man kann ihnen den Kopf oder den<lb/>
Hintertheil der Länge nach spalten, und sich viel-<lb/>
köpfige oder vielgeschwänzte Polypen schaffen.<lb/>
Man kann mehrere Polypen in einander stecken,<lb/>
und so oder auf andre Weise zu wunderlichen<lb/>
monströsen Gruppen zusammen heilen. Man kann<lb/>
sie durch einen, freylich Uebung und Geduld er-<lb/>
fordernden, Handgriff wie einen Handschuh um-<lb/>
kehren. Man kann sie der Länge nach aufschlitzen,<lb/>
und wie ein Stückchen Band ausbreiten, und<lb/>
doch können auch dann, wie Rösel zuerst bemerkt<lb/>
hat, mehrere auf eine schwer zu begreifende Weise<lb/>
einander auffressen, oder eigentlich in einander<lb/>
schmelzen. Man kann sie, nach den merkwürdi-<lb/>
gen Versuchen des seel. Hofr. Lichtenberg<noteanchored="true"place="foot"n="**)"><p>s. Götting. Magaz. III. Jahrg. 4 St. S. 565 u. f.</p></note>,<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[469/0493]
In der Ruhe haben sie den Körper und die Arme
ausgestreckt: bey einer gewaltsamen Berührung
aber, oder außer dem Wasser, ziehen sie sich in
ein unförmliches Klümpchen zusammen. Sie sind
von den ersten warmen Frühlingstagen an bis in
den Herbst in sanft fließenden Wassern und Teichen
zu finden, und sitzen mit dem hintern Ende an
Wasserpflanzen, Schnecken ꝛc. fest. Ihr ganzer
Körper ist eigentlich bloß ein mit Fangarmen
versehener Masten. Den Sommer hindurch ver-
mehren sie sich, indem sie die lebendigen Jungen wie
Sprossen aus ihrem Körper treiben, die sich oft
erst, wenn ihnen selbst schon wieder Junge aus-
gewachsen sind, von der Mutter losreißen. Bey
Annäherung des Winters aber mögen sie wohl
Eyer legen *), aus denen im Frühjahr die junge
Brut hervor bricht. Man kann sie in sechs und
mehr Stücke zerschneiden, und jedes Stück wird
binnen einigen Tagen wieder zu ganzen Polypen
erwachsen. Man kann ihnen den Kopf oder den
Hintertheil der Länge nach spalten, und sich viel-
köpfige oder vielgeschwänzte Polypen schaffen.
Man kann mehrere Polypen in einander stecken,
und so oder auf andre Weise zu wunderlichen
monströsen Gruppen zusammen heilen. Man kann
sie durch einen, freylich Uebung und Geduld er-
fordernden, Handgriff wie einen Handschuh um-
kehren. Man kann sie der Länge nach aufschlitzen,
und wie ein Stückchen Band ausbreiten, und
doch können auch dann, wie Rösel zuerst bemerkt
hat, mehrere auf eine schwer zu begreifende Weise
einander auffressen, oder eigentlich in einander
schmelzen. Man kann sie, nach den merkwürdi-
gen Versuchen des seel. Hofr. Lichtenberg **),
*) Pallas elenchus Zoophytor. pag. 28.
**) s. Götting. Magaz. III. Jahrg. 4 St. S. 565 u. f.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herstellung der Imagedateien des Quelldokuments durch die Utrecht University Library und die Thüringer
Universitäts- und Landesbibliothek Jena.
Anmerkungen zur Transkription:
Bei der Zeichenerkennung wurde nach dem von der Akademie gelieferten Dokument "Buchstabenmuster_Blumenbach.doc" modernisiert.
In Absprache mit der Akademie wurden die folgenden Aspekte der Vorlage nicht erfasst:
Bogensignaturen und Kustoden
Kolumnentitel
Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterscheide zugunsten der Identifizeriung von titleParts verzeichtet.
Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.
Es wurden alle Anführungszeichen übernommen und die Zitate zusätzlich mit q
ausgezeichnet. Eine Ausnahme bilden Zitate, bei denen das Anführungszeichen zu Beginn
jeder Zeile wiederholt wird. Hier wurden die Wiederholungen des öffenenden Zeichens
nicht übernommen, sondern jeweils nur das öffnende und das schließende Zeichen.
Das umschließende Element q wurde für diese Zitate über das Attribut
type mit dem Wert preline gekennzeichnet.
Weiche und harte Zeilentrennungen wurden als 002D übernommen. Weiche
Zeilentrennungen wurden über die Ergänzung eines Attributwertes von den harten
Trennungen unterscheiden: lb type="inWord". Erstreckt sich die
Worttrennung über einen Seitenumbruch steht das Element pb direkt
hinter dem schließenden lb type="inWord" bzw. lb.
Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 6. Aufl. Göttingen, 1799, S. 469. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1799/493>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.