Andre Naturtriebe der Thiere dienen nicht zu Befriedigung eigener Bedürfnisse, sondern blos zur Erhaltung ihrer, vielleicht noch nicht einmal erzeugten, Nachkommenschaft. Die genaue Wahl eines schicklichen Ortes zum Eyer- legen, welcher dem Unterhalt der daraus ent- stehenden Jungen vollkommen entspricht, giebt ein deutliches Beyspiel dieser Art vom Instinct: so legen manche Insecten ihre Eeyer blos auf Aas, andre in den Körper lebendiger Thiere, andre in bestimmte Theile der Pflanzen u. s. w.
§. 36.
Unter diesen verschiedenen thierischen Trie- ben sind besonders die Kunsttriebe ganz vorzüg- lich merkwürdig, da sich nemlich so viele Thiere ohne alle Anweisung und ohne alle vorgängige Uebung, (die bey so vielen z. B. bey den Rau- pen die nur ein für allemal in ihrem Leben davon Gebrauch machen können, und wo folglich schlech- terdings erster Versuch und Meisterstück eins seyn muß, durchaus nicht statt finden kann), so ungemein künstliche Wohnungen, Nester, Ge- webe etc. zu ihrem Aufenthalt, zur Sicherheit für ihre Junge, zum Fang ihres Raubes, und zu tausend andern Zwecken zu verfertigen wissen. Der Bau der Bieber, die Hölen der Hamster, der Murmelthiere; die Nester der Eichhörn- chen, der Vögel, der Insecten; die Spinne-
§. 35.
Andre Naturtriebe der Thiere dienen nicht zu Befriedigung eigener Bedürfnisse, sondern blos zur Erhaltung ihrer, vielleicht noch nicht einmal erzeugten, Nachkommenschaft. Die genaue Wahl eines schicklichen Ortes zum Eyer- legen, welcher dem Unterhalt der daraus ent- stehenden Jungen vollkommen entspricht, giebt ein deutliches Beyspiel dieser Art vom Instinct: so legen manche Insecten ihre Eeyer blos auf Aas, andre in den Körper lebendiger Thiere, andre in bestimmte Theile der Pflanzen u. s. w.
§. 36.
Unter diesen verschiedenen thierischen Trie- ben sind besonders die Kunsttriebe ganz vorzüg- lich merkwürdig, da sich nemlich so viele Thiere ohne alle Anweisung und ohne alle vorgängige Uebung, (die bey so vielen z. B. bey den Rau- pen die nur ein für allemal in ihrem Leben davon Gebrauch machen können, und wo folglich schlech- terdings erster Versuch und Meisterstück eins seyn muß, durchaus nicht statt finden kann), so ungemein künstliche Wohnungen, Nester, Ge- webe ꝛc. zu ihrem Aufenthalt, zur Sicherheit für ihre Junge, zum Fang ihres Raubes, und zu tausend andern Zwecken zu verfertigen wissen. Der Bau der Bieber, die Hölen der Hamster, der Murmelthiere; die Nester der Eichhörn- chen, der Vögel, der Insecten; die Spinne-
<TEI><textxml:id="blume_hbnatur_000024"><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0057"xml:id="pb037_0001"n="37"/><headrendition="#c">§. 35.</head><lb/><p>Andre Naturtriebe der Thiere dienen nicht<lb/>
zu Befriedigung eigener Bedürfnisse, sondern<lb/>
blos zur Erhaltung ihrer, vielleicht noch nicht<lb/>
einmal erzeugten, Nachkommenschaft. Die<lb/>
genaue Wahl eines schicklichen Ortes zum Eyer-<lb/>
legen, welcher dem Unterhalt der daraus ent-<lb/>
stehenden Jungen vollkommen entspricht, giebt<lb/>
ein deutliches Beyspiel dieser Art vom Instinct:<lb/>
so legen manche Insecten ihre Eeyer blos auf<lb/>
Aas, andre in den Körper lebendiger Thiere,<lb/>
andre in bestimmte Theile der Pflanzen u. s. w.</p></div><divn="2"><headrendition="#c">§. 36.</head><lb/><p>Unter diesen verschiedenen thierischen Trie-<lb/>
ben sind besonders die Kunsttriebe ganz vorzüg-<lb/>
lich merkwürdig, da sich nemlich so viele Thiere<lb/>
ohne alle Anweisung und ohne alle vorgängige<lb/>
Uebung, (die bey so vielen z. B. bey den Rau-<lb/>
pen die nur ein für allemal in ihrem Leben davon<lb/>
Gebrauch machen können, und wo folglich schlech-<lb/>
terdings erster Versuch und Meisterstück eins<lb/>
seyn muß, durchaus nicht statt finden kann), so<lb/>
ungemein künstliche Wohnungen, Nester, Ge-<lb/>
webe ꝛc. zu ihrem Aufenthalt, zur Sicherheit<lb/>
für ihre Junge, zum Fang ihres Raubes, und<lb/>
zu tausend andern Zwecken zu verfertigen wissen.<lb/>
Der Bau der Bieber, die Hölen der Hamster,<lb/>
der Murmelthiere; die Nester der Eichhörn-<lb/>
chen, der Vögel, der Insecten; die Spinne-<lbtype="inWord"/></p></div></div></body></text></TEI>
[37/0057]
§. 35.
Andre Naturtriebe der Thiere dienen nicht
zu Befriedigung eigener Bedürfnisse, sondern
blos zur Erhaltung ihrer, vielleicht noch nicht
einmal erzeugten, Nachkommenschaft. Die
genaue Wahl eines schicklichen Ortes zum Eyer-
legen, welcher dem Unterhalt der daraus ent-
stehenden Jungen vollkommen entspricht, giebt
ein deutliches Beyspiel dieser Art vom Instinct:
so legen manche Insecten ihre Eeyer blos auf
Aas, andre in den Körper lebendiger Thiere,
andre in bestimmte Theile der Pflanzen u. s. w.
§. 36.
Unter diesen verschiedenen thierischen Trie-
ben sind besonders die Kunsttriebe ganz vorzüg-
lich merkwürdig, da sich nemlich so viele Thiere
ohne alle Anweisung und ohne alle vorgängige
Uebung, (die bey so vielen z. B. bey den Rau-
pen die nur ein für allemal in ihrem Leben davon
Gebrauch machen können, und wo folglich schlech-
terdings erster Versuch und Meisterstück eins
seyn muß, durchaus nicht statt finden kann), so
ungemein künstliche Wohnungen, Nester, Ge-
webe ꝛc. zu ihrem Aufenthalt, zur Sicherheit
für ihre Junge, zum Fang ihres Raubes, und
zu tausend andern Zwecken zu verfertigen wissen.
Der Bau der Bieber, die Hölen der Hamster,
der Murmelthiere; die Nester der Eichhörn-
chen, der Vögel, der Insecten; die Spinne-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 3. Aufl. Göttingen, 1788, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1788/57>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.