Schöpfung keine Lücke gelassen hat, daß die- ses unermeßliche Uhrwerk nirgend stockt, son- dern im ununterbrochnen Gange, im beständi- gen Gleichgewicht erhalten wird, davon liegt der Grund wohl schwerlich darinne, weil der Orangutang den Uebergang vom Menschen zum Affen machen, oder weil die Vögel durch die Fledermäuse mit den vierfüßigen Thieren, und durch die fliegenden Fische mit den Fischen verbunden seyn sollen: sondern weil jedes er- schaffne Wesen seine Bestimmung, und den zu dieser Bestimmung erfoderlichen Körperbau hat; weil kein zweckloses Geschöpf existirt, was nicht auch seinen Beytrag zur Vollkom- menheit des Ganzen gäbe, ja, was nicht so zu sagen, das für die ganze übrige Schöpfung wäre, was Phidias Bild am Schild seiner Mi- nerva war, das man nicht ausheben durfte, wenn nicht das ganze große Werk zusammen fallen sollte! Das machts, daß die Schöpfung ihren Gang geht, und daß noch kein Weiser, irgend einer Zeit oder eines Volks, in ihr eine Lücke hat antreffen können. Kette der Natur, die suchen wir nicht in der stufenweisen Bil- dung ihrer Körper, nicht darinn, daß der eine, Thier und Pflanze, und ein andrer Pflanze und Stein verknüpfen soll; sondern in den an- gewiesenen Geschäften der Glieder dieser Kette, wie Glied und Glied nicht nach ihrer Form, sondern nach ihrer Bestimmung in einander
Schöpfung keine Lücke gelassen hat, daß die- ses unermeßliche Uhrwerk nirgend stockt, son- dern im ununterbrochnen Gange, im beständi- gen Gleichgewicht erhalten wird, davon liegt der Grund wohl schwerlich darinne, weil der Orangutang den Uebergang vom Menschen zum Affen machen, oder weil die Vögel durch die Fledermäuse mit den vierfüßigen Thieren, und durch die fliegenden Fische mit den Fischen verbunden seyn sollen: sondern weil jedes er- schaffne Wesen seine Bestimmung, und den zu dieser Bestimmung erfoderlichen Körperbau hat; weil kein zweckloses Geschöpf existirt, was nicht auch seinen Beytrag zur Vollkom- menheit des Ganzen gäbe, ja, was nicht so zu sagen, das für die ganze übrige Schöpfung wäre, was Phidias Bild am Schild seiner Mi- nerva war, das man nicht ausheben durfte, wenn nicht das ganze große Werk zusammen fallen sollte! Das machts, daß die Schöpfung ihren Gang geht, und daß noch kein Weiser, irgend einer Zeit oder eines Volks, in ihr eine Lücke hat antreffen können. Kette der Natur, die suchen wir nicht in der stufenweisen Bil- dung ihrer Körper, nicht darinn, daß der eine, Thier und Pflanze, und ein andrer Pflanze und Stein verknüpfen soll; sondern in den an- gewiesenen Geschäften der Glieder dieser Kette, wie Glied und Glied nicht nach ihrer Form, sondern nach ihrer Bestimmung in einander
<TEI><textxml:id="blume_hbnatur_000023"><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0022"xml:id="pb010_0001"n="10"/>
Schöpfung keine Lücke gelassen hat, daß die-<lb/>
ses unermeßliche Uhrwerk nirgend stockt, son-<lb/>
dern im ununterbrochnen Gange, im beständi-<lb/>
gen Gleichgewicht erhalten wird, davon liegt<lb/>
der Grund wohl schwerlich darinne, weil der<lb/>
Orangutang den Uebergang vom Menschen<lb/>
zum Affen machen, oder weil die Vögel durch<lb/>
die Fledermäuse mit den vierfüßigen Thieren,<lb/>
und durch die fliegenden Fische mit den Fischen<lb/>
verbunden seyn sollen: sondern weil jedes er-<lb/>
schaffne Wesen seine Bestimmung, und den zu<lb/>
dieser Bestimmung erfoderlichen Körperbau<lb/>
hat; weil kein zweckloses Geschöpf existirt,<lb/>
was nicht auch seinen Beytrag zur Vollkom-<lb/>
menheit des Ganzen gäbe, ja, was nicht so zu<lb/>
sagen, das für die ganze übrige Schöpfung<lb/>
wäre, was Phidias Bild am Schild seiner Mi-<lb/>
nerva war, das man nicht ausheben durfte,<lb/>
wenn nicht das ganze große Werk zusammen<lb/>
fallen sollte! Das machts, daß die Schöpfung<lb/>
ihren Gang geht, und daß noch kein Weiser,<lb/>
irgend einer Zeit oder eines Volks, in ihr eine<lb/>
Lücke hat antreffen können. Kette der Natur,<lb/>
die suchen wir nicht in der stufenweisen Bil-<lb/>
dung ihrer Körper, nicht darinn, daß der eine,<lb/>
Thier und Pflanze, und ein andrer Pflanze<lb/>
und Stein verknüpfen soll; sondern in den an-<lb/>
gewiesenen Geschäften der Glieder dieser Kette,<lb/>
wie Glied und Glied nicht nach ihrer Form,<lb/>
sondern nach ihrer Bestimmung in einander<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[10/0022]
Schöpfung keine Lücke gelassen hat, daß die-
ses unermeßliche Uhrwerk nirgend stockt, son-
dern im ununterbrochnen Gange, im beständi-
gen Gleichgewicht erhalten wird, davon liegt
der Grund wohl schwerlich darinne, weil der
Orangutang den Uebergang vom Menschen
zum Affen machen, oder weil die Vögel durch
die Fledermäuse mit den vierfüßigen Thieren,
und durch die fliegenden Fische mit den Fischen
verbunden seyn sollen: sondern weil jedes er-
schaffne Wesen seine Bestimmung, und den zu
dieser Bestimmung erfoderlichen Körperbau
hat; weil kein zweckloses Geschöpf existirt,
was nicht auch seinen Beytrag zur Vollkom-
menheit des Ganzen gäbe, ja, was nicht so zu
sagen, das für die ganze übrige Schöpfung
wäre, was Phidias Bild am Schild seiner Mi-
nerva war, das man nicht ausheben durfte,
wenn nicht das ganze große Werk zusammen
fallen sollte! Das machts, daß die Schöpfung
ihren Gang geht, und daß noch kein Weiser,
irgend einer Zeit oder eines Volks, in ihr eine
Lücke hat antreffen können. Kette der Natur,
die suchen wir nicht in der stufenweisen Bil-
dung ihrer Körper, nicht darinn, daß der eine,
Thier und Pflanze, und ein andrer Pflanze
und Stein verknüpfen soll; sondern in den an-
gewiesenen Geschäften der Glieder dieser Kette,
wie Glied und Glied nicht nach ihrer Form,
sondern nach ihrer Bestimmung in einander
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 2. Aufl. Göttingen, 1782, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1782/22>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.