ten, geben zwar meist nur einen ziemlich ein- förmigen, nicht sehr angenehmen Laut von sich: desto mannichfaltiger und anmuthiger sind hin- gegen die Töne der kleinen Sangvögel, welche ausser dem Menschen, die einzigen Geschöpfe in der Natur sind, die singen können. Ge- sang ist die Stimme der Liebe; und die Vögel singen daher auch nie kräftiger und anhalten- der, als wenn sie im Frühjahr eine Gattin an sich zu locken suchen, oder ihren Verlust be- weinen, oder wenn sie in einsamen Käfigen ver- sperrt, den Mangel der Freyheit und des Ge- nusses ehlicher Freuden betrauren. Sie wett- eifern unter einander, und lassen sich durch lau- tes Reden, und durch jedes Geräusch, beson- ders aber durch Instrumental. Musik sehr wil- lig zum Schlagen ermuntern. Ausser den ob- gedachten Luftbehältern (§. 64.) kommt ihnen dazu vorzüglich die Einrichtung ihrer Luftröhre zu statten, die bey den Vögeln nicht blos so wie bey andern Thieren am obern Ende, nem- lich an der Zungenwurzel, sondern auch unten, wo sie sich in die Lungen vertheilt, noch mit ei- nem zweyten Kehlkopf, der doch eine andre Bildung hat als der obere, versehen ist. Es giebt zwar auch in den heissen Erdstrichen ei- nige anmuthige Sangvögel; aber die allervor- züglichsten und mehresten sind doch eben so wol das Vorrecht der külern Zonen, als es die prächtigst gefiederten Vögel für die heissesten
ten, geben zwar meist nur einen ziemlich ein- förmigen, nicht sehr angenehmen Laut von sich: desto mannichfaltiger und anmuthiger sind hin- gegen die Töne der kleinen Sangvögel, welche ausser dem Menschen, die einzigen Geschöpfe in der Natur sind, die singen können. Ge- sang ist die Stimme der Liebe; und die Vögel singen daher auch nie kräftiger und anhalten- der, als wenn sie im Frühjahr eine Gattin an sich zu locken suchen, oder ihren Verlust be- weinen, oder wenn sie in einsamen Käfigen ver- sperrt, den Mangel der Freyheit und des Ge- nusses ehlicher Freuden betrauren. Sie wett- eifern unter einander, und lassen sich durch lau- tes Reden, und durch jedes Geräusch, beson- ders aber durch Instrumental. Musik sehr wil- lig zum Schlagen ermuntern. Ausser den ob- gedachten Luftbehältern (§. 64.) kommt ihnen dazu vorzüglich die Einrichtung ihrer Luftröhre zu statten, die bey den Vögeln nicht blos so wie bey andern Thieren am obern Ende, nem- lich an der Zungenwurzel, sondern auch unten, wo sie sich in die Lungen vertheilt, noch mit ei- nem zweyten Kehlkopf, der doch eine andre Bildung hat als der obere, versehen ist. Es giebt zwar auch in den heissen Erdstrichen ei- nige anmuthige Sangvögel; aber die allervor- züglichsten und mehresten sind doch eben so wol das Vorrecht der külern Zonen, als es die prächtigst gefiederten Vögel für die heissesten
<TEI><textxml:id="blume_hbnatur_000023"><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0174"xml:id="pb162_0001"n="162"/>
ten, geben zwar meist nur einen ziemlich ein-<lb/>
förmigen, nicht sehr angenehmen Laut von sich:<lb/>
desto mannichfaltiger und anmuthiger sind hin-<lb/>
gegen die Töne der kleinen Sangvögel, welche<lb/>
ausser dem Menschen, die einzigen Geschöpfe<lb/>
in der Natur sind, die singen können. Ge-<lb/>
sang ist die Stimme der Liebe; und die Vögel<lb/>
singen daher auch nie kräftiger und anhalten-<lb/>
der, als wenn sie im Frühjahr eine Gattin<lb/>
an sich zu locken suchen, oder ihren Verlust be-<lb/>
weinen, oder wenn sie in einsamen Käfigen ver-<lb/>
sperrt, den Mangel der Freyheit und des Ge-<lb/>
nusses ehlicher Freuden betrauren. Sie wett-<lb/>
eifern unter einander, und lassen sich durch lau-<lb/>
tes Reden, und durch jedes Geräusch, beson-<lb/>
ders aber durch Instrumental. Musik sehr wil-<lb/>
lig zum Schlagen ermuntern. Ausser den ob-<lb/>
gedachten Luftbehältern (§. 64.) kommt ihnen<lb/>
dazu vorzüglich die Einrichtung ihrer Luftröhre<lb/>
zu statten, die bey den Vögeln nicht blos so<lb/>
wie bey andern Thieren am obern Ende, nem-<lb/>
lich an der Zungenwurzel, sondern auch unten,<lb/>
wo sie sich in die Lungen vertheilt, noch mit ei-<lb/>
nem zweyten Kehlkopf, der doch eine andre<lb/>
Bildung hat als der obere, versehen ist. Es<lb/>
giebt zwar auch in den heissen Erdstrichen ei-<lb/>
nige anmuthige Sangvögel; aber die allervor-<lb/>
züglichsten und mehresten sind doch eben so wol<lb/>
das Vorrecht der külern Zonen, als es die<lb/>
prächtigst gefiederten Vögel für die heissesten<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[162/0174]
ten, geben zwar meist nur einen ziemlich ein-
förmigen, nicht sehr angenehmen Laut von sich:
desto mannichfaltiger und anmuthiger sind hin-
gegen die Töne der kleinen Sangvögel, welche
ausser dem Menschen, die einzigen Geschöpfe
in der Natur sind, die singen können. Ge-
sang ist die Stimme der Liebe; und die Vögel
singen daher auch nie kräftiger und anhalten-
der, als wenn sie im Frühjahr eine Gattin
an sich zu locken suchen, oder ihren Verlust be-
weinen, oder wenn sie in einsamen Käfigen ver-
sperrt, den Mangel der Freyheit und des Ge-
nusses ehlicher Freuden betrauren. Sie wett-
eifern unter einander, und lassen sich durch lau-
tes Reden, und durch jedes Geräusch, beson-
ders aber durch Instrumental. Musik sehr wil-
lig zum Schlagen ermuntern. Ausser den ob-
gedachten Luftbehältern (§. 64.) kommt ihnen
dazu vorzüglich die Einrichtung ihrer Luftröhre
zu statten, die bey den Vögeln nicht blos so
wie bey andern Thieren am obern Ende, nem-
lich an der Zungenwurzel, sondern auch unten,
wo sie sich in die Lungen vertheilt, noch mit ei-
nem zweyten Kehlkopf, der doch eine andre
Bildung hat als der obere, versehen ist. Es
giebt zwar auch in den heissen Erdstrichen ei-
nige anmuthige Sangvögel; aber die allervor-
züglichsten und mehresten sind doch eben so wol
das Vorrecht der külern Zonen, als es die
prächtigst gefiederten Vögel für die heissesten
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 2. Aufl. Göttingen, 1782, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1782/174>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.