Auch dieses Thiers Geschichte hat noch viel dunkles. Es lebt Herdenweise auf den Bergen von Orient und Aegypten, kommt wenig zum Vorschein, ist doch aber auch, wenn es jung gefangen wir, leicht zu zähmen. Von ihm kommt der Orientalische Bezoarstein, der be- kanntlich ehedem in dem ungegründeten Rufe einer Panacee war.
29. * Antilope. Cornua cava, teretia, an- nulata, vel spiralia.
1. +. Rupicapra. die Gemse. A. cornibus ere- ctis uncinatis.
Die Gemse hat einerley Vaterland mit dem Steinbock, doch wagt sie sich nie auf die äus- sersten Felsenspitzen, die dieser bewohnt, son- dern hält sich mehr in den mittlern Berggengen- den, und zwar theils auf kahlen Steinklippen, theils im Gehölze und Buschwerk auf. Die Gemsen, die blos auf den Klippen wohnen, sind kleiner und dunkler von Farbe, als die so auch ins Gebüsch gehen. Jene nent man in der Schweiz Gratthiere, diese Waldthiere. Beide Arten leben in Gesellschaft, sind furchtsamer im Klettern und Springen als der Steinbock, und stellen auf der Weide einen aus ihrem Mit- tel auf die Wache, der das Vorthier oder die Vorgeyß genannt wird, und der beym minde- sten Geräusch durch einen besondern Ton die Heerde warnt, und mit ihr davon flüchtet*). Jung eingefangen lassen sich die Gemsen zäh- men, sogar daß sie mit den Haus-Ziegen auf die Weide gehn. Ihre Jagd und deren Ge- fahren ist im Theuerdank umständlich und ganz
*) Faesi Erdbeschr. der Eidgenossenschafft. Th. I. S. 35.
Auch dieses Thiers Geschichte hat noch viel dunkles. Es lebt Herdenweise auf den Bergen von Orient und Aegypten, kommt wenig zum Vorschein, ist doch aber auch, wenn es jung gefangen wir, leicht zu zähmen. Von ihm kommt der Orientalische Bezoarstein, der be- kanntlich ehedem in dem ungegründeten Rufe einer Panacee war.
29. * Antilope. Cornua cava, teretia, an- nulata, vel spiralia.
1. †. Rupicapra. die Gemse. A. cornibus ere- ctis uncinatis.
Die Gemse hat einerley Vaterland mit dem Steinbock, doch wagt sie sich nie auf die äus- sersten Felsenspitzen, die dieser bewohnt, son- dern hält sich mehr in den mittlern Berggengen- den, und zwar theils auf kahlen Steinklippen, theils im Gehölze und Buschwerk auf. Die Gemsen, die blos auf den Klippen wohnen, sind kleiner und dunkler von Farbe, als die so auch ins Gebüsch gehen. Jene nent man in der Schweiz Gratthiere, diese Waldthiere. Beide Arten leben in Gesellschaft, sind furchtsamer im Klettern und Springen als der Steinbock, und stellen auf der Weide einen aus ihrem Mit- tel auf die Wache, der das Vorthier oder die Vorgeyß genannt wird, und der beym minde- sten Geräusch durch einen besondern Ton die Heerde warnt, und mit ihr davon flüchtet*). Jung eingefangen lassen sich die Gemsen zäh- men, sogar daß sie mit den Haus-Ziegen auf die Weide gehn. Ihre Jagd und deren Ge- fahren ist im Theuerdank umständlich und ganz
*) Faesi Erdbeschr. der Eidgenossenschafft. Th. I. S. 35.
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Auch dieses Thiers Geschichte hat noch viel
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von Orient und Aegypten, kommt wenig zum
Vorschein, ist doch aber auch, wenn es jung
gefangen wir, leicht zu zähmen. Von ihm
kommt der Orientalische Bezoarstein, der be-
kanntlich ehedem in dem ungegründeten Rufe
einer Panacee war.
29. * Antilope. Cornua cava, teretia, an-
nulata, vel spiralia.
1. †. Rupicapra. die Gemse. A. cornibus ere-
ctis uncinatis.
Die Gemse hat einerley Vaterland mit dem
Steinbock, doch wagt sie sich nie auf die äus-
sersten Felsenspitzen, die dieser bewohnt, son-
dern hält sich mehr in den mittlern Berggengen-
den, und zwar theils auf kahlen Steinklippen,
theils im Gehölze und Buschwerk auf. Die
Gemsen, die blos auf den Klippen wohnen,
sind kleiner und dunkler von Farbe, als die so
auch ins Gebüsch gehen. Jene nent man in der
Schweiz Gratthiere, diese Waldthiere. Beide
Arten leben in Gesellschaft, sind furchtsamer
im Klettern und Springen als der Steinbock,
und stellen auf der Weide einen aus ihrem Mit-
tel auf die Wache, der das Vorthier oder die
Vorgeyß genannt wird, und der beym minde-
sten Geräusch durch einen besondern Ton die
Heerde warnt, und mit ihr davon flüchtet *).
Jung eingefangen lassen sich die Gemsen zäh-
men, sogar daß sie mit den Haus-Ziegen auf
die Weide gehn. Ihre Jagd und deren Ge-
fahren ist im Theuerdank umständlich und ganz
*) Faesi Erdbeschr. der Eidgenossenschafft. Th. I. S. 35.
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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 2. Aufl. Göttingen, 1782, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1782/129>, abgerufen am 25.11.2024.
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