Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. Bd. 1. Göttingen, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

Epigenese und der Evolution. Die Epi-
genese lehrt, daß der rohe Grundstoff (§. 10.)
nach der Empfängnis oder Befruchtung all-
mählig ausgebildet, und ein Theil des orga-
nisirten Körpers nach dem andern geformt würde.
Diese allmählige Bildung wahrscheinlich zu ma-
chen, haben ihre Anhänger allerhand Kräfte
angenommen, die dieses Geschäfte bewürken soll-
ten. Die Spiritualisten haben die Seele zum
Baumeister ihres Körpers machen wollen, Büf-
fon hat sich innere Modelle im alten organi-
sirten Körper ersonnen, von welchen der Grund-
stoff des neuen, Abdrücke nehmen sollte; Herr
Casp. Fr. Wolff hat zu seinem scharfsinnigen
System eine gewisse vis essentialis aufgenommen,
der er diese allmählige Ausbildung überträgt u.
s. w. Die Theorie der Evolution hingegen
nimmt an, daß in dem rohen Urstoff nicht erst
ein Theil nach dem andern gebildet werde, son-
dern, daß derselbe den ganzen Keim, den völli-
gen Entwurf des organisirten Körpers in sich
fasse, daß folglich alle Keime der organisirten
Körper in ihren Vorfahren bis zur ersten Schö-
pfung hinauf gleichsam eingeschachtelt, und in
einen unthätigen Schlaf versenkt gelegen hätten,
und daß diese Keime bey der Befruchtung durch
den Reiz des männlichen Saamens nur ermun-
tert, und so zu ihrer fernern Entwickelung
angetrieben würden.

Epigenese und der Evolution. Die Epi-
genese lehrt, daß der rohe Grundstoff (§. 10.)
nach der Empfängnis oder Befruchtung all-
mählig ausgebildet, und ein Theil des orga-
nisirten Körpers nach dem andern geformt würde.
Diese allmählige Bildung wahrscheinlich zu ma-
chen, haben ihre Anhänger allerhand Kräfte
angenommen, die dieses Geschäfte bewürken soll-
ten. Die Spiritualisten haben die Seele zum
Baumeister ihres Körpers machen wollen, Büf-
fon hat sich innere Modelle im alten organi-
sirten Körper ersonnen, von welchen der Grund-
stoff des neuen, Abdrücke nehmen sollte; Herr
Casp. Fr. Wolff hat zu seinem scharfsinnigen
System eine gewisse vis essentialis aufgenommen,
der er diese allmählige Ausbildung überträgt u.
s. w. Die Theorie der Evolution hingegen
nimmt an, daß in dem rohen Urstoff nicht erst
ein Theil nach dem andern gebildet werde, son-
dern, daß derselbe den ganzen Keim, den völli-
gen Entwurf des organisirten Körpers in sich
fasse, daß folglich alle Keime der organisirten
Körper in ihren Vorfahren bis zur ersten Schö-
pfung hinauf gleichsam eingeschachtelt, und in
einen unthätigen Schlaf versenkt gelegen hätten,
und daß diese Keime bey der Befruchtung durch
den Reiz des männlichen Saamens nur ermun-
tert, und so zu ihrer fernern Entwickelung
angetrieben würden.

<TEI>
  <text xml:id="blume_hbnatur_000021">
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0041" xml:id="pb019_0001" n="19"/>
Epigenese und der Evolution. Die Epi-<lb/>
genese lehrt, daß der rohe Grundstoff (§. 10.)<lb/>
nach der Empfängnis oder Befruchtung all-<lb/>
mählig ausgebildet, und ein Theil des orga-<lb/>
nisirten Körpers nach dem andern geformt würde.<lb/>
Diese allmählige Bildung wahrscheinlich zu ma-<lb/>
chen, haben ihre Anhänger allerhand Kräfte<lb/>
angenommen, die dieses Geschäfte bewürken soll-<lb/>
ten. Die Spiritualisten haben die Seele zum<lb/>
Baumeister ihres Körpers machen wollen, Büf-<lb/>
fon hat sich innere Modelle im alten organi-<lb/>
sirten Körper ersonnen, von welchen der Grund-<lb/>
stoff des neuen, Abdrücke nehmen sollte; Herr<lb/>
Casp. Fr. Wolff hat zu seinem scharfsinnigen<lb/>
System eine gewisse <hi rendition="#aq">vis essentialis</hi> aufgenommen,<lb/>
der er diese allmählige Ausbildung überträgt u.<lb/>
s. w. Die Theorie der Evolution hingegen<lb/>
nimmt an, daß in dem rohen Urstoff nicht erst<lb/>
ein Theil nach dem andern gebildet werde, son-<lb/>
dern, daß derselbe den ganzen Keim, den völli-<lb/>
gen Entwurf des organisirten Körpers in sich<lb/>
fasse, daß folglich alle Keime der organisirten<lb/>
Körper in ihren Vorfahren bis zur ersten Schö-<lb/>
pfung hinauf gleichsam eingeschachtelt, und in<lb/>
einen unthätigen Schlaf versenkt gelegen hätten,<lb/>
und daß diese Keime bey der Befruchtung durch<lb/>
den Reiz des männlichen Saamens nur ermun-<lb/>
tert, und so zu ihrer fernern Entwickelung<lb/>
angetrieben würden.</p>
        </div>
        <div n="2">
</div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[19/0041] Epigenese und der Evolution. Die Epi- genese lehrt, daß der rohe Grundstoff (§. 10.) nach der Empfängnis oder Befruchtung all- mählig ausgebildet, und ein Theil des orga- nisirten Körpers nach dem andern geformt würde. Diese allmählige Bildung wahrscheinlich zu ma- chen, haben ihre Anhänger allerhand Kräfte angenommen, die dieses Geschäfte bewürken soll- ten. Die Spiritualisten haben die Seele zum Baumeister ihres Körpers machen wollen, Büf- fon hat sich innere Modelle im alten organi- sirten Körper ersonnen, von welchen der Grund- stoff des neuen, Abdrücke nehmen sollte; Herr Casp. Fr. Wolff hat zu seinem scharfsinnigen System eine gewisse vis essentialis aufgenommen, der er diese allmählige Ausbildung überträgt u. s. w. Die Theorie der Evolution hingegen nimmt an, daß in dem rohen Urstoff nicht erst ein Theil nach dem andern gebildet werde, son- dern, daß derselbe den ganzen Keim, den völli- gen Entwurf des organisirten Körpers in sich fasse, daß folglich alle Keime der organisirten Körper in ihren Vorfahren bis zur ersten Schö- pfung hinauf gleichsam eingeschachtelt, und in einen unthätigen Schlaf versenkt gelegen hätten, und daß diese Keime bey der Befruchtung durch den Reiz des männlichen Saamens nur ermun- tert, und so zu ihrer fernern Entwickelung angetrieben würden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Editura GmbH & Co.KG, Berlin: Volltexterstellung und Basis-TEI-Auszeichung
Johann Friedrich Blumenbach – online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-26T09:00:15Z)
Frank Wiegand: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2013-08-26T09:00:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Nicht erfasst: Bogensignaturen und Kustoden, Kolumnentitel.
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterschiede zugunsten der Identifizierung von <titlePart>s verzichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.
  • Langes ſ: als s transkribiert.
  • Hochgestellte e über Vokalen: in moderner Schreibweise erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1779/41
Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. Bd. 1. Göttingen, 1779, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1779/41>, abgerufen am 22.11.2024.