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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. Bd. 1. Göttingen, 1779.

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Männchen weit kleiner als ihre Weibgen, und
werden auch in weit mindrer Anzahl jung. Sie
erscheinen nicht eher als im Herbste, wo sie ihre
Weibgen befruchten, die kurz darauf Eyer oder
vielmehr Hülsen von sich geben, in welchen zwar
die jungen Blattläuse schon völlig ausgebildet lie-
gen, aber doch nicht eher als bis im folgenden
Frühjahr hervorbrechen. Das unerwartetste hier-
bey ist, daß alle diese nunmehr ausgekrochenen
Blattläuse durchgehends weiblichen Geschlechts
sind, und daß im Frühjahr und Sommer schlech-
terdings keine männliche Blattlaus zu sehen ist.
Und demohngeachtet sind doch alle jene jungfräu-
lichen Blattläuse im Stande, ohne Zuthun eines
Gatten ihr Geschlecht fortzupflanzen; sie waren
nicht nur für sich selbst, sondern zugleich für alle
ihre künftigen Töchter und Enkelinnen in Mut-
terleibe befruchtet; man kan jedes Junge, was
sie nunmehr von sich geben, isoliren, in eine Ein-
öde verschließen, und doch wird es nach einiger
Zeit wieder andere Junge gebären. Und so hat
Bonner (der diesen Wundern und ihrer microsco-
pischen Untersuchung seine Augen opferte) ge-
funden, daß jene einmalige Begattung im Herb-
ste, ihre befruchtende Würkung im folgenden
Frühjahr und Sommer bis ins neunte Glied äu-
sert. Alle die Millionen von Blattläusen, die
wärend dieser ganzen Zeit jung werden, sind
fruchtbar, gebären allesammt Junge, ohne je ein
männlich Thier ihrer Art gesehn, ohne sich ge-
paart zu haben, ohne anders als im Leibe ihrer
Mütter und Eltermütter befruchtet zu seyn. Ge-
gen den Herbst verliert endlich jene einmalige Be-
fruchtung ihre wunderbare Wirksamkeit. Die
Blattläuse hören auf, blose Weibgen zu gebären,
es kommen, wie wir schon gesagt haben, nun

Männchen weit kleiner als ihre Weibgen, und
werden auch in weit mindrer Anzahl jung. Sie
erscheinen nicht eher als im Herbste, wo sie ihre
Weibgen befruchten, die kurz darauf Eyer oder
vielmehr Hülsen von sich geben, in welchen zwar
die jungen Blattläuse schon völlig ausgebildet lie-
gen, aber doch nicht eher als bis im folgenden
Frühjahr hervorbrechen. Das unerwartetste hier-
bey ist, daß alle diese nunmehr ausgekrochenen
Blattläuse durchgehends weiblichen Geschlechts
sind, und daß im Frühjahr und Sommer schlech-
terdings keine männliche Blattlaus zu sehen ist.
Und demohngeachtet sind doch alle jene jungfräu-
lichen Blattläuse im Stande, ohne Zuthun eines
Gatten ihr Geschlecht fortzupflanzen; sie waren
nicht nur für sich selbst, sondern zugleich für alle
ihre künftigen Töchter und Enkelinnen in Mut-
terleibe befruchtet; man kan jedes Junge, was
sie nunmehr von sich geben, isoliren, in eine Ein-
öde verschließen, und doch wird es nach einiger
Zeit wieder andere Junge gebären. Und so hat
Bonner (der diesen Wundern und ihrer microsco-
pischen Untersuchung seine Augen opferte) ge-
funden, daß jene einmalige Begattung im Herb-
ste, ihre befruchtende Würkung im folgenden
Frühjahr und Sommer bis ins neunte Glied äu-
sert. Alle die Millionen von Blattläusen, die
wärend dieser ganzen Zeit jung werden, sind
fruchtbar, gebären allesammt Junge, ohne je ein
männlich Thier ihrer Art gesehn, ohne sich ge-
paart zu haben, ohne anders als im Leibe ihrer
Mütter und Eltermütter befruchtet zu seyn. Ge-
gen den Herbst verliert endlich jene einmalige Be-
fruchtung ihre wunderbare Wirksamkeit. Die
Blattläuse hören auf, blose Weibgen zu gebären,
es kommen, wie wir schon gesagt haben, nun

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[354/0377] Männchen weit kleiner als ihre Weibgen, und werden auch in weit mindrer Anzahl jung. Sie erscheinen nicht eher als im Herbste, wo sie ihre Weibgen befruchten, die kurz darauf Eyer oder vielmehr Hülsen von sich geben, in welchen zwar die jungen Blattläuse schon völlig ausgebildet lie- gen, aber doch nicht eher als bis im folgenden Frühjahr hervorbrechen. Das unerwartetste hier- bey ist, daß alle diese nunmehr ausgekrochenen Blattläuse durchgehends weiblichen Geschlechts sind, und daß im Frühjahr und Sommer schlech- terdings keine männliche Blattlaus zu sehen ist. Und demohngeachtet sind doch alle jene jungfräu- lichen Blattläuse im Stande, ohne Zuthun eines Gatten ihr Geschlecht fortzupflanzen; sie waren nicht nur für sich selbst, sondern zugleich für alle ihre künftigen Töchter und Enkelinnen in Mut- terleibe befruchtet; man kan jedes Junge, was sie nunmehr von sich geben, isoliren, in eine Ein- öde verschließen, und doch wird es nach einiger Zeit wieder andere Junge gebären. Und so hat Bonner (der diesen Wundern und ihrer microsco- pischen Untersuchung seine Augen opferte) ge- funden, daß jene einmalige Begattung im Herb- ste, ihre befruchtende Würkung im folgenden Frühjahr und Sommer bis ins neunte Glied äu- sert. Alle die Millionen von Blattläusen, die wärend dieser ganzen Zeit jung werden, sind fruchtbar, gebären allesammt Junge, ohne je ein männlich Thier ihrer Art gesehn, ohne sich ge- paart zu haben, ohne anders als im Leibe ihrer Mütter und Eltermütter befruchtet zu seyn. Ge- gen den Herbst verliert endlich jene einmalige Be- fruchtung ihre wunderbare Wirksamkeit. Die Blattläuse hören auf, blose Weibgen zu gebären, es kommen, wie wir schon gesagt haben, nun

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. Bd. 1. Göttingen, 1779, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1779/376>, abgerufen am 22.11.2024.