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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. Bd. 1. Göttingen, 1779.

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Gesanges wird durch die romantischen Bilder von
klagender Liebe, von einsamen dunkeln Gebü-
sche und Sommernächtlicher Stille noch immer
reizender. Sie kommt im April in unfern Ge-
genden an, und zwar treffen die Männchen vier-
zehn Tage früher als ihre Weibgen ein. So
lange sie ihre Gattin locken, singen sie fast die
ganze Nacht durch, nach der Begattung aber,
und wenn die Weibgen schon dem Brütgeschäfte
obliegen, nur nach Mitternacht. Sie sind un-
gemein neugierige Thiere, und daher, zumal in
den ersten Frühlingsmonaten, leicht zu fangen.
Sie leben isolirt, und wo sich, zumal zur Brunst-
zeit, mehrere Männchen in einer stillen Inse-
ctenreichen schattichten Gegend zusammentref-
fen, fechten sie äusserst hitzig gegen einander,
und der stärkste tödtet oder verjagt seine Ri-
valen; daher das Wegfangen der Nachtigallen
weniger Nachtheil hat, als insgemein ge-
glaubt wird, weil doch nur wenige in einem
Revier zusammen leben, viele aus Mangel eines
schicklichen Wohnplatzes umkommen, und der
Gefangenen Stelle gar bald durch andere ersetzt
wird. Sie Hecken sehr leicht in Zimmern; die
Jungen sind aber mühsam und kostbar aufzuzie-
ben, und müssen doch zu alten singenden Nachti-
gallen gehängt werden: well sie sonst nicht leicht,
und nur schlecht von selbst schlagen, und ehe an-
derer Vögel Gesang, den sie etwa hören, anneh-
men. Ueberhaupt kan man diese Thiere nicht
leicht über sechs oder acht Jahre in der Gefangen-
schaft erhalten: doch dauern sie besser und schla-
gen schöner, wenn sie im Zimmer frey her-
um fliegen können, als wenn sie in Käfichte ver-
sperrt werden.

Gesanges wird durch die romantischen Bilder von
klagender Liebe, von einsamen dunkeln Gebü-
sche und Sommernächtlicher Stille noch immer
reizender. Sie kommt im April in unfern Ge-
genden an, und zwar treffen die Männchen vier-
zehn Tage früher als ihre Weibgen ein. So
lange sie ihre Gattin locken, singen sie fast die
ganze Nacht durch, nach der Begattung aber,
und wenn die Weibgen schon dem Brütgeschäfte
obliegen, nur nach Mitternacht. Sie sind un-
gemein neugierige Thiere, und daher, zumal in
den ersten Frühlingsmonaten, leicht zu fangen.
Sie leben isolirt, und wo sich, zumal zur Brunst-
zeit, mehrere Männchen in einer stillen Inse-
ctenreichen schattichten Gegend zusammentref-
fen, fechten sie äusserst hitzig gegen einander,
und der stärkste tödtet oder verjagt seine Ri-
valen; daher das Wegfangen der Nachtigallen
weniger Nachtheil hat, als insgemein ge-
glaubt wird, weil doch nur wenige in einem
Revier zusammen leben, viele aus Mangel eines
schicklichen Wohnplatzes umkommen, und der
Gefangenen Stelle gar bald durch andere ersetzt
wird. Sie Hecken sehr leicht in Zimmern; die
Jungen sind aber mühsam und kostbar aufzuzie-
ben, und müssen doch zu alten singenden Nachti-
gallen gehängt werden: well sie sonst nicht leicht,
und nur schlecht von selbst schlagen, und ehe an-
derer Vögel Gesang, den sie etwa hören, anneh-
men. Ueberhaupt kan man diese Thiere nicht
leicht über sechs oder acht Jahre in der Gefangen-
schaft erhalten: doch dauern sie besser und schla-
gen schöner, wenn sie im Zimmer frey her-
um fliegen können, als wenn sie in Käfichte ver-
sperrt werden.

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[235/0258] Gesanges wird durch die romantischen Bilder von klagender Liebe, von einsamen dunkeln Gebü- sche und Sommernächtlicher Stille noch immer reizender. Sie kommt im April in unfern Ge- genden an, und zwar treffen die Männchen vier- zehn Tage früher als ihre Weibgen ein. So lange sie ihre Gattin locken, singen sie fast die ganze Nacht durch, nach der Begattung aber, und wenn die Weibgen schon dem Brütgeschäfte obliegen, nur nach Mitternacht. Sie sind un- gemein neugierige Thiere, und daher, zumal in den ersten Frühlingsmonaten, leicht zu fangen. Sie leben isolirt, und wo sich, zumal zur Brunst- zeit, mehrere Männchen in einer stillen Inse- ctenreichen schattichten Gegend zusammentref- fen, fechten sie äusserst hitzig gegen einander, und der stärkste tödtet oder verjagt seine Ri- valen; daher das Wegfangen der Nachtigallen weniger Nachtheil hat, als insgemein ge- glaubt wird, weil doch nur wenige in einem Revier zusammen leben, viele aus Mangel eines schicklichen Wohnplatzes umkommen, und der Gefangenen Stelle gar bald durch andere ersetzt wird. Sie Hecken sehr leicht in Zimmern; die Jungen sind aber mühsam und kostbar aufzuzie- ben, und müssen doch zu alten singenden Nachti- gallen gehängt werden: well sie sonst nicht leicht, und nur schlecht von selbst schlagen, und ehe an- derer Vögel Gesang, den sie etwa hören, anneh- men. Ueberhaupt kan man diese Thiere nicht leicht über sechs oder acht Jahre in der Gefangen- schaft erhalten: doch dauern sie besser und schla- gen schöner, wenn sie im Zimmer frey her- um fliegen können, als wenn sie in Käfichte ver- sperrt werden.

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  • Langes ſ: als s transkribiert.
  • Hochgestellte e über Vokalen: in moderner Schreibweise erfasst.



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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. Bd. 1. Göttingen, 1779, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1779/257>, abgerufen am 24.11.2024.