webes (des insgemein sogenannten Zellgewebes) unter der menschlichen Haut erwähnt werden. Denn es ist die bekannteste Sache, daß in Hinsicht auf die Dichtigkeit dieses netzförmigen Schleimes unter den verschiedenen Thiergattungen und ihren Arten, ein auszeichnender Unterschied statt findet; bey der Schlange z. B. ist sie zähe, bey der Forelle weicher: und schon vorlängst bemerkte auch unser Zinn, dieser so genaue Anatom, daß der Mensch vor den übrigen Säug- und andern Thieren, das feinste und zarteste Schleimnetz habe.
Wo mich nun nicht alles trügt, so glaube ich die Weichheit dieses Mittelgefäßes (parenchyma) zu den Hauptvorzügen des Menschen rechnen zu müssen, durch welche er vor den übrigen Säugthie- ren sich auszeichnet. Denn da dieses Netz einerseits von der Haut an über den ganzen Körper bis zu des- sen Innerstem sich verbreitet, und gleichsam als ge- meinsames Band, zwischen alle und jede Theile der ganzen Maschine, eingewebt ist; von der andern aber den Sitz der allgemeinsten unter allen Lebens- kräften, der Elasticität (contractilitas) nämlich, bestimmt, wovon Stahls Tonus scheint entstanden zu seyn l); so ist es mir ausgemacht, daß der Mensch eben dieser nachgiebigen Weichheit des netz- förmigen Schleimes es verdanke, daß er leichter, als irgend ein anderes Säugthier an jedes Klima sich gewöhnen, und unter jedem Himmelsstriche leben kann.
Wie also die Natur -- was wir vorhin gesehen haben -- den Menschen in Ansehung der Nahrung zu einem Allverzehrer gemacht hat; so hat sie auch
gewollt,
webes (des insgemein ſogenannten Zellgewebes) unter der menſchlichen Haut erwaͤhnt werden. Denn es iſt die bekannteſte Sache, daß in Hinſicht auf die Dichtigkeit dieſes netzfoͤrmigen Schleimes unter den verſchiedenen Thiergattungen und ihren Arten, ein auszeichnender Unterſchied ſtatt findet; bey der Schlange z. B. iſt ſie zaͤhe, bey der Forelle weicher: und ſchon vorlaͤngſt bemerkte auch unſer Zinn, dieſer ſo genaue Anatom, daß der Menſch vor den uͤbrigen Saͤug- und andern Thieren, das feinſte und zarteſte Schleimnetz habe.
Wo mich nun nicht alles truͤgt, ſo glaube ich die Weichheit dieſes Mittelgefaͤßes (parenchyma) zu den Hauptvorzuͤgen des Menſchen rechnen zu muͤſſen, durch welche er vor den uͤbrigen Saͤugthie- ren ſich auszeichnet. Denn da dieſes Netz einerſeits von der Haut an uͤber den ganzen Koͤrper bis zu deſ- ſen Innerſtem ſich verbreitet, und gleichſam als ge- meinſames Band, zwiſchen alle und jede Theile der ganzen Maſchine, eingewebt iſt; von der andern aber den Sitz der allgemeinſten unter allen Lebens- kraͤften, der Elaſticitaͤt (contractilitas) naͤmlich, beſtimmt, wovon Stahls Tonus ſcheint entſtanden zu ſeyn l); ſo iſt es mir ausgemacht, daß der Menſch eben dieſer nachgiebigen Weichheit des netz- foͤrmigen Schleimes es verdanke, daß er leichter, als irgend ein anderes Saͤugthier an jedes Klima ſich gewoͤhnen, und unter jedem Himmelsſtriche leben kann.
Wie alſo die Natur — was wir vorhin geſehen haben — den Menſchen in Anſehung der Nahrung zu einem Allverzehrer gemacht hat; ſo hat ſie auch
gewollt,
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webes (des insgemein ſogenannten Zellgewebes)
unter der menſchlichen Haut erwaͤhnt werden. Denn
es iſt die bekannteſte Sache, daß in Hinſicht auf
die Dichtigkeit dieſes netzfoͤrmigen Schleimes unter
den verſchiedenen Thiergattungen und ihren Arten,
ein auszeichnender Unterſchied ſtatt findet; bey der
Schlange z. B. iſt ſie zaͤhe, bey der Forelle weicher:
und ſchon vorlaͤngſt bemerkte auch unſer Zinn, dieſer
ſo genaue Anatom, daß der Menſch vor den uͤbrigen
Saͤug- und andern Thieren, das feinſte und zarteſte
Schleimnetz habe.
Wo mich nun nicht alles truͤgt, ſo glaube ich
die Weichheit dieſes Mittelgefaͤßes (parenchyma)
zu den Hauptvorzuͤgen des Menſchen rechnen zu
muͤſſen, durch welche er vor den uͤbrigen Saͤugthie-
ren ſich auszeichnet. Denn da dieſes Netz einerſeits
von der Haut an uͤber den ganzen Koͤrper bis zu deſ-
ſen Innerſtem ſich verbreitet, und gleichſam als ge-
meinſames Band, zwiſchen alle und jede Theile der
ganzen Maſchine, eingewebt iſt; von der andern
aber den Sitz der allgemeinſten unter allen Lebens-
kraͤften, der Elaſticitaͤt (contractilitas) naͤmlich,
beſtimmt, wovon Stahls Tonus ſcheint entſtanden
zu ſeyn l); ſo iſt es mir ausgemacht, daß der
Menſch eben dieſer nachgiebigen Weichheit des netz-
foͤrmigen Schleimes es verdanke, daß er leichter,
als irgend ein anderes Saͤugthier an jedes Klima ſich
gewoͤhnen, und unter jedem Himmelsſtriche leben
kann.
Wie alſo die Natur — was wir vorhin geſehen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
"Über die natürlichen Verschiedenheiten im Mensch… [mehr]
"Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte" ist die überarbeitete Fassung von Blumenbachs Dissertationsschrift "De generis humani varietate nativa" (1. Aufl. 1775 bei Friedrich Andreas Rosenbusch in Göttingen). Die Dissertation erschien in lateinischer Sprache; für das DTA wurde Johann Gottfried Grubers Übersetzung der dritten Auflage von Blumenbachs Dissertation (1795 bei Vandenhoek & Ruprecht) digitalisiert, die 1798 in Leipzig bei Breitkopf & Härtel erschien. Erstmals lag hiermit Blumenbachs Werk "De generis humani varietate nativa" in deutscher Sprache vor.
Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht_1798/80>, abgerufen am 16.02.2025.
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