Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

kein anderer Muskel des Körpers an Dicke gleich ist,
und welche mit einer sehr starken Lage Fett bedeckt
die Hinterbacken bilden, deren fleischigte, gefügige,
und gerundete Fülle, welche den After verbirgt, nicht
minder klassische Schriftsteller der Naturgeschichte,
wie Aristoteles 7) und Büffon 8) als die größten
Physiologen, ein Galenus 9) und Haller 10) für das
Hauptkennzeichen halten, durch welches der Mensch
sich von den Affen, welche ganz ohne Gesäß sind, am
meisten unterscheide.

Ferner hängt von der benannten Krümmung des
Heiligen- und des Schaambeines eine merkwürdige
Richtung der innern weiblichen Geburtsglieder, und
besonders der Mutterscheide ab, deren Achse sich
weit mehr als bey den übrigen weiblichen Säugthie-
ren von der sogenannten Achse des Beckens vorwärts
neigt, was zwar die Geburt etwas zu erschweren
pflegt, hingegen andern Unbequemlichkeiten, welchen
die aufrechtgehende Frau, besonders bey dauernder
Schwangerschaft, unterworfen seyn könnte, unge-
mein vorbeugt.


Der-
7) Von den Theilen der Thiere. IV. 10.
8) Hist. nat. 2ter Theil S. 544. "Hinterbacken sind
bloß der menschlichen Gestalt eigen."
9) De usu partium. XV, 8.
Den physikotheologischen Zweck dieses Vorzuges hat
Spigel sehr scharfsinnig ausgedacht in seinem Werke
de humani corporis fabrica, S. 9.
"Einzig der Mensch kann unter allen Thieren be-
quem sitzen, denn er erhielt fleischigte und große Hin-
terbacken, welche ihm statt Unterlage, Kissen und ge-
polsterten Sopha dienen, damit er durch das Sitzen
keine Beschwerlichkeit empfindend, den Geist besser be-
schäftigen könne, mit Nachdenken über göttliche Dinge."
10) De corp. hum. functionibus, 1ster Theil, Seite 57.
"Auch werden die Affen durch ein anderes Zeichen
nicht leicht von den Menschen unterschieden."

kein anderer Muskel des Koͤrpers an Dicke gleich iſt,
und welche mit einer ſehr ſtarken Lage Fett bedeckt
die Hinterbacken bilden, deren fleiſchigte, gefuͤgige,
und gerundete Fuͤlle, welche den After verbirgt, nicht
minder klaſſiſche Schriftſteller der Naturgeſchichte,
wie Ariſtoteles 7) und Buͤffon 8) als die groͤßten
Phyſiologen, ein Galenus 9) und Haller 10) fuͤr das
Hauptkennzeichen halten, durch welches der Menſch
ſich von den Affen, welche ganz ohne Geſaͤß ſind, am
meiſten unterſcheide.

Ferner haͤngt von der benannten Kruͤmmung des
Heiligen- und des Schaambeines eine merkwuͤrdige
Richtung der innern weiblichen Geburtsglieder, und
beſonders der Mutterſcheide ab, deren Achſe ſich
weit mehr als bey den uͤbrigen weiblichen Saͤugthie-
ren von der ſogenannten Achſe des Beckens vorwaͤrts
neigt, was zwar die Geburt etwas zu erſchweren
pflegt, hingegen andern Unbequemlichkeiten, welchen
die aufrechtgehende Frau, beſonders bey dauernder
Schwangerſchaft, unterworfen ſeyn koͤnnte, unge-
mein vorbeugt.


Der-
7) Von den Theilen der Thiere. IV. 10.
8) Hiſt. nat. 2ter Theil S. 544. „Hinterbacken ſind
bloß der menſchlichen Geſtalt eigen.“
9) De uſu partium. XV, 8.
Den phyſikotheologiſchen Zweck dieſes Vorzuges hat
Spigel ſehr ſcharfſinnig ausgedacht in ſeinem Werke
de humani corporis fabrica, S. 9.
„Einzig der Menſch kann unter allen Thieren be-
quem ſitzen, denn er erhielt fleiſchigte und große Hin-
terbacken, welche ihm ſtatt Unterlage, Kiſſen und ge-
polſterten Sopha dienen, damit er durch das Sitzen
keine Beſchwerlichkeit empfindend, den Geiſt beſſer be-
ſchaͤftigen koͤnne, mit Nachdenken uͤber goͤttliche Dinge.“
10) De corp. hum. functionibus, 1ſter Theil, Seite 57.
„Auch werden die Affen durch ein anderes Zeichen
nicht leicht von den Menſchen unterſchieden.“
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0060" n="26"/>
kein anderer Muskel des Ko&#x0364;rpers an Dicke gleich i&#x017F;t,<lb/>
und welche mit einer &#x017F;ehr &#x017F;tarken Lage Fett bedeckt<lb/>
die Hinterbacken bilden, deren flei&#x017F;chigte, gefu&#x0364;gige,<lb/>
und gerundete Fu&#x0364;lle, welche den After verbirgt, nicht<lb/>
minder kla&#x017F;&#x017F;i&#x017F;che Schrift&#x017F;teller der Naturge&#x017F;chichte,<lb/>
wie Ari&#x017F;toteles <note place="foot" n="7)">Von den Theilen der Thiere. <hi rendition="#aq">IV.</hi> 10.</note> und Bu&#x0364;ffon <note place="foot" n="8)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Hi&#x017F;t. nat.</hi></hi> 2ter Theil S. 544. &#x201E;Hinterbacken &#x017F;ind<lb/>
bloß der men&#x017F;chlichen Ge&#x017F;talt eigen.&#x201C;</note> als die gro&#x0364;ßten<lb/>
Phy&#x017F;iologen, ein Galenus <note place="foot" n="9)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">De u&#x017F;u partium. XV,</hi></hi> 8.<lb/>
Den phy&#x017F;ikotheologi&#x017F;chen Zweck die&#x017F;es Vorzuges hat<lb/>
Spigel &#x017F;ehr &#x017F;charf&#x017F;innig ausgedacht in &#x017F;einem Werke<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">de humani corporis fabrica</hi>,</hi> S. 9.<lb/>
&#x201E;Einzig der Men&#x017F;ch kann unter allen Thieren be-<lb/>
quem &#x017F;itzen, denn er erhielt flei&#x017F;chigte und große Hin-<lb/>
terbacken, welche ihm &#x017F;tatt Unterlage, Ki&#x017F;&#x017F;en und ge-<lb/>
pol&#x017F;terten Sopha dienen, damit er durch das Sitzen<lb/>
keine Be&#x017F;chwerlichkeit empfindend, den Gei&#x017F;t be&#x017F;&#x017F;er be-<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;ftigen ko&#x0364;nne, mit Nachdenken u&#x0364;ber go&#x0364;ttliche Dinge.&#x201C;</note> und Haller <note place="foot" n="10)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">De corp. hum. functionibus</hi>,</hi> 1&#x017F;ter Theil, Seite 57.<lb/>
&#x201E;Auch werden die Affen durch ein anderes Zeichen<lb/>
nicht leicht von den Men&#x017F;chen unter&#x017F;chieden.&#x201C;</note> fu&#x0364;r das<lb/>
Hauptkennzeichen halten, durch welches der Men&#x017F;ch<lb/>
&#x017F;ich von den Affen, welche ganz ohne Ge&#x017F;a&#x0364;ß &#x017F;ind, am<lb/>
mei&#x017F;ten unter&#x017F;cheide.</p><lb/>
          <p>Ferner ha&#x0364;ngt von der benannten Kru&#x0364;mmung des<lb/>
Heiligen- und des Schaambeines eine merkwu&#x0364;rdige<lb/>
Richtung der innern weiblichen Geburtsglieder, und<lb/>
be&#x017F;onders der Mutter&#x017F;cheide ab, deren Ach&#x017F;e &#x017F;ich<lb/>
weit mehr als bey den u&#x0364;brigen weiblichen Sa&#x0364;ugthie-<lb/>
ren von der &#x017F;ogenannten Ach&#x017F;e des Beckens vorwa&#x0364;rts<lb/>
neigt, was zwar die Geburt etwas zu er&#x017F;chweren<lb/>
pflegt, hingegen andern Unbequemlichkeiten, welchen<lb/>
die aufrechtgehende Frau, be&#x017F;onders bey dauernder<lb/>
Schwanger&#x017F;chaft, unterworfen &#x017F;eyn ko&#x0364;nnte, unge-<lb/>
mein vorbeugt.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Der-</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[26/0060] kein anderer Muskel des Koͤrpers an Dicke gleich iſt, und welche mit einer ſehr ſtarken Lage Fett bedeckt die Hinterbacken bilden, deren fleiſchigte, gefuͤgige, und gerundete Fuͤlle, welche den After verbirgt, nicht minder klaſſiſche Schriftſteller der Naturgeſchichte, wie Ariſtoteles 7) und Buͤffon 8) als die groͤßten Phyſiologen, ein Galenus 9) und Haller 10) fuͤr das Hauptkennzeichen halten, durch welches der Menſch ſich von den Affen, welche ganz ohne Geſaͤß ſind, am meiſten unterſcheide. Ferner haͤngt von der benannten Kruͤmmung des Heiligen- und des Schaambeines eine merkwuͤrdige Richtung der innern weiblichen Geburtsglieder, und beſonders der Mutterſcheide ab, deren Achſe ſich weit mehr als bey den uͤbrigen weiblichen Saͤugthie- ren von der ſogenannten Achſe des Beckens vorwaͤrts neigt, was zwar die Geburt etwas zu erſchweren pflegt, hingegen andern Unbequemlichkeiten, welchen die aufrechtgehende Frau, beſonders bey dauernder Schwangerſchaft, unterworfen ſeyn koͤnnte, unge- mein vorbeugt. Der- 7) Von den Theilen der Thiere. IV. 10. 8) Hiſt. nat. 2ter Theil S. 544. „Hinterbacken ſind bloß der menſchlichen Geſtalt eigen.“ 9) De uſu partium. XV, 8. Den phyſikotheologiſchen Zweck dieſes Vorzuges hat Spigel ſehr ſcharfſinnig ausgedacht in ſeinem Werke de humani corporis fabrica, S. 9. „Einzig der Menſch kann unter allen Thieren be- quem ſitzen, denn er erhielt fleiſchigte und große Hin- terbacken, welche ihm ſtatt Unterlage, Kiſſen und ge- polſterten Sopha dienen, damit er durch das Sitzen keine Beſchwerlichkeit empfindend, den Geiſt beſſer be- ſchaͤftigen koͤnne, mit Nachdenken uͤber goͤttliche Dinge.“ 10) De corp. hum. functionibus, 1ſter Theil, Seite 57. „Auch werden die Affen durch ein anderes Zeichen nicht leicht von den Menſchen unterſchieden.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

"Über die natürlichen Verschiedenheiten im Mensch… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht_1798/60
Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht_1798/60>, abgerufen am 22.11.2024.