sehr glaubwürdigen Schriftsteller, für eine fabelhafte Erdichtung erklärt wurde, soll es in der innern Ge- birggegend der Insel Madagaskar ein zwar von Sta- tur pygmäenmäßiges, allein von kriegerischem Geiste beseeltes Volk geben, welches die übrigen Einwoh- ner oft durch plötzliche Ueberfälle beunruhigte etc. Diesem Völkchen hatte man den Namen Quimos, oder Kimos beygelegt.
Dieses Gerücht hat neuerdings wieder Verthei- diger an Moldave und dem berühmten Botaniker Commerson gefunden. Nimmt man aber von die- sen Erzählungen das hinweg, was beyde nur vom Hörensagen haben, und viele Dinge, in welchen sie sich einander selbst widersprechen, so läuft das übrige da hinaus, daß Moldave irgend eine Zwerg- art von Sklavin, welche man ihm für eine Quimo- tin verkauft, erhalten hatte, die sich durch blaßgelbe Farbe, herabhängende Brüste, und lange, fast bis auf die Kniee gehende, Arme auszeichnete. Allein der berühmte Freyherr v. Clugny, welcher mit eben dieser Pygmäin einen ganzen Monath lang auf ei- nem Schiffe war, hat deutlich gezeigt, daß sie blos durch fehlerhaften Wuchs und krankhafte Beschaffen- heit eine Zwergin geworden sey; sie habe einen dik- ken Kopf und einen sehr blöden Verstand gehabt, und habe nur in einzeln abgerissenen Tönen gespro- chen u. s. w.; lauter Umstände, nach welchen ihre Krankheit höchst wahrscheinlich für eine Art Kreti- nism zu halten war, da sich bey den Kretinen gleiche Symptomen zeigen; denn auch die langen Arme sind an vielen derselben, und namentlich den salzbur-
gischen,
ſehr glaubwuͤrdigen Schriftſteller, fuͤr eine fabelhafte Erdichtung erklaͤrt wurde, ſoll es in der innern Ge- birggegend der Inſel Madagaskar ein zwar von Sta- tur pygmaͤenmaͤßiges, allein von kriegeriſchem Geiſte beſeeltes Volk geben, welches die uͤbrigen Einwoh- ner oft durch ploͤtzliche Ueberfaͤlle beunruhigte ꝛc. Dieſem Voͤlkchen hatte man den Namen Quimos, oder Kimos beygelegt.
Dieſes Geruͤcht hat neuerdings wieder Verthei- diger an Moldave und dem beruͤhmten Botaniker Commerſon gefunden. Nimmt man aber von die- ſen Erzaͤhlungen das hinweg, was beyde nur vom Hoͤrenſagen haben, und viele Dinge, in welchen ſie ſich einander ſelbſt widerſprechen, ſo laͤuft das uͤbrige da hinaus, daß Moldave irgend eine Zwerg- art von Sklavin, welche man ihm fuͤr eine Quimo- tin verkauft, erhalten hatte, die ſich durch blaßgelbe Farbe, herabhaͤngende Bruͤſte, und lange, faſt bis auf die Kniee gehende, Arme auszeichnete. Allein der beruͤhmte Freyherr v. Clugny, welcher mit eben dieſer Pygmaͤin einen ganzen Monath lang auf ei- nem Schiffe war, hat deutlich gezeigt, daß ſie blos durch fehlerhaften Wuchs und krankhafte Beſchaffen- heit eine Zwergin geworden ſey; ſie habe einen dik- ken Kopf und einen ſehr bloͤden Verſtand gehabt, und habe nur in einzeln abgeriſſenen Toͤnen geſpro- chen u. ſ. w.; lauter Umſtaͤnde, nach welchen ihre Krankheit hoͤchſt wahrſcheinlich fuͤr eine Art Kreti- niſm zu halten war, da ſich bey den Kretinen gleiche Symptomen zeigen; denn auch die langen Arme ſind an vielen derſelben, und namentlich den ſalzbur-
giſchen,
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[187/0221]
ſehr glaubwuͤrdigen Schriftſteller, fuͤr eine fabelhafte
Erdichtung erklaͤrt wurde, ſoll es in der innern Ge-
birggegend der Inſel Madagaskar ein zwar von Sta-
tur pygmaͤenmaͤßiges, allein von kriegeriſchem Geiſte
beſeeltes Volk geben, welches die uͤbrigen Einwoh-
ner oft durch ploͤtzliche Ueberfaͤlle beunruhigte ꝛc.
Dieſem Voͤlkchen hatte man den Namen Quimos,
oder Kimos beygelegt.
Dieſes Geruͤcht hat neuerdings wieder Verthei-
diger an Moldave und dem beruͤhmten Botaniker
Commerſon gefunden. Nimmt man aber von die-
ſen Erzaͤhlungen das hinweg, was beyde nur vom
Hoͤrenſagen haben, und viele Dinge, in welchen
ſie ſich einander ſelbſt widerſprechen, ſo laͤuft das
uͤbrige da hinaus, daß Moldave irgend eine Zwerg-
art von Sklavin, welche man ihm fuͤr eine Quimo-
tin verkauft, erhalten hatte, die ſich durch blaßgelbe
Farbe, herabhaͤngende Bruͤſte, und lange, faſt bis
auf die Kniee gehende, Arme auszeichnete. Allein
der beruͤhmte Freyherr v. Clugny, welcher mit eben
dieſer Pygmaͤin einen ganzen Monath lang auf ei-
nem Schiffe war, hat deutlich gezeigt, daß ſie blos
durch fehlerhaften Wuchs und krankhafte Beſchaffen-
heit eine Zwergin geworden ſey; ſie habe einen dik-
ken Kopf und einen ſehr bloͤden Verſtand gehabt,
und habe nur in einzeln abgeriſſenen Toͤnen geſpro-
chen u. ſ. w.; lauter Umſtaͤnde, nach welchen ihre
Krankheit hoͤchſt wahrſcheinlich fuͤr eine Art Kreti-
niſm zu halten war, da ſich bey den Kretinen gleiche
Symptomen zeigen; denn auch die langen Arme
ſind an vielen derſelben, und namentlich den ſalzbur-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
"Über die natürlichen Verschiedenheiten im Mensch… [mehr]
"Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte" ist die überarbeitete Fassung von Blumenbachs Dissertationsschrift "De generis humani varietate nativa" (1. Aufl. 1775 bei Friedrich Andreas Rosenbusch in Göttingen). Die Dissertation erschien in lateinischer Sprache; für das DTA wurde Johann Gottfried Grubers Übersetzung der dritten Auflage von Blumenbachs Dissertation (1795 bei Vandenhoek & Ruprecht) digitalisiert, die 1798 in Leipzig bei Breitkopf & Härtel erschien. Erstmals lag hiermit Blumenbachs Werk "De generis humani varietate nativa" in deutscher Sprache vor.
Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht_1798/221>, abgerufen am 27.11.2024.
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