Am augenscheinlichsten erhellt dies besonders an den Formen des knöchernen Kopfes eines bejahrteren Menschen. Denn bey diesem giebt die innere Ober- fläche des Schädels gleichsam einen Abdruck der Lap- pen und Windungen des Gehirns ab, welchem sie angepaßt war, von außen hingegen zeigt das Ge- sicht des Schädels unläugbare Spuren, sowohl von der Einwirkung der Muskeln, als auch der ganzen Gesichtsbildung, deren allgemeinen Habitus und Verhältnis man ziemlich leicht aus dem fleischlosen Schädel bestimmen könnte.
Wenn nun das Klima (wie es denn höchst wahr- scheinlich ist), zu der Nationalgesichtsbildung sehr mächtig mitwirkt (§. 57.); so folgt von selbst, daß dieselbe Ursache auch an der Bereitung der nationa- len Schädelform, besonders bey den Gesichtskno- chen, großen, wiewohl mittelbareren, Antheil habe.
Doch ist zu glauben, daß außer dieser Haupt- ursache auch andere Nebenursachen, als ein gewalt- samerer, lang anhaltender Druck u. dergl. auf die Gesichtsknochen wirken können.
Meine Sammlung verdankt der Freygebigkeit des Herrn Baronet Banks den sehr seltenen Schädel eines Neuholländers 138) aus der Nachbarschaft der Botany-Bay, der sich unter andern durch eine besondre Flachheit des Oberkiefers, da wo die vor- dern und Eckzähne stehen, auszeichnet. Nun ist bekannt, daß jene rohen Völker die sonderbare Sitte
haben,
138) Drittes Zehnd. Taf. 27.
Am augenſcheinlichſten erhellt dies beſonders an den Formen des knoͤchernen Kopfes eines bejahrteren Menſchen. Denn bey dieſem giebt die innere Ober- flaͤche des Schaͤdels gleichſam einen Abdruck der Lap- pen und Windungen des Gehirns ab, welchem ſie angepaßt war, von außen hingegen zeigt das Ge- ſicht des Schaͤdels unlaͤugbare Spuren, ſowohl von der Einwirkung der Muſkeln, als auch der ganzen Geſichtsbildung, deren allgemeinen Habitus und Verhaͤltnis man ziemlich leicht aus dem fleiſchloſen Schaͤdel beſtimmen koͤnnte.
Wenn nun das Klima (wie es denn hoͤchſt wahr- ſcheinlich iſt), zu der Nationalgeſichtsbildung ſehr maͤchtig mitwirkt (§. 57.); ſo folgt von ſelbſt, daß dieſelbe Urſache auch an der Bereitung der nationa- len Schaͤdelform, beſonders bey den Geſichtskno- chen, großen, wiewohl mittelbareren, Antheil habe.
Doch iſt zu glauben, daß außer dieſer Haupt- urſache auch andere Nebenurſachen, als ein gewalt- ſamerer, lang anhaltender Druck u. dergl. auf die Geſichtsknochen wirken koͤnnen.
Meine Sammlung verdankt der Freygebigkeit des Herrn Baronet Banks den ſehr ſeltenen Schaͤdel eines Neuhollaͤnders 138) aus der Nachbarſchaft der Botany-Bay, der ſich unter andern durch eine beſondre Flachheit des Oberkiefers, da wo die vor- dern und Eckzaͤhne ſtehen, auszeichnet. Nun iſt bekannt, daß jene rohen Voͤlker die ſonderbare Sitte
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138) Drittes Zehnd. Taf. 27.
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Am augenſcheinlichſten erhellt dies beſonders an
den Formen des knoͤchernen Kopfes eines bejahrteren
Menſchen. Denn bey dieſem giebt die innere Ober-
flaͤche des Schaͤdels gleichſam einen Abdruck der Lap-
pen und Windungen des Gehirns ab, welchem ſie
angepaßt war, von außen hingegen zeigt das Ge-
ſicht des Schaͤdels unlaͤugbare Spuren, ſowohl von
der Einwirkung der Muſkeln, als auch der ganzen
Geſichtsbildung, deren allgemeinen Habitus und
Verhaͤltnis man ziemlich leicht aus dem fleiſchloſen
Schaͤdel beſtimmen koͤnnte.
Wenn nun das Klima (wie es denn hoͤchſt wahr-
ſcheinlich iſt), zu der Nationalgeſichtsbildung ſehr
maͤchtig mitwirkt (§. 57.); ſo folgt von ſelbſt, daß
dieſelbe Urſache auch an der Bereitung der nationa-
len Schaͤdelform, beſonders bey den Geſichtskno-
chen, großen, wiewohl mittelbareren, Antheil habe.
Doch iſt zu glauben, daß außer dieſer Haupt-
urſache auch andere Nebenurſachen, als ein gewalt-
ſamerer, lang anhaltender Druck u. dergl. auf die
Geſichtsknochen wirken koͤnnen.
Meine Sammlung verdankt der Freygebigkeit
des Herrn Baronet Banks den ſehr ſeltenen Schaͤdel
eines Neuhollaͤnders 138) aus der Nachbarſchaft der
Botany-Bay, der ſich unter andern durch eine
beſondre Flachheit des Oberkiefers, da wo die vor-
dern und Eckzaͤhne ſtehen, auszeichnet. Nun iſt
bekannt, daß jene rohen Voͤlker die ſonderbare Sitte
haben,
138) Drittes Zehnd. Taf. 27.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
"Über die natürlichen Verschiedenheiten im Mensch… [mehr]
"Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte" ist die überarbeitete Fassung von Blumenbachs Dissertationsschrift "De generis humani varietate nativa" (1. Aufl. 1775 bei Friedrich Andreas Rosenbusch in Göttingen). Die Dissertation erschien in lateinischer Sprache; für das DTA wurde Johann Gottfried Grubers Übersetzung der dritten Auflage von Blumenbachs Dissertation (1795 bei Vandenhoek & Ruprecht) digitalisiert, die 1798 in Leipzig bei Breitkopf & Härtel erschien. Erstmals lag hiermit Blumenbachs Werk "De generis humani varietate nativa" in deutscher Sprache vor.
Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht_1798/187>, abgerufen am 16.02.2025.
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