Die welche es behaupten, führen die Beyspiele junger Thiere verschiedenen Geschlechts an, von Hunden, z. B. Katzen, u. a. welche, indem sie mit verstümmeltem Schwanz oder Ohren geboren wurden, wenn diese Theile ihren Aeltern vorher ver- stümmelt worden, keine ungültigen Zeugen sind: ferner, daß bey Völkern, welche ihre Knäbchen be- schneiden, unterweilen einige mit kurzer Vorhaut gleichsam beschnitten (apellae) geboren werden 23), oder daß Kindern Zeichen von Narben, welche bey den Aeltern aus einer Wunde entstanden waren, nachher angeboren worden. Ja Büffon leitete sogar aus einer ähnlichen Quelle gewisse besondere Merk- zeichen einiger Thiere her, als die Schwielen auf Brust und Schenkeln der Kameele, oder die kahle schieferfarbige Stirn der Saatkrähe (Corvus fru- gilegus).
Die dies nicht annehmen wollen, werden diese Meinung Büffons aus dem Grunde, weil er den zu erweisenden Satz schon als Beweißgrund annimmt (petitio principii), nicht ganz mit Unrecht verwer- fen, die übrigen genannten Beyspiele aber vielmehr einem ungefähren Zufall beymessen zu müssen glauben.
Bis jetzo nun trete ich zwar weder durch Beja- hen noch Verneinen einer von diesen beyden Meinun- gen bey, ich werde aber willig den Kalkul der Ver- neinenden unterzeichnen, wenn sie zuvor Rechen- schaft abgelegt haben, warum solche Besonderheiten der Bildung, sie mögen nun ursprünglich durch
Kunst
23) Vergl. Voigts Magaz. Th. 4. Absch. 1. S. 22. fg. u. Absch. 4. S. 40. fg.
Die welche es behaupten, fuͤhren die Beyſpiele junger Thiere verſchiedenen Geſchlechts an, von Hunden, z. B. Katzen, u. a. welche, indem ſie mit verſtuͤmmeltem Schwanz oder Ohren geboren wurden, wenn dieſe Theile ihren Aeltern vorher ver- ſtuͤmmelt worden, keine unguͤltigen Zeugen ſind: ferner, daß bey Voͤlkern, welche ihre Knaͤbchen be- ſchneiden, unterweilen einige mit kurzer Vorhaut gleichſam beſchnitten (apellae) geboren werden 23), oder daß Kindern Zeichen von Narben, welche bey den Aeltern aus einer Wunde entſtanden waren, nachher angeboren worden. Ja Buͤffon leitete ſogar aus einer aͤhnlichen Quelle gewiſſe beſondere Merk- zeichen einiger Thiere her, als die Schwielen auf Bruſt und Schenkeln der Kameele, oder die kahle ſchieferfarbige Stirn der Saatkraͤhe (Corvus fru- gilegus).
Die dies nicht annehmen wollen, werden dieſe Meinung Buͤffons aus dem Grunde, weil er den zu erweiſenden Satz ſchon als Beweißgrund annimmt (petitio principii), nicht ganz mit Unrecht verwer- fen, die uͤbrigen genannten Beyſpiele aber vielmehr einem ungefaͤhren Zufall beymeſſen zu muͤſſen glauben.
Bis jetzo nun trete ich zwar weder durch Beja- hen noch Verneinen einer von dieſen beyden Meinun- gen bey, ich werde aber willig den Kalkul der Ver- neinenden unterzeichnen, wenn ſie zuvor Rechen- ſchaft abgelegt haben, warum ſolche Beſonderheiten der Bildung, ſie moͤgen nun urſpruͤnglich durch
Kunſt
23) Vergl. Voigts Magaz. Th. 4. Abſch. 1. S. 22. fg. u. Abſch. 4. S. 40. fg.
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Die welche es behaupten, fuͤhren die Beyſpiele
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Hunden, z. B. Katzen, u. a. welche, indem ſie
mit verſtuͤmmeltem Schwanz oder Ohren geboren
wurden, wenn dieſe Theile ihren Aeltern vorher ver-
ſtuͤmmelt worden, keine unguͤltigen Zeugen ſind:
ferner, daß bey Voͤlkern, welche ihre Knaͤbchen be-
ſchneiden, unterweilen einige mit kurzer Vorhaut
gleichſam beſchnitten (apellae) geboren werden 23),
oder daß Kindern Zeichen von Narben, welche bey
den Aeltern aus einer Wunde entſtanden waren,
nachher angeboren worden. Ja Buͤffon leitete ſogar
aus einer aͤhnlichen Quelle gewiſſe beſondere Merk-
zeichen einiger Thiere her, als die Schwielen auf
Bruſt und Schenkeln der Kameele, oder die kahle
ſchieferfarbige Stirn der Saatkraͤhe (Corvus fru-
gilegus).
Die dies nicht annehmen wollen, werden dieſe
Meinung Buͤffons aus dem Grunde, weil er den zu
erweiſenden Satz ſchon als Beweißgrund annimmt
(petitio principii), nicht ganz mit Unrecht verwer-
fen, die uͤbrigen genannten Beyſpiele aber vielmehr
einem ungefaͤhren Zufall beymeſſen zu muͤſſen glauben.
Bis jetzo nun trete ich zwar weder durch Beja-
hen noch Verneinen einer von dieſen beyden Meinun-
gen bey, ich werde aber willig den Kalkul der Ver-
neinenden unterzeichnen, wenn ſie zuvor Rechen-
ſchaft abgelegt haben, warum ſolche Beſonderheiten
der Bildung, ſie moͤgen nun urſpruͤnglich durch
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23) Vergl. Voigts Magaz. Th. 4. Abſch. 1. S. 22.
fg. u. Abſch. 4. S. 40. fg.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
"Über die natürlichen Verschiedenheiten im Mensch… [mehr]
"Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte" ist die überarbeitete Fassung von Blumenbachs Dissertationsschrift "De generis humani varietate nativa" (1. Aufl. 1775 bei Friedrich Andreas Rosenbusch in Göttingen). Die Dissertation erschien in lateinischer Sprache; für das DTA wurde Johann Gottfried Grubers Übersetzung der dritten Auflage von Blumenbachs Dissertation (1795 bei Vandenhoek & Ruprecht) digitalisiert, die 1798 in Leipzig bei Breitkopf & Härtel erschien. Erstmals lag hiermit Blumenbachs Werk "De generis humani varietate nativa" in deutscher Sprache vor.
Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht_1798/120>, abgerufen am 16.07.2024.
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