An dem Aurochsen, dem Stamme des Zweiges der zahmen Ochsen, sieht man, nach Campers Be- obachtung, die Thränengruben sehr deutlich; welche hingegen an unsern Ochsen durch Verartung gänzlich vergangen sind.
Die ganz wunderbare Verartung des Schädels an jener Varietät von Hünern, welche man batavi- sche nennt, übergehe ich ganz 9).
§. 32. B) Ursachen der Verartung.
Das thierische Leben setzt zwey von den Lebens- kräften abhängige Vermögen, gleichsam als erste und Hauptbedingungen aller und jeder Verrichtun- gen desselben voraus.
Erstens nämlich das Vermögen einer solchen Em- pfänglichkeit der auf den Körper wirkenden reizenden Eindrücke, (stimuli) daß die Theile dadurch ange- regt werden;
und zweytens, daß diese nach dieser Anregung so zurückwirken, daß dadurch die Bewegungen des lebenden Körpers rege gemacht, und wirklich verrich- tet werden q).
Es giebt also in der thierischen Maschine keine Bewegung ohne einen vorhergegangenen Reiz, und eine nach diesem zurückwirkende Thätigkeit.
Dies sind die Angeln, in welchen die ganze Physiologie der thierischen Einrichtung sich bewegt.
Und
9) S. Pallas Spici[l]eg. zool. IV. Samml. S. 22. Und Sandiforts Museum anat. acad. Lugd. Batav. Th. 1. Seite 306.
An dem Aurochſen, dem Stamme des Zweiges der zahmen Ochſen, ſieht man, nach Campers Be- obachtung, die Thraͤnengruben ſehr deutlich; welche hingegen an unſern Ochſen durch Verartung gaͤnzlich vergangen ſind.
Die ganz wunderbare Verartung des Schaͤdels an jener Varietaͤt von Huͤnern, welche man batavi- ſche nennt, uͤbergehe ich ganz 9).
§. 32. B) Urſachen der Verartung.
Das thieriſche Leben ſetzt zwey von den Lebens- kraͤften abhaͤngige Vermoͤgen, gleichſam als erſte und Hauptbedingungen aller und jeder Verrichtun- gen deſſelben voraus.
Erſtens naͤmlich das Vermoͤgen einer ſolchen Em- pfaͤnglichkeit der auf den Koͤrper wirkenden reizenden Eindruͤcke, (ſtimuli) daß die Theile dadurch ange- regt werden;
und zweytens, daß dieſe nach dieſer Anregung ſo zuruͤckwirken, daß dadurch die Bewegungen des lebenden Koͤrpers rege gemacht, und wirklich verrich- tet werden q).
Es giebt alſo in der thieriſchen Maſchine keine Bewegung ohne einen vorhergegangenen Reiz, und eine nach dieſem zuruͤckwirkende Thaͤtigkeit.
Dies ſind die Angeln, in welchen die ganze Phyſiologie der thieriſchen Einrichtung ſich bewegt.
Und
9) S. Pallas Spici[l]eg. zool. IV. Samml. S. 22. Und Sandiforts Muſeum anat. acad. Lugd. Batav. Th. 1. Seite 306.
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[68/0102]
An dem Aurochſen, dem Stamme des Zweiges
der zahmen Ochſen, ſieht man, nach Campers Be-
obachtung, die Thraͤnengruben ſehr deutlich; welche
hingegen an unſern Ochſen durch Verartung gaͤnzlich
vergangen ſind.
Die ganz wunderbare Verartung des Schaͤdels
an jener Varietaͤt von Huͤnern, welche man batavi-
ſche nennt, uͤbergehe ich ganz 9).
§. 32.
B) Urſachen der Verartung.
Das thieriſche Leben ſetzt zwey von den Lebens-
kraͤften abhaͤngige Vermoͤgen, gleichſam als erſte
und Hauptbedingungen aller und jeder Verrichtun-
gen deſſelben voraus.
Erſtens naͤmlich das Vermoͤgen einer ſolchen Em-
pfaͤnglichkeit der auf den Koͤrper wirkenden reizenden
Eindruͤcke, (ſtimuli) daß die Theile dadurch ange-
regt werden;
und zweytens, daß dieſe nach dieſer Anregung
ſo zuruͤckwirken, daß dadurch die Bewegungen des
lebenden Koͤrpers rege gemacht, und wirklich verrich-
tet werden q).
Es giebt alſo in der thieriſchen Maſchine keine
Bewegung ohne einen vorhergegangenen Reiz, und
eine nach dieſem zuruͤckwirkende Thaͤtigkeit.
Dies ſind die Angeln, in welchen die ganze
Phyſiologie der thieriſchen Einrichtung ſich bewegt.
Und
9) S. Pallas Spicileg. zool. IV. Samml. S. 22. Und
Sandiforts Muſeum anat. acad. Lugd. Batav. Th. 1.
Seite 306.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
"Über die natürlichen Verschiedenheiten im Mensch… [mehr]
"Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte" ist die überarbeitete Fassung von Blumenbachs Dissertationsschrift "De generis humani varietate nativa" (1. Aufl. 1775 bei Friedrich Andreas Rosenbusch in Göttingen). Die Dissertation erschien in lateinischer Sprache; für das DTA wurde Johann Gottfried Grubers Übersetzung der dritten Auflage von Blumenbachs Dissertation (1795 bei Vandenhoek & Ruprecht) digitalisiert, die 1798 in Leipzig bei Breitkopf & Härtel erschien. Erstmals lag hiermit Blumenbachs Werk "De generis humani varietate nativa" in deutscher Sprache vor.
Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht_1798/102>, abgerufen am 22.02.2025.
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