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Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 2. Berlin, 1775.

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die Betheurungen des Arztes, dass die Frau
von Z*** den folgenden Tag nicht über-
leben würde, bewogen ihn einen Besuch
bey ihr abzulegen. Ich kündigte ihr den-
selben an und sie verlangte, dass ich da-
bey gegenwärtig seyn sollte. Ach! --
sagte sie; liebster Magister! -- und reich-
te mir ihre zitternde Hand; auch diese
Wohlthat bin ich ihnen schuldig. Sie er-
füllen den letzten Wunsch meines Herzens.
Nun will ich gerne sterben. -- Vater des
Lebens! -- rief sie dann mit erhabner
Stimme, die Augen gen Himmel gekehrt,
aus; -- unterstütze meine sinkenden
Kräfte! Ich verlange mich selbst nicht zu
rechtfertigen; aber dieß unglückliche
Kind, diese weinende Unschuld! -- Die-
ser Erhebung ihrer Lebensgeister folgte ei-
ne stundenlange Kraftlosigkeit, in der sie
sich zu dem einzigen noch bevorstehenden,

die Betheurungen des Arztes, daſs die Frau
von Z*** den folgenden Tag nicht über-
leben würde, bewogen ihn einen Beſuch
bey ihr abzulegen. Ich kündigte ihr den-
ſelben an und ſie verlangte, daſs ich da-
bey gegenwärtig ſeyn ſollte. Ach! —
ſagte ſie; liebſter Magiſter! — und reich-
te mir ihre zitternde Hand; auch dieſe
Wohlthat bin ich ihnen ſchuldig. Sie er-
füllen den letzten Wunſch meines Herzens.
Nun will ich gerne ſterben. — Vater des
Lebens! — rief ſie dann mit erhabner
Stimme, die Augen gen Himmel gekehrt,
aus; — unterſtütze meine ſinkenden
Kräfte! Ich verlange mich ſelbſt nicht zu
rechtfertigen; aber dieß unglückliche
Kind, dieſe weinende Unſchuld! — Die-
ſer Erhebung ihrer Lebensgeiſter folgte ei-
ne ſtundenlange Kraftloſigkeit, in der ſie
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[67/0073] die Betheurungen des Arztes, daſs die Frau von Z*** den folgenden Tag nicht über- leben würde, bewogen ihn einen Beſuch bey ihr abzulegen. Ich kündigte ihr den- ſelben an und ſie verlangte, daſs ich da- bey gegenwärtig ſeyn ſollte. Ach! — ſagte ſie; liebſter Magiſter! — und reich- te mir ihre zitternde Hand; auch dieſe Wohlthat bin ich ihnen ſchuldig. Sie er- füllen den letzten Wunſch meines Herzens. Nun will ich gerne ſterben. — Vater des Lebens! — rief ſie dann mit erhabner Stimme, die Augen gen Himmel gekehrt, aus; — unterſtütze meine ſinkenden Kräfte! Ich verlange mich ſelbſt nicht zu rechtfertigen; aber dieß unglückliche Kind, dieſe weinende Unſchuld! — Die- ſer Erhebung ihrer Lebensgeiſter folgte ei- ne ſtundenlange Kraftloſigkeit, in der ſie ſich zu dem einzigen noch bevorſtehenden,

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Zitationshilfe: Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 2. Berlin, 1775, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge02_1775/73>, abgerufen am 27.11.2024.