sammenhängende, lange Rede, deren Thei- le sich auf irgend einen gemeinschaftlichen Hauptsatz beziehen müssen, eine mehrere Anstrengung der Seelenkräfte erfordere, als man von dem grossen Haufen erwarten kann?
So scheint es, antwortete ich mir selbst; und so ist es auch würklich, fuhr ich fort.
Der Erhohlungsgesang, mit dem man die Rede zu theilen gewohnt ist, ist selten recht geschickt dem angemerkten Mangel abzuhelfen. Der sogenannte Eingang, der eine Vorbereitung auf das Folgende seyn soll, ist mehrentheils schon eine Rede im Kleinen, die die Aufmerksamkeit mancher Zuhörer schon so weit erschöpft, dass sie nachher für sich nicht viel mehr übrig se- hen, als zu schlafen; oder an etwas andres zu denken. Die Anatomie der Predigt soll
ſammenhängende, lange Rede, deren Thei- le ſich auf irgend einen gemeinſchaftlichen Hauptſatz beziehen müſsen, eine mehrere Anſtrengung der Seelenkräfte erfordere, als man von dem groſsen Haufen erwarten kann?
So ſcheint es, antwortete ich mir ſelbſt; und ſo iſt es auch würklich, fuhr ich fort.
Der Erhohlungsgeſang, mit dem man die Rede zu theilen gewohnt iſt, iſt ſelten recht geſchickt dem angemerkten Mangel abzuhelfen. Der ſogenannte Eingang, der eine Vorbereitung auf das Folgende ſeyn ſoll, iſt mehrentheils ſchon eine Rede im Kleinen, die die Aufmerkſamkeit mancher Zuhörer ſchon ſo weit erſchöpft, daſs ſie nachher für ſich nicht viel mehr übrig ſe- hen, als zu ſchlafen; oder an etwas andres zu denken. Die Anatomie der Predigt ſoll
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ſammenhängende, lange Rede, deren Thei-
le ſich auf irgend einen gemeinſchaftlichen
Hauptſatz beziehen müſsen, eine mehrere
Anſtrengung der Seelenkräfte erfordere,
als man von dem groſsen Haufen erwarten
kann?
So ſcheint es, antwortete ich mir
ſelbſt; und ſo iſt es auch würklich, fuhr
ich fort.
Der Erhohlungsgeſang, mit dem man
die Rede zu theilen gewohnt iſt, iſt ſelten
recht geſchickt dem angemerkten Mangel
abzuhelfen. Der ſogenannte Eingang, der
eine Vorbereitung auf das Folgende ſeyn
ſoll, iſt mehrentheils ſchon eine Rede im
Kleinen, die die Aufmerkſamkeit mancher
Zuhörer ſchon ſo weit erſchöpft, daſs ſie
nachher für ſich nicht viel mehr übrig ſe-
hen, als zu ſchlafen; oder an etwas andres
zu denken. Die Anatomie der Predigt ſoll
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Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/38>, abgerufen am 02.03.2025.
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