Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.Einundzwanzigstes Kapitel: Der Norddeutsche Bund. Es gelang mir, den König von dem Gedanken abzubringen, Auch eine so unbedingte Hingebung für Oestreich, wie sie Es blieben Friedensverträge zu schließen mit Sachsen und 1) S. o. S. 48. 50.
Einundzwanzigſtes Kapitel: Der Norddeutſche Bund. Es gelang mir, den König von dem Gedanken abzubringen, Auch eine ſo unbedingte Hingebung für Oeſtreich, wie ſie Es blieben Friedensverträge zu ſchließen mit Sachſen und 1) S. o. S. 48. 50.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0096" n="72"/> <fw place="top" type="header">Einundzwanzigſtes Kapitel: Der Norddeutſche Bund.<lb/></fw> <p>Es gelang mir, den König von dem Gedanken abzubringen,<lb/> mit Hanover und Heſſen auf der Baſis der Zerſtückelung dieſer<lb/> Länder und des Bündniſſes mit den frühern Herrſchern als Theil¬<lb/> fürſten eines Reſtes zu verhandeln. Wenn der Kurfürſt Fulda und<lb/> Hanau, und Georg <hi rendition="#aq">V</hi>. Kalenberg mit Lüneburg und der Ausſicht<lb/> auf die Erbfolge in Braunſchweig behalten hätte, ſo würden weder<lb/> die Hanoveraner und Heſſen, noch die beiden Fürſten zufriedene<lb/> Theilnehmer des Norddeutſchen Bundes geworden ſein. Dieſer Plan<lb/> würde uns unzufriedene und behufs Wiedererwerb des Verlornen<lb/> zur Rheinbündelei geneigte Bundesgenoſſen gegeben haben.</p><lb/> <p>Auch eine ſo unbedingte Hingebung für Oeſtreich, wie ſie<lb/> Naſſau bewieſen hatte, in der unmittelbaren Nähe von Coblenz,<lb/> war eine gefährliche Erſcheinung, beſonders in der Eventualität<lb/> franzöſiſch-öſtreichiſcher Bündniſſe, wie ſie ſich während des Krim¬<lb/> krieges und der polniſchen Wirren von 1863 in bedrohliche Aus¬<lb/> ſicht geſtellt hatten. Die Abneigung Sr. Majeſtät gegen Naſſau<lb/> war ein väterliches Erbtheil. Friedrich Wilhelm <hi rendition="#aq">III</hi>. pflegte durch<lb/> das Herzogthum zu reiſen, ohne den Herzog zu ſehn. Das Con¬<lb/> tingent des Herzogs hatte ſich in der Rheinbundzeit in Preußen<lb/> beſonders unangenehm gemacht, und König Wilhelm <hi rendition="#aq">I</hi>. wurde<lb/> gegen Conceſſionen an den Herzog durch den leidenſchaftlichen<lb/> Widerſpruch der Deputationen früherer naſſauiſcher Unterthanen<lb/> eingenommen; die ſtehende Rede derſelben war: „Schütze Se uns<lb/> vor dem Fürſte und ſei' Jagdknechte.“</p><lb/> <p>Es blieben Friedensverträge zu ſchließen mit Sachſen und<lb/> den ſüddeutſchen Staaten. Herr von Varnbüler bewies dieſelbe<lb/> Lebhaftigkeit des Temperaments wie bei den Vorbereitungen zum<lb/> Kriege und war der erſte, mit dem der Abſchluß gelang<note place="foot" n="1)">S. o. S. 48. 50.</note>. Es<lb/> handelte ſich unter Anderm darum, ob wir, da Würtemberg das<lb/> preußiſche Hohenzollern in Beſitz genommen hatte, jetzt, wie der<lb/> König wollte, den Spieß umkehren und eine Vergrößerung Hohen¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [72/0096]
Einundzwanzigſtes Kapitel: Der Norddeutſche Bund.
Es gelang mir, den König von dem Gedanken abzubringen,
mit Hanover und Heſſen auf der Baſis der Zerſtückelung dieſer
Länder und des Bündniſſes mit den frühern Herrſchern als Theil¬
fürſten eines Reſtes zu verhandeln. Wenn der Kurfürſt Fulda und
Hanau, und Georg V. Kalenberg mit Lüneburg und der Ausſicht
auf die Erbfolge in Braunſchweig behalten hätte, ſo würden weder
die Hanoveraner und Heſſen, noch die beiden Fürſten zufriedene
Theilnehmer des Norddeutſchen Bundes geworden ſein. Dieſer Plan
würde uns unzufriedene und behufs Wiedererwerb des Verlornen
zur Rheinbündelei geneigte Bundesgenoſſen gegeben haben.
Auch eine ſo unbedingte Hingebung für Oeſtreich, wie ſie
Naſſau bewieſen hatte, in der unmittelbaren Nähe von Coblenz,
war eine gefährliche Erſcheinung, beſonders in der Eventualität
franzöſiſch-öſtreichiſcher Bündniſſe, wie ſie ſich während des Krim¬
krieges und der polniſchen Wirren von 1863 in bedrohliche Aus¬
ſicht geſtellt hatten. Die Abneigung Sr. Majeſtät gegen Naſſau
war ein väterliches Erbtheil. Friedrich Wilhelm III. pflegte durch
das Herzogthum zu reiſen, ohne den Herzog zu ſehn. Das Con¬
tingent des Herzogs hatte ſich in der Rheinbundzeit in Preußen
beſonders unangenehm gemacht, und König Wilhelm I. wurde
gegen Conceſſionen an den Herzog durch den leidenſchaftlichen
Widerſpruch der Deputationen früherer naſſauiſcher Unterthanen
eingenommen; die ſtehende Rede derſelben war: „Schütze Se uns
vor dem Fürſte und ſei' Jagdknechte.“
Es blieben Friedensverträge zu ſchließen mit Sachſen und
den ſüddeutſchen Staaten. Herr von Varnbüler bewies dieſelbe
Lebhaftigkeit des Temperaments wie bei den Vorbereitungen zum
Kriege und war der erſte, mit dem der Abſchluß gelang 1). Es
handelte ſich unter Anderm darum, ob wir, da Würtemberg das
preußiſche Hohenzollern in Beſitz genommen hatte, jetzt, wie der
König wollte, den Spieß umkehren und eine Vergrößerung Hohen¬
1) S. o. S. 48. 50.
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