Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.Schwierigkeit der Lage gegenüber den militärischen Einflüssen. sollte an die Stelle Europas gesetzt werden, welche der östreichischeStaat von Tyrol bis zur Bukowina bisher ausfüllt? Neue Bildungen auf dieser Fläche könnten nur dauernd revolutionärer Natur sein. Deutsch-Oestreich könnten wir weder ganz, noch theil¬ weise brauchen, eine Stärkung des preußischen Staates durch Er¬ werbung von Provinzen wie Oestreichisch-Schlesien und Stücken von Böhmen nicht gewinnen, eine Verschmelzung des deutschen Oestreichs mit Preußen würde nicht erfolgen, Wien als ein Zu¬ behör von Berlin aus nicht zu regiren sein. Wenn der Krieg fortgesetzt würde, so wäre der wahrscheinliche Gegen alles dies erhob der König keine Einwendung; aber Schwierigkeit der Lage gegenüber den militäriſchen Einflüſſen. ſollte an die Stelle Europas geſetzt werden, welche der öſtreichiſcheStaat von Tyrol bis zur Bukowina bisher ausfüllt? Neue Bildungen auf dieſer Fläche könnten nur dauernd revolutionärer Natur ſein. Deutſch-Oeſtreich könnten wir weder ganz, noch theil¬ weiſe brauchen, eine Stärkung des preußiſchen Staates durch Er¬ werbung von Provinzen wie Oeſtreichiſch-Schleſien und Stücken von Böhmen nicht gewinnen, eine Verſchmelzung des deutſchen Oeſtreichs mit Preußen würde nicht erfolgen, Wien als ein Zu¬ behör von Berlin aus nicht zu regiren ſein. Wenn der Krieg fortgeſetzt würde, ſo wäre der wahrſcheinliche Gegen alles dies erhob der König keine Einwendung; aber <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0069" n="45"/><fw place="top" type="header">Schwierigkeit der Lage gegenüber den militäriſchen Einflüſſen.<lb/></fw>ſollte an <hi rendition="#g">die</hi> Stelle Europas geſetzt werden, welche der öſtreichiſche<lb/> Staat von Tyrol bis zur Bukowina bisher ausfüllt? Neue<lb/> Bildungen auf dieſer Fläche könnten nur dauernd revolutionärer<lb/> Natur ſein. Deutſch-Oeſtreich könnten wir weder ganz, noch theil¬<lb/> weiſe brauchen, eine Stärkung des preußiſchen Staates durch Er¬<lb/> werbung von Provinzen wie Oeſtreichiſch-Schleſien und Stücken<lb/> von Böhmen nicht gewinnen, eine Verſchmelzung des deutſchen<lb/> Oeſtreichs mit Preußen würde nicht erfolgen, Wien als ein Zu¬<lb/> behör von Berlin aus nicht zu regiren ſein.</p><lb/> <p>Wenn der Krieg fortgeſetzt würde, ſo wäre der wahrſcheinliche<lb/> Kampfplatz Ungarn. Die öſtreichiſche Armee, die, wenn wir bei<lb/> Preßburg über die Donau gegangen, Wien nicht würde halten<lb/> können, würde ſchwerlich nach Süden ausweichen, wo ſie zwiſchen<lb/> die preußiſche und die italieniſche Armee geriethe und durch ihre<lb/> Annäherung an Italien die geſunkene und durch Louis Napoleon<lb/> eingeſchränkte Kampfluſt der Italiener neu beleben würde; ſondern<lb/> ſie würde nach Oſten ausweichen und die Vertheidigung in Ungarn<lb/> fortſetzen, wenn auch nur in der Hoffnung auf die in Ausſicht<lb/> ſtehende Einmiſchung Frankreichs und die durch Frankreich vor¬<lb/> bereitete Desintereſſirung Italiens. Uebrigens hielte ich auch unter<lb/> dem rein militäriſchen Geſichtspunkte nach meiner Kenntniß des<lb/> ungariſchen Landes die Fortſetzung des Krieges dort für undankbar,<lb/> die dort zu erreichenden Erfolge für nicht im Verhältniß ſtehend<lb/> zu den bisher gewonnenen Siegen, alſo unſer Preſtige vermindernd<lb/> — ganz abgeſehn davon, daß die Verlängerung des Krieges der<lb/> franzöſiſchen Einmiſchung die Wege ebnen würde. Wir müßten<lb/> raſch abſchließen, ehe Frankreich Zeit zur Entwicklung weitrer diplo¬<lb/> matiſcher Action auf Oeſtreich gewönne.</p><lb/> <p>Gegen alles dies erhob der König keine Einwendung; aber<lb/> die vorliegenden Bedingungen erklärte er für ungenügend, ohne<lb/> jedoch ſeine Forderungen beſtimmt zu formuliren. Nur ſo viel war<lb/> klar, daß ſeine Anſprüche ſeit dem 4. Juli gewachſen waren. Der<lb/> Hauptſchuldige könne doch nicht ungeſtraft ausgehn, die Verführten<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [45/0069]
Schwierigkeit der Lage gegenüber den militäriſchen Einflüſſen.
ſollte an die Stelle Europas geſetzt werden, welche der öſtreichiſche
Staat von Tyrol bis zur Bukowina bisher ausfüllt? Neue
Bildungen auf dieſer Fläche könnten nur dauernd revolutionärer
Natur ſein. Deutſch-Oeſtreich könnten wir weder ganz, noch theil¬
weiſe brauchen, eine Stärkung des preußiſchen Staates durch Er¬
werbung von Provinzen wie Oeſtreichiſch-Schleſien und Stücken
von Böhmen nicht gewinnen, eine Verſchmelzung des deutſchen
Oeſtreichs mit Preußen würde nicht erfolgen, Wien als ein Zu¬
behör von Berlin aus nicht zu regiren ſein.
Wenn der Krieg fortgeſetzt würde, ſo wäre der wahrſcheinliche
Kampfplatz Ungarn. Die öſtreichiſche Armee, die, wenn wir bei
Preßburg über die Donau gegangen, Wien nicht würde halten
können, würde ſchwerlich nach Süden ausweichen, wo ſie zwiſchen
die preußiſche und die italieniſche Armee geriethe und durch ihre
Annäherung an Italien die geſunkene und durch Louis Napoleon
eingeſchränkte Kampfluſt der Italiener neu beleben würde; ſondern
ſie würde nach Oſten ausweichen und die Vertheidigung in Ungarn
fortſetzen, wenn auch nur in der Hoffnung auf die in Ausſicht
ſtehende Einmiſchung Frankreichs und die durch Frankreich vor¬
bereitete Desintereſſirung Italiens. Uebrigens hielte ich auch unter
dem rein militäriſchen Geſichtspunkte nach meiner Kenntniß des
ungariſchen Landes die Fortſetzung des Krieges dort für undankbar,
die dort zu erreichenden Erfolge für nicht im Verhältniß ſtehend
zu den bisher gewonnenen Siegen, alſo unſer Preſtige vermindernd
— ganz abgeſehn davon, daß die Verlängerung des Krieges der
franzöſiſchen Einmiſchung die Wege ebnen würde. Wir müßten
raſch abſchließen, ehe Frankreich Zeit zur Entwicklung weitrer diplo¬
matiſcher Action auf Oeſtreich gewönne.
Gegen alles dies erhob der König keine Einwendung; aber
die vorliegenden Bedingungen erklärte er für ungenügend, ohne
jedoch ſeine Forderungen beſtimmt zu formuliren. Nur ſo viel war
klar, daß ſeine Anſprüche ſeit dem 4. Juli gewachſen waren. Der
Hauptſchuldige könne doch nicht ungeſtraft ausgehn, die Verführten
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