Diplomatie und militärische Ressortpolitik. Wünsche des Königs.
waren. Der König wollte Theile von Sachsen, Hanover, Hessen annectiren, besonders aber Ansbach und Bayreuth wieder an sein Haus bringen. Seinem starken und berechtigten Familiengefühl lag der Rückerwerb der fränkischen Fürstenthümer nahe.
Ich erinnere mich, auf einem der ersten Hoffeste, denen ich in den 30er Jahren beiwohnte, einem Costümballe bei dem da¬ maligen Prinzen Wilhelm, diesen in der Tracht des Kurfürsten Friedrich I. gesehn zu haben. Die Wahl des Costüms außerhalb der Richtung der übrigen, war der Ausdruck des Familiengefühls, der Abstammung, und selten wird dieses Costüm natürlicher und kleidsamer getragen worden sein, als von dem damals etwa 37 Jahre alten Prinzen Wilhelm, dessen Bild darin mir stets gegenwärtig geblieben ist. Der starke dynastische Familiensinn war vielleicht in Kaiser Friedrich III. noch schärfer ausgeprägt, aber gewiß ist, daß 1866 der König auf Ansbach und Bayreuth noch schwerer ver¬ zichtete als auf Oestreichisch-Schlesien, Deutsch-Böhmen und Theile von Sachsen. Ich legte an Erwerbungen von Oestreich und Baiern den Maßstab der Frage, ob die Einwohner in etwaigen Kriegen bei einem Rückzuge der preußischen Behörden und Truppen dem Könige von Preußen noch treu bleiben, Befehle von ihm annehmen würden, und ich hatte nicht den Eindruck, daß die Bevölkerung dieser Gebiete, die in die bairischen und östreichischen Verhältnisse eingelebt ist, in ihrer Gesinnung den Hohenzollernschen Neigungen entgegenkommen würde.
Das alte Stammland der Brandenburger Markgrafen im Süden und Osten von Nürnberg etwa zu einer preußischen Provinz mit Nürnberg als Hauptstadt gemacht, wäre kaum ein Landestheil gewesen, den Preußen in Kriegsfällen von Streitkräften entblößen und unter den Schutz seiner dynastischen Anhänglichkeit hätte stellen können. Die letztre hat während der kurzen Zeit des preußischen Besitzes keine tiefen Wurzeln geschlagen, trotz der geschickten Verwaltung durch Harden¬ berg, und war seither in der bairischen Zeit vergessen, so weit sie nicht durch confessionelle Vorgänge in Erinnerung gebracht wurde,
Diplomatie und militäriſche Reſſortpolitik. Wünſche des Königs.
waren. Der König wollte Theile von Sachſen, Hanover, Heſſen annectiren, beſonders aber Ansbach und Bayreuth wieder an ſein Haus bringen. Seinem ſtarken und berechtigten Familiengefühl lag der Rückerwerb der fränkiſchen Fürſtenthümer nahe.
Ich erinnere mich, auf einem der erſten Hoffeſte, denen ich in den 30er Jahren beiwohnte, einem Coſtümballe bei dem da¬ maligen Prinzen Wilhelm, dieſen in der Tracht des Kurfürſten Friedrich I. geſehn zu haben. Die Wahl des Coſtüms außerhalb der Richtung der übrigen, war der Ausdruck des Familiengefühls, der Abſtammung, und ſelten wird dieſes Coſtüm natürlicher und kleidſamer getragen worden ſein, als von dem damals etwa 37 Jahre alten Prinzen Wilhelm, deſſen Bild darin mir ſtets gegenwärtig geblieben iſt. Der ſtarke dynaſtiſche Familienſinn war vielleicht in Kaiſer Friedrich III. noch ſchärfer ausgeprägt, aber gewiß iſt, daß 1866 der König auf Ansbach und Bayreuth noch ſchwerer ver¬ zichtete als auf Oeſtreichiſch-Schleſien, Deutſch-Böhmen und Theile von Sachſen. Ich legte an Erwerbungen von Oeſtreich und Baiern den Maßſtab der Frage, ob die Einwohner in etwaigen Kriegen bei einem Rückzuge der preußiſchen Behörden und Truppen dem Könige von Preußen noch treu bleiben, Befehle von ihm annehmen würden, und ich hatte nicht den Eindruck, daß die Bevölkerung dieſer Gebiete, die in die bairiſchen und öſtreichiſchen Verhältniſſe eingelebt iſt, in ihrer Geſinnung den Hohenzollernſchen Neigungen entgegenkommen würde.
Das alte Stammland der Brandenburger Markgrafen im Süden und Oſten von Nürnberg etwa zu einer preußiſchen Provinz mit Nürnberg als Hauptſtadt gemacht, wäre kaum ein Landestheil geweſen, den Preußen in Kriegsfällen von Streitkräften entblößen und unter den Schutz ſeiner dynaſtiſchen Anhänglichkeit hätte ſtellen können. Die letztre hat während der kurzen Zeit des preußiſchen Beſitzes keine tiefen Wurzeln geſchlagen, trotz der geſchickten Verwaltung durch Harden¬ berg, und war ſeither in der bairiſchen Zeit vergeſſen, ſo weit ſie nicht durch confeſſionelle Vorgänge in Erinnerung gebracht wurde,
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Diplomatie und militäriſche Reſſortpolitik. Wünſche des Königs.
waren. Der König wollte Theile von Sachſen, Hanover, Heſſen
annectiren, beſonders aber Ansbach und Bayreuth wieder an ſein
Haus bringen. Seinem ſtarken und berechtigten Familiengefühl
lag der Rückerwerb der fränkiſchen Fürſtenthümer nahe.
Ich erinnere mich, auf einem der erſten Hoffeſte, denen ich
in den 30er Jahren beiwohnte, einem Coſtümballe bei dem da¬
maligen Prinzen Wilhelm, dieſen in der Tracht des Kurfürſten
Friedrich I. geſehn zu haben. Die Wahl des Coſtüms außerhalb
der Richtung der übrigen, war der Ausdruck des Familiengefühls,
der Abſtammung, und ſelten wird dieſes Coſtüm natürlicher und
kleidſamer getragen worden ſein, als von dem damals etwa 37 Jahre
alten Prinzen Wilhelm, deſſen Bild darin mir ſtets gegenwärtig
geblieben iſt. Der ſtarke dynaſtiſche Familienſinn war vielleicht in
Kaiſer Friedrich III. noch ſchärfer ausgeprägt, aber gewiß iſt, daß
1866 der König auf Ansbach und Bayreuth noch ſchwerer ver¬
zichtete als auf Oeſtreichiſch-Schleſien, Deutſch-Böhmen und Theile
von Sachſen. Ich legte an Erwerbungen von Oeſtreich und Baiern
den Maßſtab der Frage, ob die Einwohner in etwaigen Kriegen
bei einem Rückzuge der preußiſchen Behörden und Truppen dem
Könige von Preußen noch treu bleiben, Befehle von ihm annehmen
würden, und ich hatte nicht den Eindruck, daß die Bevölkerung
dieſer Gebiete, die in die bairiſchen und öſtreichiſchen Verhältniſſe
eingelebt iſt, in ihrer Geſinnung den Hohenzollernſchen Neigungen
entgegenkommen würde.
Das alte Stammland der Brandenburger Markgrafen im Süden
und Oſten von Nürnberg etwa zu einer preußiſchen Provinz mit
Nürnberg als Hauptſtadt gemacht, wäre kaum ein Landestheil geweſen,
den Preußen in Kriegsfällen von Streitkräften entblößen und unter
den Schutz ſeiner dynaſtiſchen Anhänglichkeit hätte ſtellen können. Die
letztre hat während der kurzen Zeit des preußiſchen Beſitzes keine tiefen
Wurzeln geſchlagen, trotz der geſchickten Verwaltung durch Harden¬
berg, und war ſeither in der bairiſchen Zeit vergeſſen, ſo weit ſie
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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/63>, abgerufen am 23.07.2024.
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