Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Verhandlungen mit dem Erbprinzen von Augustenburg.
nicht in dem drohenden Sinne, in welchem Prinz Friedrich von
Hessen zwei Jahre später mir dieselben Worte sagte, sondern als
Ausdruck seiner Unentschiedenheit. Wiedergesehn habe ich den Erb¬
prinzen erst am Tage nach der Schlacht von Sedan in bairischer
Generalsuniform. Nachdem am 30. October 1864 der Friede mit
Dänemark geschlossen war, wurden die Bedingungen formulirt,
unter denen wir die Bildung eines neuen Staates Schleswig-Hol¬
stein nicht als eine Gefahr für die Interessen Preußens und Deutsch¬
lands ansehn würden. Unter dem 22. Februar. 1865 wurden sie
nach Wien mitgetheilt. Sie deckten sich mit den vom Kronprinzen
empfohlnen.

V.

Eine der Anlagen, zu denen ich die Berechtigung gefordert
hatte, ist nach langem Zögern jetzt1) in der Ausführung begriffen:
der Nord-Ostsee-Canal. Im Interesse der deutschen Seemacht, die
damals nur unter preußischem Namen entwicklungsfähig war, hatte
ich, und nicht ich allein, einen hohen Werth auf die Herstellung des
Canals und den Besitz und die Befestigung seiner beiden Mün¬
dungen gelegt. Das Verlangen, die Concentrirung der Streit¬
kräfte zur See vermittelst Durchbrechung der Landstrecke, die
beide Meere trennt, möglich zu machen, war in Nachwirkung des
beinahe krankhaften Flottenenthusiasmus von 1848 noch sehr leb¬
haft, schlief aber zeitweise ein, als wir freie Verfügung über das
Territorium erworben hatten. In meinem Bemühn, das Interesse
wieder zu erwecken, stieß ich auf Widerspruch bei der Landes¬
vertheidigungs-Commission, deren Vorsitzender der Kronprinz, deren
eigentliche Spitze der Graf Moltke war. Letztrer erklärte als Mit¬
glied des Reichstags am 23. Juni 18732), der Canal werde nur im

1) D. h. zur Zeit der Niederschrift dieser Erinnerungen 1891/92.
2) Moltke's Reden. Werke VII 25 ff.

Verhandlungen mit dem Erbprinzen von Auguſtenburg.
nicht in dem drohenden Sinne, in welchem Prinz Friedrich von
Heſſen zwei Jahre ſpäter mir dieſelben Worte ſagte, ſondern als
Ausdruck ſeiner Unentſchiedenheit. Wiedergeſehn habe ich den Erb¬
prinzen erſt am Tage nach der Schlacht von Sedan in bairiſcher
Generalsuniform. Nachdem am 30. October 1864 der Friede mit
Dänemark geſchloſſen war, wurden die Bedingungen formulirt,
unter denen wir die Bildung eines neuen Staates Schleswig-Hol¬
ſtein nicht als eine Gefahr für die Intereſſen Preußens und Deutſch¬
lands anſehn würden. Unter dem 22. Februar. 1865 wurden ſie
nach Wien mitgetheilt. Sie deckten ſich mit den vom Kronprinzen
empfohlnen.

V.

Eine der Anlagen, zu denen ich die Berechtigung gefordert
hatte, iſt nach langem Zögern jetzt1) in der Ausführung begriffen:
der Nord-Oſtſee-Canal. Im Intereſſe der deutſchen Seemacht, die
damals nur unter preußiſchem Namen entwicklungsfähig war, hatte
ich, und nicht ich allein, einen hohen Werth auf die Herſtellung des
Canals und den Beſitz und die Befeſtigung ſeiner beiden Mün¬
dungen gelegt. Das Verlangen, die Concentrirung der Streit¬
kräfte zur See vermittelſt Durchbrechung der Landſtrecke, die
beide Meere trennt, möglich zu machen, war in Nachwirkung des
beinahe krankhaften Flottenenthuſiasmus von 1848 noch ſehr leb¬
haft, ſchlief aber zeitweiſe ein, als wir freie Verfügung über das
Territorium erworben hatten. In meinem Bemühn, das Intereſſe
wieder zu erwecken, ſtieß ich auf Widerſpruch bei der Landes¬
vertheidigungs-Commiſſion, deren Vorſitzender der Kronprinz, deren
eigentliche Spitze der Graf Moltke war. Letztrer erklärte als Mit¬
glied des Reichstags am 23. Juni 18732), der Canal werde nur im

1) D. h. zur Zeit der Niederſchrift dieſer Erinnerungen 1891/92.
2) Moltke's Reden. Werke VII 25 ff.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0053" n="29"/><fw place="top" type="header">Verhandlungen mit dem Erbprinzen von Augu&#x017F;tenburg.<lb/></fw>nicht in dem drohenden Sinne, in welchem Prinz Friedrich von<lb/>
He&#x017F;&#x017F;en zwei Jahre &#x017F;päter mir die&#x017F;elben Worte &#x017F;agte, &#x017F;ondern als<lb/>
Ausdruck &#x017F;einer Unent&#x017F;chiedenheit. Wiederge&#x017F;ehn habe ich den Erb¬<lb/>
prinzen er&#x017F;t am Tage nach der Schlacht von Sedan in bairi&#x017F;cher<lb/>
Generalsuniform. Nachdem am 30. October 1864 der Friede mit<lb/>
Dänemark ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en war, wurden die Bedingungen formulirt,<lb/>
unter denen wir die Bildung eines neuen Staates Schleswig-Hol¬<lb/>
&#x017F;tein nicht als eine Gefahr für die Intere&#x017F;&#x017F;en Preußens und Deut&#x017F;ch¬<lb/>
lands an&#x017F;ehn würden. Unter dem 22. Februar. 1865 wurden &#x017F;ie<lb/>
nach Wien mitgetheilt. Sie deckten &#x017F;ich mit den vom Kronprinzen<lb/>
empfohlnen.</p><lb/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#aq">V.</hi><lb/>
          </head>
          <p>Eine der Anlagen, zu denen ich die Berechtigung gefordert<lb/>
hatte, i&#x017F;t nach langem Zögern jetzt<note place="foot" n="1)">D. h. zur Zeit der Nieder&#x017F;chrift die&#x017F;er Erinnerungen 1891/92.</note> in der Ausführung begriffen:<lb/>
der Nord-O&#x017F;t&#x017F;ee-Canal. Im Intere&#x017F;&#x017F;e der deut&#x017F;chen Seemacht, die<lb/>
damals nur unter preußi&#x017F;chem Namen entwicklungsfähig war, hatte<lb/>
ich, und nicht ich allein, einen hohen Werth auf die Her&#x017F;tellung des<lb/>
Canals und den Be&#x017F;itz und die Befe&#x017F;tigung &#x017F;einer beiden Mün¬<lb/>
dungen gelegt. Das Verlangen, die Concentrirung der Streit¬<lb/>
kräfte zur See vermittel&#x017F;t Durchbrechung der Land&#x017F;trecke, die<lb/>
beide Meere trennt, möglich zu machen, war in Nachwirkung des<lb/>
beinahe krankhaften Flottenenthu&#x017F;iasmus von 1848 noch &#x017F;ehr leb¬<lb/>
haft, &#x017F;chlief aber zeitwei&#x017F;e ein, als wir freie Verfügung über das<lb/>
Territorium erworben hatten. In meinem Bemühn, das Intere&#x017F;&#x017F;e<lb/>
wieder zu erwecken, &#x017F;tieß ich auf Wider&#x017F;pruch bei der Landes¬<lb/>
vertheidigungs-Commi&#x017F;&#x017F;ion, deren Vor&#x017F;itzender der Kronprinz, deren<lb/>
eigentliche Spitze der Graf Moltke war. Letztrer erklärte als Mit¬<lb/>
glied des Reichstags am 23. Juni 1873<note place="foot" n="2)">Moltke's Reden. Werke <hi rendition="#aq">VII</hi> 25 ff.</note>, der Canal werde nur im<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0053] Verhandlungen mit dem Erbprinzen von Auguſtenburg. nicht in dem drohenden Sinne, in welchem Prinz Friedrich von Heſſen zwei Jahre ſpäter mir dieſelben Worte ſagte, ſondern als Ausdruck ſeiner Unentſchiedenheit. Wiedergeſehn habe ich den Erb¬ prinzen erſt am Tage nach der Schlacht von Sedan in bairiſcher Generalsuniform. Nachdem am 30. October 1864 der Friede mit Dänemark geſchloſſen war, wurden die Bedingungen formulirt, unter denen wir die Bildung eines neuen Staates Schleswig-Hol¬ ſtein nicht als eine Gefahr für die Intereſſen Preußens und Deutſch¬ lands anſehn würden. Unter dem 22. Februar. 1865 wurden ſie nach Wien mitgetheilt. Sie deckten ſich mit den vom Kronprinzen empfohlnen. V. Eine der Anlagen, zu denen ich die Berechtigung gefordert hatte, iſt nach langem Zögern jetzt 1) in der Ausführung begriffen: der Nord-Oſtſee-Canal. Im Intereſſe der deutſchen Seemacht, die damals nur unter preußiſchem Namen entwicklungsfähig war, hatte ich, und nicht ich allein, einen hohen Werth auf die Herſtellung des Canals und den Beſitz und die Befeſtigung ſeiner beiden Mün¬ dungen gelegt. Das Verlangen, die Concentrirung der Streit¬ kräfte zur See vermittelſt Durchbrechung der Landſtrecke, die beide Meere trennt, möglich zu machen, war in Nachwirkung des beinahe krankhaften Flottenenthuſiasmus von 1848 noch ſehr leb¬ haft, ſchlief aber zeitweiſe ein, als wir freie Verfügung über das Territorium erworben hatten. In meinem Bemühn, das Intereſſe wieder zu erwecken, ſtieß ich auf Widerſpruch bei der Landes¬ vertheidigungs-Commiſſion, deren Vorſitzender der Kronprinz, deren eigentliche Spitze der Graf Moltke war. Letztrer erklärte als Mit¬ glied des Reichstags am 23. Juni 1873 2), der Canal werde nur im 1) D. h. zur Zeit der Niederſchrift dieſer Erinnerungen 1891/92. 2) Moltke's Reden. Werke VII 25 ff.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/53
Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/53>, abgerufen am 22.02.2025.