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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.

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Neunzehntes Kapitel: Schleswig-Holstein.
ich bestimmt, daß der Prinz keinen Falls nach Schleswig ein¬
fallen dürfe. W."

In einer Denkschrift vom 26. Februar 1864 bezeichnete der
Kronprinz folgende Forderungen Preußens als sachlich begründet1):
Rendsburg Bundesfestung, Kiel eine preußische Marinestation, Bei¬
tritt zum Zollverein, Bau eines Canals zwischen beiden Meeren
und eine Militär- und Marine-Convention mit Preußen; er hegte
die Hoffnung, daß der Erbprinz bereitwillig darauf eingehn werde.

Nachdem die preußischen Bevollmächtigten am 28. Mai 1864 auf
der Londoner Conferenz die Erklärung abgegeben hatten, daß die
deutschen Mächte die Constituirung Schleswig-Holsteins als eines
selbständigen Staates unter der Souveränetät des Erbprinzen von
Augustenburg begehrten, hatte ich mit dem Letztern am 1. Juni
1864, Abends von 9 bis 12 Uhr, in meiner Wohnung eine Be¬
sprechung, um festzustellen, ob ich dem Könige zur Vertretung
seiner Candidatur rathen könne. Die Unterredung drehte sich haupt¬
sächlich um die von dem Kronprinzen in der Denkschrift vom
26. Februar bezeichneten Punkte. Die Erwartung Seiner König¬
lichen Hoheit, daß der Erbprinz bereitwillig darauf eingehn würde,
fand ich nicht bestätigt. Die Substanz der Erklärungen des Letztern
ist von Sybel nach den Acten gegeben2). Am lebhaftesten widersprach
er den Landabtretungen behufs der Anlage von Befestigungen; sie
könnten sich ja auf eine Quadratmeile belaufen, meinte er. Ich
mußte unsre Forderung als abgelehnt, eine weitre Verhandlung
als aussichtslos betrachten, auf die der Prinz hinzudeuten schien,
indem er beim Abschiede sagte: "Wir sehn uns wohl noch" --

1) Sie fußt auf dem Schreiben des Erbprinzen Friedrich vom 19. Febr.
1864, bei Jansen-Samwer S. 705 ff.
2) Sybel III 337 ff.; zu vergleichen sind der Bericht Bismarck's über
diese Unterredung im Staatsanzeiger vom 2. Juli 1865, sowie die Aeuße¬
rungen in den Reden vom 13. Juni 1865 und 20. December 1866, Politische
Reden III 387. 389, IV 102 ff.; das Referat des Herzogs in Jansen-Samwer
S. 731 (vgl. S. 336 ff.).

Neunzehntes Kapitel: Schleswig-Holſtein.
ich beſtimmt, daß der Prinz keinen Falls nach Schleswig ein¬
fallen dürfe. W.“

In einer Denkſchrift vom 26. Februar 1864 bezeichnete der
Kronprinz folgende Forderungen Preußens als ſachlich begründet1):
Rendsburg Bundesfeſtung, Kiel eine preußiſche Marineſtation, Bei¬
tritt zum Zollverein, Bau eines Canals zwiſchen beiden Meeren
und eine Militär- und Marine-Convention mit Preußen; er hegte
die Hoffnung, daß der Erbprinz bereitwillig darauf eingehn werde.

Nachdem die preußiſchen Bevollmächtigten am 28. Mai 1864 auf
der Londoner Conferenz die Erklärung abgegeben hatten, daß die
deutſchen Mächte die Conſtituirung Schleswig-Holſteins als eines
ſelbſtändigen Staates unter der Souveränetät des Erbprinzen von
Auguſtenburg begehrten, hatte ich mit dem Letztern am 1. Juni
1864, Abends von 9 bis 12 Uhr, in meiner Wohnung eine Be¬
ſprechung, um feſtzuſtellen, ob ich dem Könige zur Vertretung
ſeiner Candidatur rathen könne. Die Unterredung drehte ſich haupt¬
ſächlich um die von dem Kronprinzen in der Denkſchrift vom
26. Februar bezeichneten Punkte. Die Erwartung Seiner König¬
lichen Hoheit, daß der Erbprinz bereitwillig darauf eingehn würde,
fand ich nicht beſtätigt. Die Subſtanz der Erklärungen des Letztern
iſt von Sybel nach den Acten gegeben2). Am lebhafteſten widerſprach
er den Landabtretungen behufs der Anlage von Befeſtigungen; ſie
könnten ſich ja auf eine Quadratmeile belaufen, meinte er. Ich
mußte unſre Forderung als abgelehnt, eine weitre Verhandlung
als ausſichtslos betrachten, auf die der Prinz hinzudeuten ſchien,
indem er beim Abſchiede ſagte: „Wir ſehn uns wohl noch“ —

1) Sie fußt auf dem Schreiben des Erbprinzen Friedrich vom 19. Febr.
1864, bei Janſen-Samwer S. 705 ff.
2) Sybel III 337 ff.; zu vergleichen ſind der Bericht Bismarck's über
dieſe Unterredung im Staatsanzeiger vom 2. Juli 1865, ſowie die Aeuße¬
rungen in den Reden vom 13. Juni 1865 und 20. December 1866, Politiſche
Reden III 387. 389, IV 102 ff.; das Referat des Herzogs in Janſen-Samwer
S. 731 (vgl. S. 336 ff.).
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[28/0052] Neunzehntes Kapitel: Schleswig-Holſtein. ich beſtimmt, daß der Prinz keinen Falls nach Schleswig ein¬ fallen dürfe. W.“ In einer Denkſchrift vom 26. Februar 1864 bezeichnete der Kronprinz folgende Forderungen Preußens als ſachlich begründet 1): Rendsburg Bundesfeſtung, Kiel eine preußiſche Marineſtation, Bei¬ tritt zum Zollverein, Bau eines Canals zwiſchen beiden Meeren und eine Militär- und Marine-Convention mit Preußen; er hegte die Hoffnung, daß der Erbprinz bereitwillig darauf eingehn werde. Nachdem die preußiſchen Bevollmächtigten am 28. Mai 1864 auf der Londoner Conferenz die Erklärung abgegeben hatten, daß die deutſchen Mächte die Conſtituirung Schleswig-Holſteins als eines ſelbſtändigen Staates unter der Souveränetät des Erbprinzen von Auguſtenburg begehrten, hatte ich mit dem Letztern am 1. Juni 1864, Abends von 9 bis 12 Uhr, in meiner Wohnung eine Be¬ ſprechung, um feſtzuſtellen, ob ich dem Könige zur Vertretung ſeiner Candidatur rathen könne. Die Unterredung drehte ſich haupt¬ ſächlich um die von dem Kronprinzen in der Denkſchrift vom 26. Februar bezeichneten Punkte. Die Erwartung Seiner König¬ lichen Hoheit, daß der Erbprinz bereitwillig darauf eingehn würde, fand ich nicht beſtätigt. Die Subſtanz der Erklärungen des Letztern iſt von Sybel nach den Acten gegeben 2). Am lebhafteſten widerſprach er den Landabtretungen behufs der Anlage von Befeſtigungen; ſie könnten ſich ja auf eine Quadratmeile belaufen, meinte er. Ich mußte unſre Forderung als abgelehnt, eine weitre Verhandlung als ausſichtslos betrachten, auf die der Prinz hinzudeuten ſchien, indem er beim Abſchiede ſagte: „Wir ſehn uns wohl noch“ — 1) Sie fußt auf dem Schreiben des Erbprinzen Friedrich vom 19. Febr. 1864, bei Janſen-Samwer S. 705 ff. 2) Sybel III 337 ff.; zu vergleichen ſind der Bericht Bismarck's über dieſe Unterredung im Staatsanzeiger vom 2. Juli 1865, ſowie die Aeuße¬ rungen in den Reden vom 13. Juni 1865 und 20. December 1866, Politiſche Reden III 387. 389, IV 102 ff.; das Referat des Herzogs in Janſen-Samwer S. 731 (vgl. S. 336 ff.).

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/52>, abgerufen am 22.11.2024.