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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.

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Neunzehntes Kapitel: Schleswig-Holstein.
bei welchem Ihre Berichte angelangt sind. Ich habe nicht die
Hoffnung, Sie zu überzeugen, aber ich habe das Vertrauen zu Ihrer
eignen dienstlichen Erfahrung und zu Ihrer Unparteilichkeit, daß
Sie mir zugeben werden, es kann nur Eine Politik auf einmal
gemacht werden, und das muß die sein, über welche das Ministerium
mit dem Könige einig ist. Wollen Sie dieselbe und damit das
Ministerium zu werfen suchen, so müssen Sie das hier in der
Kammer und der Presse an der Spitze der Opposition unternehmen,
aber nicht von Ihrer jetzigen Stellung aus; und dann muß ich
mich ebenfalls an Ihren Satz halten, daß in einem Conflict des
Patriotismus und der Freundschaft der Erstre entscheidet. Ich
kann Sie aber versichern, daß mein Patriotismus von so starker
und reiner Natur ist, daß eine Freundschaft, die neben ihm zu
kurz kommt, dennoch eine sehr herzliche sein kann"1).

II.

Die Abstufungen, welche in der dänischen Frage erreichbar
erschienen und deren jede für die Herzogthümer einen Fortschritt
zum Bessern im Vergleich mit dem vorhandenen Zustande bedeutete,
gipfelten m. E. in der Erwerbung der Herzogthümer für Preußen,
wie ich sofort nach dem Tode Friedrichs VII. in einem Conseil aus¬
gesprochen habe. Ich erinnerte den König daran, daß jeder seiner
nächsten Vorfahren -- selbst seinen Bruder nicht ausgenommen --
für den Staat einen Zuwachs gewonnen habe, Friedrich Wil¬
helm IV. Hohenzollern und das Jahdegebiet, Friedrich Wilhelm III.
die Rheinprovinz, Friedrich Wilhelm II. Polen, Friedrich II.
Schlesien, Friedrich Wilhelm I. Altvorpommern, der Große Kur¬
fürst Hinterpommern und Magdeburg, Minden u. s. w., und er¬
munterte ihn, ein Gleiches zu thun. In dem Protokolle fehlte diese

1) Vgl. Bismarck-Jahrbuch V 232 ff. Goltzens Antwort auf diesen Brief
mit Bismarck's Randbemerkungen s. im Bismarck-Jahrbuch V 238 ff.

Neunzehntes Kapitel: Schleswig-Holſtein.
bei welchem Ihre Berichte angelangt ſind. Ich habe nicht die
Hoffnung, Sie zu überzeugen, aber ich habe das Vertrauen zu Ihrer
eignen dienſtlichen Erfahrung und zu Ihrer Unparteilichkeit, daß
Sie mir zugeben werden, es kann nur Eine Politik auf einmal
gemacht werden, und das muß die ſein, über welche das Miniſterium
mit dem Könige einig iſt. Wollen Sie dieſelbe und damit das
Miniſterium zu werfen ſuchen, ſo müſſen Sie das hier in der
Kammer und der Preſſe an der Spitze der Oppoſition unternehmen,
aber nicht von Ihrer jetzigen Stellung aus; und dann muß ich
mich ebenfalls an Ihren Satz halten, daß in einem Conflict des
Patriotismus und der Freundſchaft der Erſtre entſcheidet. Ich
kann Sie aber verſichern, daß mein Patriotismus von ſo ſtarker
und reiner Natur iſt, daß eine Freundſchaft, die neben ihm zu
kurz kommt, dennoch eine ſehr herzliche ſein kann“1).

II.

Die Abſtufungen, welche in der däniſchen Frage erreichbar
erſchienen und deren jede für die Herzogthümer einen Fortſchritt
zum Beſſern im Vergleich mit dem vorhandenen Zuſtande bedeutete,
gipfelten m. E. in der Erwerbung der Herzogthümer für Preußen,
wie ich ſofort nach dem Tode Friedrichs VII. in einem Conſeil aus¬
geſprochen habe. Ich erinnerte den König daran, daß jeder ſeiner
nächſten Vorfahren — ſelbſt ſeinen Bruder nicht ausgenommen —
für den Staat einen Zuwachs gewonnen habe, Friedrich Wil¬
helm IV. Hohenzollern und das Jahdegebiet, Friedrich Wilhelm III.
die Rheinprovinz, Friedrich Wilhelm II. Polen, Friedrich II.
Schleſien, Friedrich Wilhelm I. Altvorpommern, der Große Kur¬
fürſt Hinterpommern und Magdeburg, Minden u. ſ. w., und er¬
munterte ihn, ein Gleiches zu thun. In dem Protokolle fehlte dieſe

1) Vgl. Bismarck-Jahrbuch V 232 ff. Goltzens Antwort auf dieſen Brief
mit Bismarck's Randbemerkungen ſ. im Bismarck-Jahrbuch V 238 ff.
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[8/0032] Neunzehntes Kapitel: Schleswig-Holſtein. bei welchem Ihre Berichte angelangt ſind. Ich habe nicht die Hoffnung, Sie zu überzeugen, aber ich habe das Vertrauen zu Ihrer eignen dienſtlichen Erfahrung und zu Ihrer Unparteilichkeit, daß Sie mir zugeben werden, es kann nur Eine Politik auf einmal gemacht werden, und das muß die ſein, über welche das Miniſterium mit dem Könige einig iſt. Wollen Sie dieſelbe und damit das Miniſterium zu werfen ſuchen, ſo müſſen Sie das hier in der Kammer und der Preſſe an der Spitze der Oppoſition unternehmen, aber nicht von Ihrer jetzigen Stellung aus; und dann muß ich mich ebenfalls an Ihren Satz halten, daß in einem Conflict des Patriotismus und der Freundſchaft der Erſtre entſcheidet. Ich kann Sie aber verſichern, daß mein Patriotismus von ſo ſtarker und reiner Natur iſt, daß eine Freundſchaft, die neben ihm zu kurz kommt, dennoch eine ſehr herzliche ſein kann“ 1). II. Die Abſtufungen, welche in der däniſchen Frage erreichbar erſchienen und deren jede für die Herzogthümer einen Fortſchritt zum Beſſern im Vergleich mit dem vorhandenen Zuſtande bedeutete, gipfelten m. E. in der Erwerbung der Herzogthümer für Preußen, wie ich ſofort nach dem Tode Friedrichs VII. in einem Conſeil aus¬ geſprochen habe. Ich erinnerte den König daran, daß jeder ſeiner nächſten Vorfahren — ſelbſt ſeinen Bruder nicht ausgenommen — für den Staat einen Zuwachs gewonnen habe, Friedrich Wil¬ helm IV. Hohenzollern und das Jahdegebiet, Friedrich Wilhelm III. die Rheinprovinz, Friedrich Wilhelm II. Polen, Friedrich II. Schleſien, Friedrich Wilhelm I. Altvorpommern, der Große Kur¬ fürſt Hinterpommern und Magdeburg, Minden u. ſ. w., und er¬ munterte ihn, ein Gleiches zu thun. In dem Protokolle fehlte dieſe 1) Vgl. Bismarck-Jahrbuch V 232 ff. Goltzens Antwort auf dieſen Brief mit Bismarck's Randbemerkungen ſ. im Bismarck-Jahrbuch V 238 ff.

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/32>, abgerufen am 20.11.2024.