Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

Opposition der Kaiserin. Wilhelms I. königliche Vornehmheit.
gesteigert, die ich bei pflichtmäßigem Vertreten meiner Ueberzeugung
in den Vorträgen durchzumachen hatte.

Der Kaiser hatte das Gefühl davon und machte in den letzten
Jahren seines Lebens mir gegenüber kein Geheimniß aus seinen
häuslichen Beziehungen, berieth mit mir, welche Wege und Formen
zu wählen seien, um seinen häuslichen Frieden ohne Schädigung
der Staatsinteressen zu schonen; "der Feuerkopf" pflegte der hohe
Herr in vertraulichen, aus Verdruß, Respect und Wohlwollen ge¬
mischten Stimmungen die Gemalin zu bezeichnen und diesen Aus¬
druck mit einer Handbewegung zu begleiten, die etwa sagen
wollte: "Ich kann nichts ändern". Ich fand diese Bezeichnung
außerordentlich treffend; die Königin war, so lange nicht physische
Gefahren drohten, eine muthige Frau, getragen von einem hohen
Pflichtgefühl, aber auf Grund ihres königlichen Empfindens ab¬
geneigt, andre Autoritäten als die ihrige gewähren zu lassen.

V.

Das Schwergewicht, das nach dem Antritt der Regent¬
schaft der Wille und die Ueberzeugung des Prinzen von Preußen
und spätern Kaisers auf dem außermilitärischen, dem politischen
Gebiete darstellte, war das eigenste Product der mächtigen und
vornehmen Natur, die diesem Fürsten, unabhängig von der ihm
zu Theil gewordenen Erziehung, angeboren war. Der Ausdruck
"königlich vornehm" ist prägnant für seine Erscheinung. Die Eitel¬
keit kann bei Monarchen ein Sporn zu Thaten und zur Arbeit
für das Glück ihrer Unterthanen sein. Friedrich der Große war
nicht frei davon; sein erster Thatendrang entsprang dem Verlangen
nach historischem Ruhm; ob diese Triebfeder gegen das Ende seiner
Regirung, wie man sagt, degenerirte, ob er dem Wunsche innerlich
Gehör gab, daß die Nachwelt den Unterschied zwischen seiner und
der folgenden Regirung merken möge, lasse ich unerörtert. Eine

Oppoſition der Kaiſerin. Wilhelms I. königliche Vornehmheit.
geſteigert, die ich bei pflichtmäßigem Vertreten meiner Ueberzeugung
in den Vorträgen durchzumachen hatte.

Der Kaiſer hatte das Gefühl davon und machte in den letzten
Jahren ſeines Lebens mir gegenüber kein Geheimniß aus ſeinen
häuslichen Beziehungen, berieth mit mir, welche Wege und Formen
zu wählen ſeien, um ſeinen häuslichen Frieden ohne Schädigung
der Staatsintereſſen zu ſchonen; „der Feuerkopf“ pflegte der hohe
Herr in vertraulichen, aus Verdruß, Reſpect und Wohlwollen ge¬
miſchten Stimmungen die Gemalin zu bezeichnen und dieſen Aus¬
druck mit einer Handbewegung zu begleiten, die etwa ſagen
wollte: „Ich kann nichts ändern“. Ich fand dieſe Bezeichnung
außerordentlich treffend; die Königin war, ſo lange nicht phyſiſche
Gefahren drohten, eine muthige Frau, getragen von einem hohen
Pflichtgefühl, aber auf Grund ihres königlichen Empfindens ab¬
geneigt, andre Autoritäten als die ihrige gewähren zu laſſen.

V.

Das Schwergewicht, das nach dem Antritt der Regent¬
ſchaft der Wille und die Ueberzeugung des Prinzen von Preußen
und ſpätern Kaiſers auf dem außermilitäriſchen, dem politiſchen
Gebiete darſtellte, war das eigenſte Product der mächtigen und
vornehmen Natur, die dieſem Fürſten, unabhängig von der ihm
zu Theil gewordenen Erziehung, angeboren war. Der Ausdruck
„königlich vornehm“ iſt prägnant für ſeine Erſcheinung. Die Eitel¬
keit kann bei Monarchen ein Sporn zu Thaten und zur Arbeit
für das Glück ihrer Unterthanen ſein. Friedrich der Große war
nicht frei davon; ſein erſter Thatendrang entſprang dem Verlangen
nach hiſtoriſchem Ruhm; ob dieſe Triebfeder gegen das Ende ſeiner
Regirung, wie man ſagt, degenerirte, ob er dem Wunſche innerlich
Gehör gab, daß die Nachwelt den Unterſchied zwiſchen ſeiner und
der folgenden Regirung merken möge, laſſe ich unerörtert. Eine

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0311" n="287"/><fw place="top" type="header">Oppo&#x017F;ition der Kai&#x017F;erin. Wilhelms <hi rendition="#aq">I</hi>. königliche Vornehmheit.<lb/></fw>ge&#x017F;teigert, die ich bei pflichtmäßigem Vertreten meiner Ueberzeugung<lb/>
in den Vorträgen durchzumachen hatte.</p><lb/>
          <p>Der Kai&#x017F;er hatte das Gefühl davon und machte in den letzten<lb/>
Jahren &#x017F;eines Lebens mir gegenüber kein Geheimniß aus &#x017F;einen<lb/>
häuslichen Beziehungen, berieth mit mir, welche Wege und Formen<lb/>
zu wählen &#x017F;eien, um &#x017F;einen häuslichen Frieden ohne Schädigung<lb/>
der Staatsintere&#x017F;&#x017F;en zu &#x017F;chonen; &#x201E;der Feuerkopf&#x201C; pflegte der hohe<lb/>
Herr in vertraulichen, aus Verdruß, Re&#x017F;pect und Wohlwollen ge¬<lb/>
mi&#x017F;chten Stimmungen die Gemalin zu bezeichnen und die&#x017F;en Aus¬<lb/>
druck mit einer Handbewegung zu begleiten, die etwa &#x017F;agen<lb/>
wollte: &#x201E;Ich kann nichts ändern&#x201C;. Ich fand die&#x017F;e Bezeichnung<lb/>
außerordentlich treffend; die Königin war, &#x017F;o lange nicht phy&#x017F;i&#x017F;che<lb/>
Gefahren drohten, eine muthige Frau, getragen von einem hohen<lb/>
Pflichtgefühl, aber auf Grund ihres königlichen Empfindens ab¬<lb/>
geneigt, andre Autoritäten als die ihrige gewähren zu la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#aq">V.</hi><lb/>
          </head>
          <p>Das Schwergewicht, das nach dem Antritt der Regent¬<lb/>
&#x017F;chaft der Wille und die Ueberzeugung des Prinzen von Preußen<lb/>
und &#x017F;pätern Kai&#x017F;ers auf dem außermilitäri&#x017F;chen, dem politi&#x017F;chen<lb/>
Gebiete dar&#x017F;tellte, war das eigen&#x017F;te Product der mächtigen und<lb/>
vornehmen Natur, die die&#x017F;em Für&#x017F;ten, unabhängig von der ihm<lb/>
zu Theil gewordenen Erziehung, angeboren war. Der Ausdruck<lb/>
&#x201E;königlich vornehm&#x201C; i&#x017F;t prägnant für &#x017F;eine Er&#x017F;cheinung. Die Eitel¬<lb/>
keit kann bei Monarchen ein Sporn zu Thaten und zur Arbeit<lb/>
für das Glück ihrer Unterthanen &#x017F;ein. Friedrich der Große war<lb/>
nicht frei davon; &#x017F;ein er&#x017F;ter Thatendrang ent&#x017F;prang dem Verlangen<lb/>
nach hi&#x017F;tori&#x017F;chem Ruhm; ob die&#x017F;e Triebfeder gegen das Ende &#x017F;einer<lb/>
Regirung, wie man &#x017F;agt, degenerirte, ob er dem Wun&#x017F;che innerlich<lb/>
Gehör gab, daß die Nachwelt den Unter&#x017F;chied zwi&#x017F;chen &#x017F;einer und<lb/>
der folgenden Regirung merken möge, la&#x017F;&#x017F;e ich unerörtert. Eine<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[287/0311] Oppoſition der Kaiſerin. Wilhelms I. königliche Vornehmheit. geſteigert, die ich bei pflichtmäßigem Vertreten meiner Ueberzeugung in den Vorträgen durchzumachen hatte. Der Kaiſer hatte das Gefühl davon und machte in den letzten Jahren ſeines Lebens mir gegenüber kein Geheimniß aus ſeinen häuslichen Beziehungen, berieth mit mir, welche Wege und Formen zu wählen ſeien, um ſeinen häuslichen Frieden ohne Schädigung der Staatsintereſſen zu ſchonen; „der Feuerkopf“ pflegte der hohe Herr in vertraulichen, aus Verdruß, Reſpect und Wohlwollen ge¬ miſchten Stimmungen die Gemalin zu bezeichnen und dieſen Aus¬ druck mit einer Handbewegung zu begleiten, die etwa ſagen wollte: „Ich kann nichts ändern“. Ich fand dieſe Bezeichnung außerordentlich treffend; die Königin war, ſo lange nicht phyſiſche Gefahren drohten, eine muthige Frau, getragen von einem hohen Pflichtgefühl, aber auf Grund ihres königlichen Empfindens ab¬ geneigt, andre Autoritäten als die ihrige gewähren zu laſſen. V. Das Schwergewicht, das nach dem Antritt der Regent¬ ſchaft der Wille und die Ueberzeugung des Prinzen von Preußen und ſpätern Kaiſers auf dem außermilitäriſchen, dem politiſchen Gebiete darſtellte, war das eigenſte Product der mächtigen und vornehmen Natur, die dieſem Fürſten, unabhängig von der ihm zu Theil gewordenen Erziehung, angeboren war. Der Ausdruck „königlich vornehm“ iſt prägnant für ſeine Erſcheinung. Die Eitel¬ keit kann bei Monarchen ein Sporn zu Thaten und zur Arbeit für das Glück ihrer Unterthanen ſein. Friedrich der Große war nicht frei davon; ſein erſter Thatendrang entſprang dem Verlangen nach hiſtoriſchem Ruhm; ob dieſe Triebfeder gegen das Ende ſeiner Regirung, wie man ſagt, degenerirte, ob er dem Wunſche innerlich Gehör gab, daß die Nachwelt den Unterſchied zwiſchen ſeiner und der folgenden Regirung merken möge, laſſe ich unerörtert. Eine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/311
Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/311>, abgerufen am 22.12.2024.