Die Prinzessin Augusta vertrat unter Friedrich Wilhelm IV. in der Regel den Gegensatz zur Regirungspolitik; die Neue Aera der Regentschaft sah sie als ihr Ministerium an, wenigstens bis zum Rücktritt des Herrn von Schleinitz. Es lebte in ihr vorher und später ein Bedürfniß des Widerspruchs gegen die jedesmalige Hal¬ tung der Regirung ihres Schwagers und später ihres Gemals. Ihr Einfluß wechselte und zwar so, daß derselbe bis auf die letzten Lebensjahre stets gegen die Minister in's Gewicht fiel. War die Regirungspolitik conservativ, so wurden die liberalen Personen und Bestrebungen in den häuslichen Kreisen der hohen Frau ausgezeichnet und gefördert; befand sich die Regirung des Kaisers in ihrer Arbeit zur Befestigung des neuen Reiches auf liberalen Wegen, so neigte die Gunst mehr nach der Seite der conservativen und nament¬ lich der katholischen Elemente, deren Unterstützung, da sie unter einer evangelischen Dynastie sich häufig und bis zu gewissen Grenzen regelmäßig in der Opposition befanden, überhaupt der Kaiserin nahe lag. In den Perioden, wo unsre auswärtige Politik mit Oestreich Hand in Hand gehn konnte, war die Stimmung gegen Oestreich unfreundlich und fremd; bedingte unsre Politik den Widerstreit gegen Oestreich, so fanden dessen Interessen Vertretung durch die Königin und zwar bis in die Anfänge des Krieges 1866 hinein. Während an der böhmischen Grenze schon gefochten wurde, fanden in Berlin unter dem Patronate Ihrer Majestät durch das Organ von Schleinitz noch Beziehungen und Unterhandlungen bedenklicher Natur statt. Herr von Schleinitz hatte, seit ich Minister des Aeußern und er selbst Minister des königlichen Hauses ge¬ worden, das Amt einer Art Gegenministers der Königin, um Ihrer Majestät Material zur Kritik und zur Beeinflussung des Königs zu liefern. Er hatte zu diesem Behufe die Verbindungen benutzt, die er in der Zeit, wo er mein Vorgänger war, im Wege
Seine Furchtloſigkeit. Prinzeſſin Auguſta.
IV.
Die Prinzeſſin Auguſta vertrat unter Friedrich Wilhelm IV. in der Regel den Gegenſatz zur Regirungspolitik; die Neue Aera der Regentſchaft ſah ſie als ihr Miniſterium an, wenigſtens bis zum Rücktritt des Herrn von Schleinitz. Es lebte in ihr vorher und ſpäter ein Bedürfniß des Widerſpruchs gegen die jedesmalige Hal¬ tung der Regirung ihres Schwagers und ſpäter ihres Gemals. Ihr Einfluß wechſelte und zwar ſo, daß derſelbe bis auf die letzten Lebensjahre ſtets gegen die Miniſter in's Gewicht fiel. War die Regirungspolitik conſervativ, ſo wurden die liberalen Perſonen und Beſtrebungen in den häuslichen Kreiſen der hohen Frau ausgezeichnet und gefördert; befand ſich die Regirung des Kaiſers in ihrer Arbeit zur Befeſtigung des neuen Reiches auf liberalen Wegen, ſo neigte die Gunſt mehr nach der Seite der conſervativen und nament¬ lich der katholiſchen Elemente, deren Unterſtützung, da ſie unter einer evangeliſchen Dynaſtie ſich häufig und bis zu gewiſſen Grenzen regelmäßig in der Oppoſition befanden, überhaupt der Kaiſerin nahe lag. In den Perioden, wo unſre auswärtige Politik mit Oeſtreich Hand in Hand gehn konnte, war die Stimmung gegen Oeſtreich unfreundlich und fremd; bedingte unſre Politik den Widerſtreit gegen Oeſtreich, ſo fanden deſſen Intereſſen Vertretung durch die Königin und zwar bis in die Anfänge des Krieges 1866 hinein. Während an der böhmiſchen Grenze ſchon gefochten wurde, fanden in Berlin unter dem Patronate Ihrer Majeſtät durch das Organ von Schleinitz noch Beziehungen und Unterhandlungen bedenklicher Natur ſtatt. Herr von Schleinitz hatte, ſeit ich Miniſter des Aeußern und er ſelbſt Miniſter des königlichen Hauſes ge¬ worden, das Amt einer Art Gegenminiſters der Königin, um Ihrer Majeſtät Material zur Kritik und zur Beeinfluſſung des Königs zu liefern. Er hatte zu dieſem Behufe die Verbindungen benutzt, die er in der Zeit, wo er mein Vorgänger war, im Wege
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Seine Furchtloſigkeit. Prinzeſſin Auguſta.
IV.
Die Prinzeſſin Auguſta vertrat unter Friedrich Wilhelm IV. in
der Regel den Gegenſatz zur Regirungspolitik; die Neue Aera der
Regentſchaft ſah ſie als ihr Miniſterium an, wenigſtens bis zum
Rücktritt des Herrn von Schleinitz. Es lebte in ihr vorher und
ſpäter ein Bedürfniß des Widerſpruchs gegen die jedesmalige Hal¬
tung der Regirung ihres Schwagers und ſpäter ihres Gemals.
Ihr Einfluß wechſelte und zwar ſo, daß derſelbe bis auf die letzten
Lebensjahre ſtets gegen die Miniſter in's Gewicht fiel. War die
Regirungspolitik conſervativ, ſo wurden die liberalen Perſonen und
Beſtrebungen in den häuslichen Kreiſen der hohen Frau ausgezeichnet
und gefördert; befand ſich die Regirung des Kaiſers in ihrer
Arbeit zur Befeſtigung des neuen Reiches auf liberalen Wegen, ſo
neigte die Gunſt mehr nach der Seite der conſervativen und nament¬
lich der katholiſchen Elemente, deren Unterſtützung, da ſie unter einer
evangeliſchen Dynaſtie ſich häufig und bis zu gewiſſen Grenzen
regelmäßig in der Oppoſition befanden, überhaupt der Kaiſerin
nahe lag. In den Perioden, wo unſre auswärtige Politik mit
Oeſtreich Hand in Hand gehn konnte, war die Stimmung gegen
Oeſtreich unfreundlich und fremd; bedingte unſre Politik den
Widerſtreit gegen Oeſtreich, ſo fanden deſſen Intereſſen Vertretung
durch die Königin und zwar bis in die Anfänge des Krieges 1866
hinein. Während an der böhmiſchen Grenze ſchon gefochten wurde,
fanden in Berlin unter dem Patronate Ihrer Majeſtät durch das
Organ von Schleinitz noch Beziehungen und Unterhandlungen
bedenklicher Natur ſtatt. Herr von Schleinitz hatte, ſeit ich Miniſter
des Aeußern und er ſelbſt Miniſter des königlichen Hauſes ge¬
worden, das Amt einer Art Gegenminiſters der Königin, um
Ihrer Majeſtät Material zur Kritik und zur Beeinfluſſung des
Königs zu liefern. Er hatte zu dieſem Behufe die Verbindungen
benutzt, die er in der Zeit, wo er mein Vorgänger war, im Wege
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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/307>, abgerufen am 22.12.2024.
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