Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.Neunundzwanzigstes Kapitel: Der Dreibund. Betreff der Beziehungen zu Rußland bemerke ich allerunterthänigst,daß die Gefahr kriegerischer Verwicklungen, welche auch ich nicht nur politisch, sondern auch persönlich auf das Tiefste beklagen würde, nach meinem ehrfurchtsvollen Dafürhalten nicht unmittelbar bevorsteht, uns vielmehr nur dann nähertreten würde, wenn Frank¬ reich zu einem gemeinsamen Vorgehn mit Rußland bereit wäre. Dies ist bisher nicht der Fall, und unsre Politik wird nach den Intentionen Seiner Majestät des Kaisers nichts unterlassen, um den Frieden des Reichs mit Rußland durch Einwirkung auf Seine Majestät den Kaiser Alexander nach wie vor zu pflegen und zu befestigen. Die Verhandlungen über einen engern gegenseitigen Anschluß mit Oestreich haben nur friedliche, defensive Ziele und daneben die Förderung der nachbarlichen Verkehrsverhältnisse zum Ziele. In der Absicht, Gastein morgen zu verlassen, hoffe ich am Mit unterthänigstem Danke für Eurer Majestät huldreiche V. Auf der langen Fahrt von Gastein über Salzburg und Linz Neunundzwanzigſtes Kapitel: Der Dreibund. Betreff der Beziehungen zu Rußland bemerke ich allerunterthänigſt,daß die Gefahr kriegeriſcher Verwicklungen, welche auch ich nicht nur politiſch, ſondern auch perſönlich auf das Tiefſte beklagen würde, nach meinem ehrfurchtsvollen Dafürhalten nicht unmittelbar bevorſteht, uns vielmehr nur dann nähertreten würde, wenn Frank¬ reich zu einem gemeinſamen Vorgehn mit Rußland bereit wäre. Dies iſt bisher nicht der Fall, und unſre Politik wird nach den Intentionen Seiner Majeſtät des Kaiſers nichts unterlaſſen, um den Frieden des Reichs mit Rußland durch Einwirkung auf Seine Majeſtät den Kaiſer Alexander nach wie vor zu pflegen und zu befeſtigen. Die Verhandlungen über einen engern gegenſeitigen Anſchluß mit Oeſtreich haben nur friedliche, defenſive Ziele und daneben die Förderung der nachbarlichen Verkehrsverhältniſſe zum Ziele. In der Abſicht, Gaſtein morgen zu verlaſſen, hoffe ich am Mit unterthänigſtem Danke für Eurer Majeſtät huldreiche V. Auf der langen Fahrt von Gaſtein über Salzburg und Linz <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0268" n="244"/><fw place="top" type="header">Neunundzwanzigſtes Kapitel: Der Dreibund.<lb/></fw> Betreff der Beziehungen zu Rußland bemerke ich allerunterthänigſt,<lb/> daß die Gefahr kriegeriſcher Verwicklungen, welche auch ich nicht<lb/> nur politiſch, ſondern auch perſönlich auf das Tiefſte beklagen<lb/> würde, nach meinem ehrfurchtsvollen Dafürhalten nicht unmittelbar<lb/> bevorſteht, uns vielmehr nur dann nähertreten würde, wenn Frank¬<lb/> reich zu einem gemeinſamen Vorgehn mit Rußland bereit wäre.<lb/> Dies iſt bisher nicht der Fall, und unſre Politik wird nach den<lb/> Intentionen Seiner Majeſtät des Kaiſers nichts unterlaſſen, um<lb/> den Frieden des Reichs mit Rußland durch Einwirkung auf Seine<lb/> Majeſtät den Kaiſer Alexander nach wie vor zu pflegen und zu<lb/> befeſtigen. Die Verhandlungen über einen engern gegenſeitigen<lb/> Anſchluß mit Oeſtreich haben nur friedliche, defenſive Ziele und<lb/> daneben die Förderung der nachbarlichen Verkehrsverhältniſſe zum<lb/> Ziele.</p><lb/> <p>In der Abſicht, Gaſtein morgen zu verlaſſen, hoffe ich am<lb/> Sonntag in Wien einzutreffen.</p><lb/> <p>Mit unterthänigſtem Danke für Eurer Majeſtät huldreiche<lb/> Theilnahme an meiner Geſundheit verharre ich in tiefſter Ehrfurcht<lb/><hi rendition="#right">Eurer Majeſtät<lb/> unterthänigſter Diener<lb/> v. Bismarck.“</hi></p><lb/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#aq">V.</hi><lb/> </head> <p>Auf der langen Fahrt von Gaſtein über Salzburg und Linz<lb/> wurde mein Bewußtſein, daß ich mich auf rein deutſchem Gebiete<lb/> und unter deutſcher Bevölkerung befand, durch die entgegenkommende<lb/> Haltung des Publikums auf den Stationen vertieft. In Linz war<lb/> die Maſſe ſo groß und ihre Stimmung ſo erregt, daß ich aus<lb/> Beſorgniß, in Wiener Kreiſen Mißverſtändniſſe zu erregen, die<lb/> Vorhänge der Fenſter meines Wagens vorzog, auf keine der wohl¬<lb/> wollenden Kundgebungen reagirte und abfuhr, ohne mich gezeigt zu<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [244/0268]
Neunundzwanzigſtes Kapitel: Der Dreibund.
Betreff der Beziehungen zu Rußland bemerke ich allerunterthänigſt,
daß die Gefahr kriegeriſcher Verwicklungen, welche auch ich nicht
nur politiſch, ſondern auch perſönlich auf das Tiefſte beklagen
würde, nach meinem ehrfurchtsvollen Dafürhalten nicht unmittelbar
bevorſteht, uns vielmehr nur dann nähertreten würde, wenn Frank¬
reich zu einem gemeinſamen Vorgehn mit Rußland bereit wäre.
Dies iſt bisher nicht der Fall, und unſre Politik wird nach den
Intentionen Seiner Majeſtät des Kaiſers nichts unterlaſſen, um
den Frieden des Reichs mit Rußland durch Einwirkung auf Seine
Majeſtät den Kaiſer Alexander nach wie vor zu pflegen und zu
befeſtigen. Die Verhandlungen über einen engern gegenſeitigen
Anſchluß mit Oeſtreich haben nur friedliche, defenſive Ziele und
daneben die Förderung der nachbarlichen Verkehrsverhältniſſe zum
Ziele.
In der Abſicht, Gaſtein morgen zu verlaſſen, hoffe ich am
Sonntag in Wien einzutreffen.
Mit unterthänigſtem Danke für Eurer Majeſtät huldreiche
Theilnahme an meiner Geſundheit verharre ich in tiefſter Ehrfurcht
Eurer Majeſtät
unterthänigſter Diener
v. Bismarck.“
V.
Auf der langen Fahrt von Gaſtein über Salzburg und Linz
wurde mein Bewußtſein, daß ich mich auf rein deutſchem Gebiete
und unter deutſcher Bevölkerung befand, durch die entgegenkommende
Haltung des Publikums auf den Stationen vertieft. In Linz war
die Maſſe ſo groß und ihre Stimmung ſo erregt, daß ich aus
Beſorgniß, in Wiener Kreiſen Mißverſtändniſſe zu erregen, die
Vorhänge der Fenſter meines Wagens vorzog, auf keine der wohl¬
wollenden Kundgebungen reagirte und abfuhr, ohne mich gezeigt zu
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Zitationshilfe: | Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/268>, abgerufen am 22.02.2025. |