Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.Beantwortung der Frage. Reichstadter Convention. Türkenkrieg. uns geheim zu halten. Diese Convention1), nicht der BerlinerCongreß, ist die Grundlage des östreichischen Besitzes an Bosnien und der Herzegowina und hat den Russen während ihres Krieges mit den Türken die Neutralität Oestreichs gesichert. II. Daß das russische Cabinet in den Abmachungen von Reich¬ 1) Abgeschlossen am 15. Januar 1877.
Beantwortung der Frage. Reichſtadter Convention. Türkenkrieg. uns geheim zu halten. Dieſe Convention1), nicht der BerlinerCongreß, iſt die Grundlage des öſtreichiſchen Beſitzes an Bosnien und der Herzegowina und hat den Ruſſen während ihres Krieges mit den Türken die Neutralität Oeſtreichs geſichert. II. Daß das ruſſiſche Cabinet in den Abmachungen von Reich¬ 1) Abgeſchloſſen am 15. Januar 1877.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0239" n="215"/><fw place="top" type="header">Beantwortung der Frage. Reichſtadter Convention. Türkenkrieg.<lb/></fw>uns geheim zu halten. Dieſe Convention<note place="foot" n="1)">Abgeſchloſſen am 15. Januar 1877.</note>, nicht der Berliner<lb/> Congreß, iſt die Grundlage des öſtreichiſchen Beſitzes an Bosnien<lb/> und der Herzegowina und hat den Ruſſen während ihres Krieges<lb/> mit den Türken die Neutralität Oeſtreichs geſichert.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#aq">II.</hi><lb/> </head> <p>Daß das ruſſiſche Cabinet in den Abmachungen von Reich¬<lb/> ſtadt den Oeſtreichern für ihre Neutralität die Erwerbung Bosniens<lb/> zugeſtanden hat, läßt annehmen, daß Herr von Oubril uns nicht<lb/> die Wahrheit ſagte, indem er verſicherte, es werde ſich in dem<lb/> Balkankriege nur um eine <hi rendition="#aq">promenade militaire</hi>, um Beſchäftigung<lb/> des <hi rendition="#aq">trop plein</hi> des Heeres und um Roßſchweife und Georgenkreuze<lb/> handeln; dafür wäre Bosnien ein zu hoher Preis geweſen. Wahr¬<lb/> ſcheinlich hatte man in Petersburg darauf gerechnet, daß Bulgarien,<lb/> wenn von der Türkei losgelöſt, dauernd in Abhängigkeit von Rußland<lb/> bleiben werde. Dieſe Berechnung würde wahrſcheinlich auch dann nicht<lb/> zugetroffen ſein, wenn der Friede von San Stefano ungeſchmälert zur<lb/> Ausführung gekommen wäre. Um nicht vor dem eignen Volke für<lb/> dieſen Irrthum verantwortlich zu ſein, hat man ſich mit Erfolg be¬<lb/> müht, der deutſchen Politik, der „Untreue“ des deutſchen Freundes die<lb/> Schuld für den unbefriedigenden Ausgang des Krieges aufzubürden.<lb/> Es war das eine unehrliche Fiction; wir hatten niemals etwas Andres<lb/> in Ausſicht geſtellt als wohlwollende Neutralität, und wie ehrlich<lb/> wir es damit gemeint haben, ergibt ſich ſchon daraus, daß wir uns<lb/> durch die von Rußland verlangte Geheimhaltung der Reichſtadter<lb/> Abmachungen vor uns in unſerm Vertrauen und Wohlwollen für<lb/> Rußland nicht irre machen ließen, ſondern bereitwillig dem Wunſche,<lb/> den der Graf Peter Schuwalow mir nach Friedrichsruh überbrachte,<lb/> entgegen kamen, einen Congreß nach Berlin zu berufen. Der Wunſch<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [215/0239]
Beantwortung der Frage. Reichſtadter Convention. Türkenkrieg.
uns geheim zu halten. Dieſe Convention 1), nicht der Berliner
Congreß, iſt die Grundlage des öſtreichiſchen Beſitzes an Bosnien
und der Herzegowina und hat den Ruſſen während ihres Krieges
mit den Türken die Neutralität Oeſtreichs geſichert.
II.
Daß das ruſſiſche Cabinet in den Abmachungen von Reich¬
ſtadt den Oeſtreichern für ihre Neutralität die Erwerbung Bosniens
zugeſtanden hat, läßt annehmen, daß Herr von Oubril uns nicht
die Wahrheit ſagte, indem er verſicherte, es werde ſich in dem
Balkankriege nur um eine promenade militaire, um Beſchäftigung
des trop plein des Heeres und um Roßſchweife und Georgenkreuze
handeln; dafür wäre Bosnien ein zu hoher Preis geweſen. Wahr¬
ſcheinlich hatte man in Petersburg darauf gerechnet, daß Bulgarien,
wenn von der Türkei losgelöſt, dauernd in Abhängigkeit von Rußland
bleiben werde. Dieſe Berechnung würde wahrſcheinlich auch dann nicht
zugetroffen ſein, wenn der Friede von San Stefano ungeſchmälert zur
Ausführung gekommen wäre. Um nicht vor dem eignen Volke für
dieſen Irrthum verantwortlich zu ſein, hat man ſich mit Erfolg be¬
müht, der deutſchen Politik, der „Untreue“ des deutſchen Freundes die
Schuld für den unbefriedigenden Ausgang des Krieges aufzubürden.
Es war das eine unehrliche Fiction; wir hatten niemals etwas Andres
in Ausſicht geſtellt als wohlwollende Neutralität, und wie ehrlich
wir es damit gemeint haben, ergibt ſich ſchon daraus, daß wir uns
durch die von Rußland verlangte Geheimhaltung der Reichſtadter
Abmachungen vor uns in unſerm Vertrauen und Wohlwollen für
Rußland nicht irre machen ließen, ſondern bereitwillig dem Wunſche,
den der Graf Peter Schuwalow mir nach Friedrichsruh überbrachte,
entgegen kamen, einen Congreß nach Berlin zu berufen. Der Wunſch
1) Abgeſchloſſen am 15. Januar 1877.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |