Ministerium Gladstone. Differenz mit B. Eulenburg.
ist gescheidt, elegant, eine vornehmere Natur als Harry von Arnim, glatter polirt als Robert Goltz; aber ich habe auch mit ihm das Erlebniß gehabt, daß begabte Mitarbeiter und eventuelle Nach¬ folger, die ich heranzuziehn suchte, mir ihr Wohlwollen nicht dauernd bewahrten.
Meine Beziehungen zu ihm wurden zuerst geschädigt durch einen Ausbruch der Empfindlichkeit, die bei ihm äußerlich durch die volle Höflichkeit guter Erziehung verdeckt wurde, aber doch von einer für den geläufigen und vertraulichen Geschäftsverkehr störenden Schärfe war. Mein damaliger Beistand für vertrauliche Geschäfte, der Ge¬ heim-Rath Tiedemann, veranlaßte durch die Form, in der er einen Auftrag während meiner Abwesenheit von Berlin bei dem Grafen ausrichtete, diesen zu einer mir unerwarteten brieflichen Explosion. Da mein Auftrag an Tiedemann ein sachliches und noch lebendiges Interesse hat, so lasse ich die Correspondenz folgen.
"Kissingen, den 15. August 1878.
Eure Hochwohlgeboren bitte ich, Herrn Minister Grafen Eulen¬ burg und Herrn Geheim-Rath Hahn mein Bedauern darüber aus¬ zusprechen, daß der Entwurf des Socialistengesetzes in der Provinzial- Correspondenz amtlich publicirt worden ist, bevor er im Bundesrath vorgelegt war. Die Veröffentlichung präjudicirt jeder Amendirung durch uns und ist für Baiern und andre Dissentirende verletzend. Nach meinen Verhandlungen von hier aus mit Baiern muß ich annehmen, daß letztres an seinem Widerspruche gegen das Reichs¬ amt unbedingt festhält. Würtemberg und, wie ich höre, auch Sachsen widersprechen dem Reichsamt nicht im Prinzip, wohl aber an¬ gebrachter Maßen, indem sie die Zuziehung von Richtern perhorres¬ ciren. Diesem Widerspruche kann ich mich persönlich nur anschließen. Es handelt sich nicht um richterliche, sondern um politische Functionen, und auch das preußische Ministerium darf in seinen Vorentscheidungen nicht einem richterlichen Collegium unterstellt und auf diese Weise für alle Zukunft in seiner politischen Bewegung gegen den Socialis¬
Miniſterium Gladſtone. Differenz mit B. Eulenburg.
iſt geſcheidt, elegant, eine vornehmere Natur als Harry von Arnim, glatter polirt als Robert Goltz; aber ich habe auch mit ihm das Erlebniß gehabt, daß begabte Mitarbeiter und eventuelle Nach¬ folger, die ich heranzuziehn ſuchte, mir ihr Wohlwollen nicht dauernd bewahrten.
Meine Beziehungen zu ihm wurden zuerſt geſchädigt durch einen Ausbruch der Empfindlichkeit, die bei ihm äußerlich durch die volle Höflichkeit guter Erziehung verdeckt wurde, aber doch von einer für den geläufigen und vertraulichen Geſchäftsverkehr ſtörenden Schärfe war. Mein damaliger Beiſtand für vertrauliche Geſchäfte, der Ge¬ heim-Rath Tiedemann, veranlaßte durch die Form, in der er einen Auftrag während meiner Abweſenheit von Berlin bei dem Grafen ausrichtete, dieſen zu einer mir unerwarteten brieflichen Exploſion. Da mein Auftrag an Tiedemann ein ſachliches und noch lebendiges Intereſſe hat, ſo laſſe ich die Correſpondenz folgen.
„Kiſſingen, den 15. Auguſt 1878.
Eure Hochwohlgeboren bitte ich, Herrn Miniſter Grafen Eulen¬ burg und Herrn Geheim-Rath Hahn mein Bedauern darüber aus¬ zuſprechen, daß der Entwurf des Socialiſtengeſetzes in der Provinzial- Correſpondenz amtlich publicirt worden iſt, bevor er im Bundesrath vorgelegt war. Die Veröffentlichung präjudicirt jeder Amendirung durch uns und iſt für Baiern und andre Diſſentirende verletzend. Nach meinen Verhandlungen von hier aus mit Baiern muß ich annehmen, daß letztres an ſeinem Widerſpruche gegen das Reichs¬ amt unbedingt feſthält. Würtemberg und, wie ich höre, auch Sachſen widerſprechen dem Reichsamt nicht im Prinzip, wohl aber an¬ gebrachter Maßen, indem ſie die Zuziehung von Richtern perhorres¬ ciren. Dieſem Widerſpruche kann ich mich perſönlich nur anſchließen. Es handelt ſich nicht um richterliche, ſondern um politiſche Functionen, und auch das preußiſche Miniſterium darf in ſeinen Vorentſcheidungen nicht einem richterlichen Collegium unterſtellt und auf dieſe Weiſe für alle Zukunft in ſeiner politiſchen Bewegung gegen den Socialis¬
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Miniſterium Gladſtone. Differenz mit B. Eulenburg.
iſt geſcheidt, elegant, eine vornehmere Natur als Harry von Arnim,
glatter polirt als Robert Goltz; aber ich habe auch mit ihm das
Erlebniß gehabt, daß begabte Mitarbeiter und eventuelle Nach¬
folger, die ich heranzuziehn ſuchte, mir ihr Wohlwollen nicht dauernd
bewahrten.
Meine Beziehungen zu ihm wurden zuerſt geſchädigt durch einen
Ausbruch der Empfindlichkeit, die bei ihm äußerlich durch die volle
Höflichkeit guter Erziehung verdeckt wurde, aber doch von einer für
den geläufigen und vertraulichen Geſchäftsverkehr ſtörenden Schärfe
war. Mein damaliger Beiſtand für vertrauliche Geſchäfte, der Ge¬
heim-Rath Tiedemann, veranlaßte durch die Form, in der er einen
Auftrag während meiner Abweſenheit von Berlin bei dem Grafen
ausrichtete, dieſen zu einer mir unerwarteten brieflichen Exploſion.
Da mein Auftrag an Tiedemann ein ſachliches und noch lebendiges
Intereſſe hat, ſo laſſe ich die Correſpondenz folgen.
„Kiſſingen, den 15. Auguſt 1878.
Eure Hochwohlgeboren bitte ich, Herrn Miniſter Grafen Eulen¬
burg und Herrn Geheim-Rath Hahn mein Bedauern darüber aus¬
zuſprechen, daß der Entwurf des Socialiſtengeſetzes in der Provinzial-
Correſpondenz amtlich publicirt worden iſt, bevor er im Bundesrath
vorgelegt war. Die Veröffentlichung präjudicirt jeder Amendirung
durch uns und iſt für Baiern und andre Diſſentirende verletzend.
Nach meinen Verhandlungen von hier aus mit Baiern muß ich
annehmen, daß letztres an ſeinem Widerſpruche gegen das Reichs¬
amt unbedingt feſthält. Würtemberg und, wie ich höre, auch Sachſen
widerſprechen dem Reichsamt nicht im Prinzip, wohl aber an¬
gebrachter Maßen, indem ſie die Zuziehung von Richtern perhorres¬
ciren. Dieſem Widerſpruche kann ich mich perſönlich nur anſchließen.
Es handelt ſich nicht um richterliche, ſondern um politiſche Functionen,
und auch das preußiſche Miniſterium darf in ſeinen Vorentſcheidungen
nicht einem richterlichen Collegium unterſtellt und auf dieſe Weiſe
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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/213>, abgerufen am 16.02.2025.
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