Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.Verbündete der Nationalliberalen im Ministerium. Ich war sicher, daß der Kronprinz, auch wenn alle meine "Die Slaven in Oesterreich haben mir das beiläufig nie von Verbündete der Nationalliberalen im Miniſterium. Ich war ſicher, daß der Kronprinz, auch wenn alle meine „Die Slaven in Oeſterreich haben mir das beiläufig nie von <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0211" n="187"/> <fw place="top" type="header">Verbündete der Nationalliberalen im Miniſterium.<lb/></fw> <p>Ich war ſicher, daß der Kronprinz, auch wenn alle meine<lb/> Collegen andrer Anſicht geweſen wären, die meinige annehmen<lb/> werde, abgeſehn von der Zuſtimmung, die ich unter den 20 oder<lb/> mehr zugezogenen Generalen und Beamten, wenigſtens bei den<lb/> erſtern fand. Wenn ich überhaupt Miniſter bleiben wollte, was<lb/> ja eine Opportunitätsfrage geſchäftlicher ſowohl wie perſönlicher<lb/> Natur war, die ich bei eigner Prüfung mir bejahte, ſo befand ich<lb/> mich im Stande der Nothwehr und mußte ſuchen, eine Aenderung<lb/> der Situation im Parlament und in dem Perſonalbeſtande meiner<lb/> Collegen herbeizuführen. Miniſter bleiben wollte ich, weil ich, wenn<lb/> der ſchwer verwundete Kaiſer am Leben bliebe, was bei dem ſtarken<lb/> Blutverluſt in ſeinem hohen Alter noch unſicher, feſt entſchloſſen<lb/> war, ihn nicht gegen ſeinen Willen zu verlaſſen, und es als Gewiſſens¬<lb/> pflicht anſah, wenn er ſtürbe, ſeinem Nachfolger die Dienſte, die<lb/> ich ihm vermöge des Vertrauens und der Erfahrung, die ich mir<lb/> erworben hatte, leiſten konnte, nicht gegen ſeinen Willen zu ver¬<lb/> ſagen. Nicht ich habe Händel mit den Nationalliberalen geſucht,<lb/> ſondern ſie haben im Complot mit meinen Collegen mich an die<lb/> Wand zu drängen verſucht. Die geſchmackloſe und widerliche Redens¬<lb/> art von dem „an die Wand drücken, bis ſie quietſchten“, hat niemals<lb/> in meinem Denken, geſchweige denn auf meiner Lippe Platz ge¬<lb/> funden — eine der lügenhaften Erfindungen, mit denen man poli¬<lb/> tiſchen Gegnern Schaden zu thun ſucht. Obenein war dieſe Redens¬<lb/> art nicht einmal eignes Product derer, welche ſie verbreiteten, ſon¬<lb/> dern ein ungeſchicktes Plagiat. Graf Beuſt erzählt in ſeinen Me¬<lb/> moiren („Aus drei Viertel-Jahrhunderten“ Thl. <hi rendition="#aq">I</hi> S. 5):</p><lb/> <p>„Die Slaven in Oeſterreich haben mir das beiläufig nie von<lb/> mir geſprochene Wort aufgebracht, ‚man müſſe ſie an die Wand<lb/> drücken‘. Der Urſprung dieſes Wortes war folgender: Der frühere<lb/> Miniſter, ſpätere Statthalter von Galizien, Graf Goluchowſki, pflegte<lb/> ſich mit mir in franzöſiſcher Sprache zu unterhalten. Seinen Be¬<lb/> mühungen war es vorzugsweiſe zu danken, daß nach meiner Ueber¬<lb/> nahme des Miniſterpräſidiums 1867 der galiziſche Landtag vor¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [187/0211]
Verbündete der Nationalliberalen im Miniſterium.
Ich war ſicher, daß der Kronprinz, auch wenn alle meine
Collegen andrer Anſicht geweſen wären, die meinige annehmen
werde, abgeſehn von der Zuſtimmung, die ich unter den 20 oder
mehr zugezogenen Generalen und Beamten, wenigſtens bei den
erſtern fand. Wenn ich überhaupt Miniſter bleiben wollte, was
ja eine Opportunitätsfrage geſchäftlicher ſowohl wie perſönlicher
Natur war, die ich bei eigner Prüfung mir bejahte, ſo befand ich
mich im Stande der Nothwehr und mußte ſuchen, eine Aenderung
der Situation im Parlament und in dem Perſonalbeſtande meiner
Collegen herbeizuführen. Miniſter bleiben wollte ich, weil ich, wenn
der ſchwer verwundete Kaiſer am Leben bliebe, was bei dem ſtarken
Blutverluſt in ſeinem hohen Alter noch unſicher, feſt entſchloſſen
war, ihn nicht gegen ſeinen Willen zu verlaſſen, und es als Gewiſſens¬
pflicht anſah, wenn er ſtürbe, ſeinem Nachfolger die Dienſte, die
ich ihm vermöge des Vertrauens und der Erfahrung, die ich mir
erworben hatte, leiſten konnte, nicht gegen ſeinen Willen zu ver¬
ſagen. Nicht ich habe Händel mit den Nationalliberalen geſucht,
ſondern ſie haben im Complot mit meinen Collegen mich an die
Wand zu drängen verſucht. Die geſchmackloſe und widerliche Redens¬
art von dem „an die Wand drücken, bis ſie quietſchten“, hat niemals
in meinem Denken, geſchweige denn auf meiner Lippe Platz ge¬
funden — eine der lügenhaften Erfindungen, mit denen man poli¬
tiſchen Gegnern Schaden zu thun ſucht. Obenein war dieſe Redens¬
art nicht einmal eignes Product derer, welche ſie verbreiteten, ſon¬
dern ein ungeſchicktes Plagiat. Graf Beuſt erzählt in ſeinen Me¬
moiren („Aus drei Viertel-Jahrhunderten“ Thl. I S. 5):
„Die Slaven in Oeſterreich haben mir das beiläufig nie von
mir geſprochene Wort aufgebracht, ‚man müſſe ſie an die Wand
drücken‘. Der Urſprung dieſes Wortes war folgender: Der frühere
Miniſter, ſpätere Statthalter von Galizien, Graf Goluchowſki, pflegte
ſich mit mir in franzöſiſcher Sprache zu unterhalten. Seinen Be¬
mühungen war es vorzugsweiſe zu danken, daß nach meiner Ueber¬
nahme des Miniſterpräſidiums 1867 der galiziſche Landtag vor¬
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