Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.Abbruch der Verhandlungen. "Regiment Stauffenberg". erwähnte, war der Kaiser noch unter dem Eindrucke der Rede desLetztern und sagte, indem er mit dem Finger auf seine Schulter deutete, wo auf der Uniform die Regimentsnummer sitzt: "Nro. 109 Regiment Stauffenberg". Wenn der Kaiser damals den von mir zur Herstellung der Uebereinstimmung mit der Reichstagsmajorität gewünschten Eintritt Bennigsens genehmigt und selbst wenn der Letztre bald die Unmöglichkeit eingesehn hätte, das Cabinet und den König in seine Fractionsrichtung zu bringen, so würden sich doch, wie ich heut überzeugt bin, die einigermaßen doctrinäre Schärfe des Fractionsprogramms und die Empfindlichkeit der monarchischen Auffassung des Kaisers nicht lange mit einander vertragen haben. Damals war ich dessen nicht so sicher gewesen, um nicht den Versuch zu machen, ob ich Se. Majestät bewegen könnte, sich der national¬ liberalen Auffassung zu nähern. Die Schärfe des Widerstandes, die allerdings durch Eulenburgs feindliche Einwirkung gesteigert worden war, übertraf meine Erwartung, obschon mir bekannt war, daß der Kaiser gegen Bennigsen und seine frühere Thätigkeit in Hanover eine instinctive monarchische Abneigung hegte. Obwohl die nationalliberale Partei in Hanover und die Wirksamkeit ihres Führers vor und nach 1866 die "Verstaatlichung" Hanovers wesent¬ lich erleichtert hatte, und der Kaiser ebenso wenig wie sein Vater 1805 eine Neigung hatte, diesen Erwerb rückgängig zu machen, so war der fürstliche Instinct in ihm doch herrschend genug, um solches Verhalten eines hanöverschen Unterthanen gegen die welfische Dynastie mit innerlichem Unbehagen zu beurtheilen. Es ist eine der vielen unwahren Legenden, daß ich die National¬ Abbruch der Verhandlungen. „Regiment Stauffenberg“. erwähnte, war der Kaiſer noch unter dem Eindrucke der Rede desLetztern und ſagte, indem er mit dem Finger auf ſeine Schulter deutete, wo auf der Uniform die Regimentsnummer ſitzt: „Nro. 109 Regiment Stauffenberg“. Wenn der Kaiſer damals den von mir zur Herſtellung der Uebereinſtimmung mit der Reichstagsmajorität gewünſchten Eintritt Bennigſens genehmigt und ſelbſt wenn der Letztre bald die Unmöglichkeit eingeſehn hätte, das Cabinet und den König in ſeine Fractionsrichtung zu bringen, ſo würden ſich doch, wie ich heut überzeugt bin, die einigermaßen doctrinäre Schärfe des Fractionsprogramms und die Empfindlichkeit der monarchiſchen Auffaſſung des Kaiſers nicht lange mit einander vertragen haben. Damals war ich deſſen nicht ſo ſicher geweſen, um nicht den Verſuch zu machen, ob ich Se. Majeſtät bewegen könnte, ſich der national¬ liberalen Auffaſſung zu nähern. Die Schärfe des Widerſtandes, die allerdings durch Eulenburgs feindliche Einwirkung geſteigert worden war, übertraf meine Erwartung, obſchon mir bekannt war, daß der Kaiſer gegen Bennigſen und ſeine frühere Thätigkeit in Hanover eine inſtinctive monarchiſche Abneigung hegte. Obwohl die nationalliberale Partei in Hanover und die Wirkſamkeit ihres Führers vor und nach 1866 die „Verſtaatlichung“ Hanovers weſent¬ lich erleichtert hatte, und der Kaiſer ebenſo wenig wie ſein Vater 1805 eine Neigung hatte, dieſen Erwerb rückgängig zu machen, ſo war der fürſtliche Inſtinct in ihm doch herrſchend genug, um ſolches Verhalten eines hanöverſchen Unterthanen gegen die welfiſche Dynaſtie mit innerlichem Unbehagen zu beurtheilen. Es iſt eine der vielen unwahren Legenden, daß ich die National¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0209" n="185"/><fw place="top" type="header">Abbruch der Verhandlungen. „Regiment Stauffenberg“.<lb/></fw> erwähnte, war der Kaiſer noch unter dem Eindrucke der Rede des<lb/> Letztern und ſagte, indem er mit dem Finger auf ſeine Schulter<lb/> deutete, wo auf der Uniform die Regimentsnummer ſitzt: „Nro. 109<lb/> Regiment Stauffenberg“. 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Abbruch der Verhandlungen. „Regiment Stauffenberg“.
erwähnte, war der Kaiſer noch unter dem Eindrucke der Rede des
Letztern und ſagte, indem er mit dem Finger auf ſeine Schulter
deutete, wo auf der Uniform die Regimentsnummer ſitzt: „Nro. 109
Regiment Stauffenberg“. Wenn der Kaiſer damals den von mir
zur Herſtellung der Uebereinſtimmung mit der Reichstagsmajorität
gewünſchten Eintritt Bennigſens genehmigt und ſelbſt wenn der
Letztre bald die Unmöglichkeit eingeſehn hätte, das Cabinet und
den König in ſeine Fractionsrichtung zu bringen, ſo würden ſich
doch, wie ich heut überzeugt bin, die einigermaßen doctrinäre Schärfe
des Fractionsprogramms und die Empfindlichkeit der monarchiſchen
Auffaſſung des Kaiſers nicht lange mit einander vertragen haben.
Damals war ich deſſen nicht ſo ſicher geweſen, um nicht den Verſuch
zu machen, ob ich Se. Majeſtät bewegen könnte, ſich der national¬
liberalen Auffaſſung zu nähern. Die Schärfe des Widerſtandes,
die allerdings durch Eulenburgs feindliche Einwirkung geſteigert
worden war, übertraf meine Erwartung, obſchon mir bekannt war,
daß der Kaiſer gegen Bennigſen und ſeine frühere Thätigkeit in
Hanover eine inſtinctive monarchiſche Abneigung hegte. Obwohl
die nationalliberale Partei in Hanover und die Wirkſamkeit ihres
Führers vor und nach 1866 die „Verſtaatlichung“ Hanovers weſent¬
lich erleichtert hatte, und der Kaiſer ebenſo wenig wie ſein Vater
1805 eine Neigung hatte, dieſen Erwerb rückgängig zu machen, ſo
war der fürſtliche Inſtinct in ihm doch herrſchend genug, um ſolches
Verhalten eines hanöverſchen Unterthanen gegen die welfiſche
Dynaſtie mit innerlichem Unbehagen zu beurtheilen.
Es iſt eine der vielen unwahren Legenden, daß ich die National¬
liberalen hätte „an die Wand drücken“ wollen. Im Gegentheil,
die Herrn verſuchten es ſo mit mir zu machen. Durch den Bruch
mit den Conſervativen infolge der ganzen Verleumdungsära durch
die „Reichsglocke“ und die „Kreuzzeitung“ und der Kriegserklärung,
die unter Führung meines mißvergnügten frühern Freundes Kleiſt-
Retzow erfolgte, durch das neidiſche Uebelwollen meiner Standes¬
genoſſen, der Landjunker, durch alle dieſe Verluſte von Anlehnungen,
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