mit einem gleichen Maße von Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit gepaart war.
Welche Eindrücke die diplomatischen Kreise empfingen, zeigt u. A. der nachstehende Brief des Staatssekretärs von Bülow vom 23. October 1874:
"Die Kreuzzeitung enthält heut eine perfide Einsendung, offen¬ bar von Graf Arnim selbst auf die Melodie: Was habe ich denn Böses gethan? Nichts, als ganz persönliche Actenstücke vor der Indiscretion von Botschaftern und Kanzlisten gerettet; ich würde sie längst herausgegeben haben, wenn das Auswärtige Amt nicht so rücksichtslos und grob gewesen wäre. Es ist schwer, während der Untersuchung auf solche Lügen und Verdrehungen zu antworten: Einstweilen bringt die Weserzeitung gestern die sehr nützliche Notiz über den Inhalt mehrerer der vermißten Actenstücke. Gestern war Feldmarschall von Manteuffel bei mir, zumeist um sich nach der causa Arnim zu erkundigen. Er sprach in sehr passender Weise seine Ueber¬ zeugung aus, daß man nicht anders habe handeln können, und daß er den Reichskanzler und die Diplomatie bedaure, mit solchen Er¬ fahrungen die Geschäfte leiten zu müssen. Da er übrigens Arnim von Jugend auf kenne, und unter oder neben ihm in Nancy genug habe leiden müssen, so überrasche die Katastrophe ihn nicht; Arnim sei ein Mann, der bei jeder Sache nur gefragt habe: Was nützt oder schadet sie mir persönlich? Wörtlich dasselbe sagten mir Lord Odo Russell als Ergebniß seiner römischen Erfahrungen und Nothomb als Erinnerung aus Brüssel. Am merkwürdigsten war mir, daß der Feldmarschall wiederholt darauf zurückkam, daß Arnim im Sommer 72 angefangen habe, gegen E. D. zu conspiriren, ihn, Manteuffel, in dieser Beziehung im Sommer 73 habe sondiren wollen und durch seine Haltung gegen Thiers dessen Sturz mit allen üblen politischen Folgen hauptsächlich mit verschuldet habe. Ueber letzteres Kapitel sprach er mit großer Sach- und Personalkenntniß und nicht ohne Hindeutung auf den Einfluß, den damals Arnim sich allerhöchsten Orts zu verschaffen ge¬ wußt, durch Schüren gegen Republik und für legitime Ueberlieferung.
Graf Harry Arnim.
mit einem gleichen Maße von Zuverläſſigkeit und Glaubwürdigkeit gepaart war.
Welche Eindrücke die diplomatiſchen Kreiſe empfingen, zeigt u. A. der nachſtehende Brief des Staatsſekretärs von Bülow vom 23. October 1874:
„Die Kreuzzeitung enthält heut eine perfide Einſendung, offen¬ bar von Graf Arnim ſelbſt auf die Melodie: Was habe ich denn Böſes gethan? Nichts, als ganz perſönliche Actenſtücke vor der Indiscretion von Botſchaftern und Kanzliſten gerettet; ich würde ſie längſt herausgegeben haben, wenn das Auswärtige Amt nicht ſo rückſichtslos und grob geweſen wäre. Es iſt ſchwer, während der Unterſuchung auf ſolche Lügen und Verdrehungen zu antworten: Einſtweilen bringt die Weſerzeitung geſtern die ſehr nützliche Notiz über den Inhalt mehrerer der vermißten Actenſtücke. Geſtern war Feldmarſchall von Manteuffel bei mir, zumeiſt um ſich nach der causa Arnim zu erkundigen. Er ſprach in ſehr paſſender Weiſe ſeine Ueber¬ zeugung aus, daß man nicht anders habe handeln können, und daß er den Reichskanzler und die Diplomatie bedaure, mit ſolchen Er¬ fahrungen die Geſchäfte leiten zu müſſen. Da er übrigens Arnim von Jugend auf kenne, und unter oder neben ihm in Nancy genug habe leiden müſſen, ſo überraſche die Kataſtrophe ihn nicht; Arnim ſei ein Mann, der bei jeder Sache nur gefragt habe: Was nützt oder ſchadet ſie mir perſönlich? Wörtlich daſſelbe ſagten mir Lord Odo Ruſſell als Ergebniß ſeiner römiſchen Erfahrungen und Nothomb als Erinnerung aus Brüſſel. Am merkwürdigſten war mir, daß der Feldmarſchall wiederholt darauf zurückkam, daß Arnim im Sommer 72 angefangen habe, gegen E. D. zu conſpiriren, ihn, Manteuffel, in dieſer Beziehung im Sommer 73 habe ſondiren wollen und durch ſeine Haltung gegen Thiers deſſen Sturz mit allen üblen politiſchen Folgen hauptſächlich mit verſchuldet habe. Ueber letzteres Kapitel ſprach er mit großer Sach- und Perſonalkenntniß und nicht ohne Hindeutung auf den Einfluß, den damals Arnim ſich allerhöchſten Orts zu verſchaffen ge¬ wußt, durch Schüren gegen Republik und für legitime Ueberlieferung.
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Graf Harry Arnim.
mit einem gleichen Maße von Zuverläſſigkeit und Glaubwürdigkeit
gepaart war.
Welche Eindrücke die diplomatiſchen Kreiſe empfingen, zeigt
u. A. der nachſtehende Brief des Staatsſekretärs von Bülow vom
23. October 1874:
„Die Kreuzzeitung enthält heut eine perfide Einſendung, offen¬
bar von Graf Arnim ſelbſt auf die Melodie: Was habe ich denn
Böſes gethan? Nichts, als ganz perſönliche Actenſtücke vor der
Indiscretion von Botſchaftern und Kanzliſten gerettet; ich würde
ſie längſt herausgegeben haben, wenn das Auswärtige Amt nicht
ſo rückſichtslos und grob geweſen wäre. Es iſt ſchwer, während
der Unterſuchung auf ſolche Lügen und Verdrehungen zu antworten:
Einſtweilen bringt die Weſerzeitung geſtern die ſehr nützliche Notiz
über den Inhalt mehrerer der vermißten Actenſtücke. Geſtern war
Feldmarſchall von Manteuffel bei mir, zumeiſt um ſich nach der causa
Arnim zu erkundigen. Er ſprach in ſehr paſſender Weiſe ſeine Ueber¬
zeugung aus, daß man nicht anders habe handeln können, und daß
er den Reichskanzler und die Diplomatie bedaure, mit ſolchen Er¬
fahrungen die Geſchäfte leiten zu müſſen. Da er übrigens Arnim
von Jugend auf kenne, und unter oder neben ihm in Nancy genug
habe leiden müſſen, ſo überraſche die Kataſtrophe ihn nicht; Arnim
ſei ein Mann, der bei jeder Sache nur gefragt habe: Was nützt oder
ſchadet ſie mir perſönlich? Wörtlich daſſelbe ſagten mir Lord Odo
Ruſſell als Ergebniß ſeiner römiſchen Erfahrungen und Nothomb
als Erinnerung aus Brüſſel. Am merkwürdigſten war mir, daß der
Feldmarſchall wiederholt darauf zurückkam, daß Arnim im Sommer 72
angefangen habe, gegen E. D. zu conſpiriren, ihn, Manteuffel, in
dieſer Beziehung im Sommer 73 habe ſondiren wollen und durch ſeine
Haltung gegen Thiers deſſen Sturz mit allen üblen politiſchen Folgen
hauptſächlich mit verſchuldet habe. Ueber letzteres Kapitel ſprach er mit
großer Sach- und Perſonalkenntniß und nicht ohne Hindeutung auf
den Einfluß, den damals Arnim ſich allerhöchſten Orts zu verſchaffen ge¬
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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/191>, abgerufen am 20.07.2024.
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