Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.Fünfundzwanzigstes Kapitel: Bruch mit den Conservativen. getreten hatte, von Neujahr bis November 1873, fanden bei ihmin kleinen und größern Kreisen abendliche Begegnungen mir feind¬ licher Politiker der rechten Seite statt. An diesen nahm Graf Harry Arnim, der Herrngesellschaften ohne politischen Zweck nicht zu besuchen pflegte, wenn er sich auf Urlaub in Berlin befand, in der Rolle Theil, daß er auf die Anwesenden den Eindruck machte, den mir Roon selbst mit den Worten wiedergab: "In dem steckt doch ein tüchtiger Junker!" Die gesprächliche Verbindung, in welcher dieses Urtheil ausgesprochen wurde, und die öftere scharf accen¬ tuirte Wiederholung desselben im Munde meines Freundes und Collegen hatte die Tragweite eines Vorwurfs für mich wegen Mangels gleicher Eigenschaften, und einer Andeutung, als ob Arnim die innere Politik schneidiger und conservativer behandeln würde, wenn er an meiner Stelle wäre. In den Unterredungen, in denen dieses Thema des Arnimschen Junkerthums breit entwickelt wurde, gewann ich den Eindruck, daß auch mein alter Freund Roon unter der Einwirkung der bei ihm stattfindenden Conventikel in dem Vertrauen zu meiner Politik einigermaßen erschüttert war. Zu den betreffenden Kreisen gehörte auch Oberst von Caprivi, *) Vergl. zu diesem Vorwurf den Brief des Kaisers Friedrich vom
25. März 1888 in Kapitel 33, S. 311 Fünfundzwanzigſtes Kapitel: Bruch mit den Conſervativen. getreten hatte, von Neujahr bis November 1873, fanden bei ihmin kleinen und größern Kreiſen abendliche Begegnungen mir feind¬ licher Politiker der rechten Seite ſtatt. An dieſen nahm Graf Harry Arnim, der Herrngeſellſchaften ohne politiſchen Zweck nicht zu beſuchen pflegte, wenn er ſich auf Urlaub in Berlin befand, in der Rolle Theil, daß er auf die Anweſenden den Eindruck machte, den mir Roon ſelbſt mit den Worten wiedergab: „In dem ſteckt doch ein tüchtiger Junker!“ Die geſprächliche Verbindung, in welcher dieſes Urtheil ausgeſprochen wurde, und die öftere ſcharf accen¬ tuirte Wiederholung deſſelben im Munde meines Freundes und Collegen hatte die Tragweite eines Vorwurfs für mich wegen Mangels gleicher Eigenſchaften, und einer Andeutung, als ob Arnim die innere Politik ſchneidiger und conſervativer behandeln würde, wenn er an meiner Stelle wäre. In den Unterredungen, in denen dieſes Thema des Arnimſchen Junkerthums breit entwickelt wurde, gewann ich den Eindruck, daß auch mein alter Freund Roon unter der Einwirkung der bei ihm ſtattfindenden Conventikel in dem Vertrauen zu meiner Politik einigermaßen erſchüttert war. Zu den betreffenden Kreiſen gehörte auch Oberſt von Caprivi, *) Vergl. zu dieſem Vorwurf den Brief des Kaiſers Friedrich vom
25. März 1888 in Kapitel 33, S. 311 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0176" n="152"/><fw place="top" type="header">Fünfundzwanzigſtes Kapitel: Bruch mit den Conſervativen.<lb/></fw>getreten hatte, von Neujahr bis November 1873, fanden bei ihm<lb/> in kleinen und größern Kreiſen abendliche Begegnungen mir feind¬<lb/> licher Politiker der rechten Seite ſtatt. An dieſen nahm Graf<lb/> Harry Arnim, der Herrngeſellſchaften ohne politiſchen Zweck nicht<lb/> zu beſuchen pflegte, wenn er ſich auf Urlaub in Berlin befand, in<lb/> der Rolle Theil, daß er auf die Anweſenden den Eindruck machte,<lb/> den mir Roon ſelbſt mit den Worten wiedergab: „In dem ſteckt<lb/> doch ein tüchtiger Junker!“ Die geſprächliche Verbindung, in welcher<lb/> dieſes Urtheil ausgeſprochen wurde, und die öftere ſcharf accen¬<lb/> tuirte Wiederholung deſſelben im Munde meines Freundes und<lb/> Collegen hatte die Tragweite eines Vorwurfs für mich wegen<lb/> Mangels gleicher Eigenſchaften, und einer Andeutung, als ob Arnim<lb/> die innere Politik ſchneidiger und conſervativer behandeln würde,<lb/> wenn er an meiner Stelle wäre. In den Unterredungen, in<lb/> denen dieſes Thema des Arnimſchen Junkerthums breit entwickelt<lb/> wurde, gewann ich den Eindruck, daß auch mein alter Freund<lb/> Roon unter der Einwirkung der bei ihm ſtattfindenden Conventikel<lb/> in dem Vertrauen zu meiner Politik einigermaßen erſchüttert war.</p><lb/> <p>Zu den betreffenden Kreiſen gehörte auch Oberſt von Caprivi,<lb/> damals Abtheilungschef im Kriegsminiſterium. Ich will nicht ent¬<lb/> ſcheiden, zu welchen der S. 147 aufgeführten Kategorien meiner<lb/> Gegner er damals gehörte; bekannt iſt mir nur ſeine perſönliche<lb/> Beziehung zu Mitarbeitern an der „Reichsglocke“, wie dem Geheim¬<lb/> rath von Lebbin, Perſonalrath im Miniſterium des Innern, der auch<lb/> in ſeinem Reſſort einen mir feindlichen Einfluß ausübte. Der Feld¬<lb/> marſchall von Manteuffel hat mir geſagt, daß Caprivi ſeinen, Man¬<lb/> teuffels, Einfluß bei dem Kaiſer gegen mich anzuſpannen verſucht und<lb/> meine „Feindſchaft gegen die Armee“<note place="foot" n="*)">Vergl. zu dieſem Vorwurf den Brief des Kaiſers Friedrich vom<lb/> 25. März 1888 in Kapitel 33, S. 311</note> als Grund zur Klage und<lb/> als eine Gefahr bezeichnet habe. Es iſt erſtaunlich, daß Caprivi<lb/> ſich dabei nicht erinnert hat, wie die Armee vor und zur Zeit meines<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [152/0176]
Fünfundzwanzigſtes Kapitel: Bruch mit den Conſervativen.
getreten hatte, von Neujahr bis November 1873, fanden bei ihm
in kleinen und größern Kreiſen abendliche Begegnungen mir feind¬
licher Politiker der rechten Seite ſtatt. An dieſen nahm Graf
Harry Arnim, der Herrngeſellſchaften ohne politiſchen Zweck nicht
zu beſuchen pflegte, wenn er ſich auf Urlaub in Berlin befand, in
der Rolle Theil, daß er auf die Anweſenden den Eindruck machte,
den mir Roon ſelbſt mit den Worten wiedergab: „In dem ſteckt
doch ein tüchtiger Junker!“ Die geſprächliche Verbindung, in welcher
dieſes Urtheil ausgeſprochen wurde, und die öftere ſcharf accen¬
tuirte Wiederholung deſſelben im Munde meines Freundes und
Collegen hatte die Tragweite eines Vorwurfs für mich wegen
Mangels gleicher Eigenſchaften, und einer Andeutung, als ob Arnim
die innere Politik ſchneidiger und conſervativer behandeln würde,
wenn er an meiner Stelle wäre. In den Unterredungen, in
denen dieſes Thema des Arnimſchen Junkerthums breit entwickelt
wurde, gewann ich den Eindruck, daß auch mein alter Freund
Roon unter der Einwirkung der bei ihm ſtattfindenden Conventikel
in dem Vertrauen zu meiner Politik einigermaßen erſchüttert war.
Zu den betreffenden Kreiſen gehörte auch Oberſt von Caprivi,
damals Abtheilungschef im Kriegsminiſterium. Ich will nicht ent¬
ſcheiden, zu welchen der S. 147 aufgeführten Kategorien meiner
Gegner er damals gehörte; bekannt iſt mir nur ſeine perſönliche
Beziehung zu Mitarbeitern an der „Reichsglocke“, wie dem Geheim¬
rath von Lebbin, Perſonalrath im Miniſterium des Innern, der auch
in ſeinem Reſſort einen mir feindlichen Einfluß ausübte. Der Feld¬
marſchall von Manteuffel hat mir geſagt, daß Caprivi ſeinen, Man¬
teuffels, Einfluß bei dem Kaiſer gegen mich anzuſpannen verſucht und
meine „Feindſchaft gegen die Armee“ *) als Grund zur Klage und
als eine Gefahr bezeichnet habe. Es iſt erſtaunlich, daß Caprivi
ſich dabei nicht erinnert hat, wie die Armee vor und zur Zeit meines
*) Vergl. zu dieſem Vorwurf den Brief des Kaiſers Friedrich vom
25. März 1888 in Kapitel 33, S. 311
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