Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.Ludwigs II. Brief. Formulirung des Kaisertitels. Hauptargument für den Kaisertitel mit der coercitiven Andeutungwiedergegeben, daß Baiern die zugesagten, aber noch nicht rati¬ ficirten Concessionen nur dem deutschen Kaiser, aber nicht dem Könige von Preußen machen könne. Ich hatte diese Wendung aus¬ drücklich gewählt, um einen Druck auf die Abneigung meines hohen Herrn gegen den Kaisertitel auszuüben. Am siebenten Tage nach seiner Abreise, am 3. December, war Graf Holnstein mit diesem Schreiben des Königs wieder in Versailles; es wurde noch an demselben Tage durch den Prinzen Luitpold, jetzigen Regenten, unserm Könige officiell überreicht und bildete ein gewichtiges Mo¬ ment für das Gelingen der schwierigen und vielfach in ihren Aussichten schwankenden Arbeiten, die durch das Widerstreben des Königs Wilhelm und durch die bis dahin mangelnde Feststellung der bairischen Erwägungen veranlaßt waren. Der Graf Holn¬ stein hat sich durch diese in einer schlaflosen Woche zurückgelegte doppelte Reise und durch die geschickte Durchführung seines Auf¬ trags in Hohenschwangau ein erhebliches Verdienst um den Ab¬ schluß unsrer nationalen Einigung durch Beseitigung der äußern Hindernisse der Kaiserfrage erworben. Eine neue Schwierigkeit erhob Se. Majestät bei der Formu¬ 1) S. o. S. 57. 115 f.
Ludwigs II. Brief. Formulirung des Kaiſertitels. Hauptargument für den Kaiſertitel mit der coercitiven Andeutungwiedergegeben, daß Baiern die zugeſagten, aber noch nicht rati¬ ficirten Conceſſionen nur dem deutſchen Kaiſer, aber nicht dem Könige von Preußen machen könne. Ich hatte dieſe Wendung aus¬ drücklich gewählt, um einen Druck auf die Abneigung meines hohen Herrn gegen den Kaiſertitel auszuüben. Am ſiebenten Tage nach ſeiner Abreiſe, am 3. December, war Graf Holnſtein mit dieſem Schreiben des Königs wieder in Verſailles; es wurde noch an demſelben Tage durch den Prinzen Luitpold, jetzigen Regenten, unſerm Könige officiell überreicht und bildete ein gewichtiges Mo¬ ment für das Gelingen der ſchwierigen und vielfach in ihren Ausſichten ſchwankenden Arbeiten, die durch das Widerſtreben des Königs Wilhelm und durch die bis dahin mangelnde Feſtſtellung der bairiſchen Erwägungen veranlaßt waren. Der Graf Holn¬ ſtein hat ſich durch dieſe in einer ſchlafloſen Woche zurückgelegte doppelte Reiſe und durch die geſchickte Durchführung ſeines Auf¬ trags in Hohenſchwangau ein erhebliches Verdienſt um den Ab¬ ſchluß unſrer nationalen Einigung durch Beſeitigung der äußern Hinderniſſe der Kaiſerfrage erworben. Eine neue Schwierigkeit erhob Se. Majeſtät bei der Formu¬ 1) S. o. S. 57. 115 f.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0143" n="119"/><fw place="top" type="header">Ludwigs <hi rendition="#aq">II</hi>. Brief. Formulirung des Kaiſertitels.<lb/></fw>Hauptargument für den Kaiſertitel mit der coercitiven Andeutung<lb/> wiedergegeben, daß Baiern die zugeſagten, aber noch nicht rati¬<lb/> ficirten Conceſſionen <hi rendition="#g">nur</hi> dem deutſchen Kaiſer, aber nicht dem<lb/> Könige von Preußen machen könne. Ich hatte dieſe Wendung aus¬<lb/> drücklich gewählt, um einen Druck auf die Abneigung meines<lb/> hohen Herrn gegen den Kaiſertitel auszuüben. Am ſiebenten Tage<lb/> nach ſeiner Abreiſe, am 3. December, war Graf Holnſtein mit<lb/> dieſem Schreiben des Königs wieder in Verſailles; es wurde noch<lb/> an demſelben Tage durch den Prinzen Luitpold, jetzigen Regenten,<lb/> unſerm Könige officiell überreicht und bildete ein gewichtiges Mo¬<lb/> ment für das Gelingen der ſchwierigen und vielfach in ihren<lb/> Ausſichten ſchwankenden Arbeiten, die durch das Widerſtreben des<lb/> Königs Wilhelm und durch die bis dahin mangelnde Feſtſtellung<lb/> der bairiſchen Erwägungen veranlaßt waren. Der Graf Holn¬<lb/> ſtein hat ſich durch dieſe in einer ſchlafloſen Woche zurückgelegte<lb/> doppelte Reiſe und durch die geſchickte Durchführung ſeines Auf¬<lb/> trags in Hohenſchwangau ein erhebliches Verdienſt um den Ab¬<lb/> ſchluß unſrer nationalen Einigung durch Beſeitigung der äußern<lb/> Hinderniſſe der Kaiſerfrage erworben.</p><lb/> <p>Eine neue Schwierigkeit erhob Se. Majeſtät bei der Formu¬<lb/> lirung des Kaiſertitels, indem er, wenn ſchon Kaiſer, Kaiſer <hi rendition="#g">von</hi><lb/> Deutſchland heißen wollte. In dieſer Phaſe haben der Kronprinz,<lb/> der ſeinen Gedanken an einen König der Deutſchen längſt fallen<lb/> gelaſſen hatte, und der Großherzog von Baden mich, jeder in ſeiner<lb/> Weiſe, unterſtützt, wenn auch keiner von Beiden der zornigen Ab¬<lb/> neigung des alten Herrn gegen den „Charakter-Major“<note place="foot" n="1)">S. o. S. 57. 115 f.</note> offen<lb/> widerſprach. Der Kronprinz unterſtützte mich durch paſſive Aſſiſtenz<lb/> in Gegenwart ſeines Herrn Vaters und durch gelegentliche kurze<lb/> Aeußerungen ſeiner Anſicht, die aber meine Gefechtſpoſition dem<lb/> Könige gegenüber nicht ſtärkten, ſondern eher eine verſchärfte Reiz¬<lb/> barkeit des hohen Herrn zur Folge hatten. Denn der König war noch<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [119/0143]
Ludwigs II. Brief. Formulirung des Kaiſertitels.
Hauptargument für den Kaiſertitel mit der coercitiven Andeutung
wiedergegeben, daß Baiern die zugeſagten, aber noch nicht rati¬
ficirten Conceſſionen nur dem deutſchen Kaiſer, aber nicht dem
Könige von Preußen machen könne. Ich hatte dieſe Wendung aus¬
drücklich gewählt, um einen Druck auf die Abneigung meines
hohen Herrn gegen den Kaiſertitel auszuüben. Am ſiebenten Tage
nach ſeiner Abreiſe, am 3. December, war Graf Holnſtein mit
dieſem Schreiben des Königs wieder in Verſailles; es wurde noch
an demſelben Tage durch den Prinzen Luitpold, jetzigen Regenten,
unſerm Könige officiell überreicht und bildete ein gewichtiges Mo¬
ment für das Gelingen der ſchwierigen und vielfach in ihren
Ausſichten ſchwankenden Arbeiten, die durch das Widerſtreben des
Königs Wilhelm und durch die bis dahin mangelnde Feſtſtellung
der bairiſchen Erwägungen veranlaßt waren. Der Graf Holn¬
ſtein hat ſich durch dieſe in einer ſchlafloſen Woche zurückgelegte
doppelte Reiſe und durch die geſchickte Durchführung ſeines Auf¬
trags in Hohenſchwangau ein erhebliches Verdienſt um den Ab¬
ſchluß unſrer nationalen Einigung durch Beſeitigung der äußern
Hinderniſſe der Kaiſerfrage erworben.
Eine neue Schwierigkeit erhob Se. Majeſtät bei der Formu¬
lirung des Kaiſertitels, indem er, wenn ſchon Kaiſer, Kaiſer von
Deutſchland heißen wollte. In dieſer Phaſe haben der Kronprinz,
der ſeinen Gedanken an einen König der Deutſchen längſt fallen
gelaſſen hatte, und der Großherzog von Baden mich, jeder in ſeiner
Weiſe, unterſtützt, wenn auch keiner von Beiden der zornigen Ab¬
neigung des alten Herrn gegen den „Charakter-Major“ 1) offen
widerſprach. Der Kronprinz unterſtützte mich durch paſſive Aſſiſtenz
in Gegenwart ſeines Herrn Vaters und durch gelegentliche kurze
Aeußerungen ſeiner Anſicht, die aber meine Gefechtſpoſition dem
Könige gegenüber nicht ſtärkten, ſondern eher eine verſchärfte Reiz¬
barkeit des hohen Herrn zur Folge hatten. Denn der König war noch
1) S. o. S. 57. 115 f.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |