Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.Mangel an schwerem Geschütz. Constitutionelle u. humanitäre Bedenken. erklärte mich bereit, jede dazu erforderliche Summe auf die Bundes¬kasse anzuweisen, wenn er die vielleicht 4000 Pferde, die er als ungefähren Bedarf angab, ankaufen und zur Beförderung der Ge¬ schütze verwenden wolle. Er gab die entsprechenden Aufträge, und die in unserm Lager lange mit schmerzlicher Ungeduld erwartete und mit Jubel begrüßte Beschießung des Mont Avron war das Ergebniß dieser wesentlich Roon zu dankenden Wendung. Eine bereitwillige Unterstützung fand er für das Heranschaffen und die Verwendung der Geschütze bei dem Prinzen Krafft Hohenlohe. Wenn man sich fragt, was andre Generale bestimmt Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. II 8
Mangel an ſchwerem Geſchütz. Conſtitutionelle u. humanitäre Bedenken. erklärte mich bereit, jede dazu erforderliche Summe auf die Bundes¬kaſſe anzuweiſen, wenn er die vielleicht 4000 Pferde, die er als ungefähren Bedarf angab, ankaufen und zur Beförderung der Ge¬ ſchütze verwenden wolle. Er gab die entſprechenden Aufträge, und die in unſerm Lager lange mit ſchmerzlicher Ungeduld erwartete und mit Jubel begrüßte Beſchießung des Mont Avron war das Ergebniß dieſer weſentlich Roon zu dankenden Wendung. Eine bereitwillige Unterſtützung fand er für das Heranſchaffen und die Verwendung der Geſchütze bei dem Prinzen Krafft Hohenlohe. Wenn man ſich fragt, was andre Generale beſtimmt Otto Fürſt von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. II 8
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Mangel an ſchwerem Geſchütz. Conſtitutionelle u. humanitäre Bedenken.
erklärte mich bereit, jede dazu erforderliche Summe auf die Bundes¬
kaſſe anzuweiſen, wenn er die vielleicht 4000 Pferde, die er als
ungefähren Bedarf angab, ankaufen und zur Beförderung der Ge¬
ſchütze verwenden wolle. Er gab die entſprechenden Aufträge, und
die in unſerm Lager lange mit ſchmerzlicher Ungeduld erwartete und
mit Jubel begrüßte Beſchießung des Mont Avron war das Ergebniß
dieſer weſentlich Roon zu dankenden Wendung. Eine bereitwillige
Unterſtützung fand er für das Heranſchaffen und die Verwendung
der Geſchütze bei dem Prinzen Krafft Hohenlohe.
Wenn man ſich fragt, was andre Generale beſtimmt
haben kann, die Anſicht Roons zu bekämpfen, ſo wird es ſchwer,
ſachliche Gründe für die Verzögerung der gegen die Jahreswende
ergriffenen Maßregeln aufzufinden. Von dem militäriſchen wie
von dem politiſchen Standpunkte erſcheint das zögernde Vorgehn
widerſinnig und gefährlich, und daß die Gründe nicht in der Un¬
entſchloſſenheit unſrer Heeresleitung zu ſuchen waren, darf man
aus der raſchen und entſchloſſenen Führung des Krieges bis vor
Paris ſchließen. Die Vorſtellung, daß Paris, obwohl es befeſtigt
und das ſtärkſte Bollwerk der Gegner war, nicht wie jede andre
Feſtung angegriffen werden dürfe, war aus England auf dem Um¬
wege über Berlin in unſer Lager gekommen, mit der Redensart
von dem „Mekka der Civiliſation“ und andern in dem cant der
öffentlichen Meinung in England üblichen und wirkſamen Wen¬
dungen der Humanitätsgefühle, deren Bethätigung England von
allen andern Mächten erwartet, aber ſeinen eignen Gegnern nicht
immer zu Gute kommen läßt. Von London wurde bei unſern ma߬
gebenden Kreiſen der Gedanke vertreten, daß die Uebergabe von Paris
nicht durch Geſchütze, ſondern nur durch Hunger herbeigeführt werden
dürfe. Ob der letztre Weg der menſchlichere war, darüber kann
man ſtreiten, auch darüber, ob die Greuel der Commune zum Aus¬
bruch gekommen ſein würden, wenn nicht die Hungerzeit das Frei¬
werden der anarchiſchen Wildheit vorbereitet hätte. Es mag dahin¬
geſtellt bleiben, ob bei der engliſchen Einwirkung zu Gunſten der
Otto Fürſt von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. II 8
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