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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.

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Beustsche Machinationen zu Gunsten Frankreichs.
In derselben knüpft er an ein Memorandum an, durch das ich
zu Anfang October1) auf die Folgen aufmerksam gemacht hatte, die
sich an einen bis zu eintretendem Mangel an Lebensmitteln fort¬
gesetzten Widerstand des von zwei Millionen Menschen bewohnten
Paris knüpfen müßten, und bezeichnet es, ganz richtig, als meinen
Zweck, die Verantwortlichkeit dafür von der preußischen Regirung
abzulehnen.

"Dies vorausgeschickt," fährt er fort, "kann ich den Ausdruck
meiner Besorgniß nicht unterdrücken, daß dereinst vor dem Urtheil
der Geschichte ein Theil dieser Verantwortlichkeit auf die Neutralen
fallen würde, wenn sie sich die Gefahr unerhörten Unheils in
stummer Gleichgültigkeit vor Augen stellen ließen. Ich muß daher
Eure Excellenz auffordern, wenn der Gegenstand gegen Sie be¬
rührt wird, offen unser Bedauern darüber auszusprechen, daß in
einer Lage, in welcher die königlich preußische Regierung Kata¬
strophen, wie die in jenem Memorandum angedeutete, vorhersieht,
dennoch das entschiedenste Bestreben sich kundgibt, jede persönliche
Einwirkung dritter Mächte fernzuhalten. ... Rücksichten auf eigne
Interessen sind es nicht, welche die Regierung Oesterreich-Ungarns
beklagen lassen, daß auf dem Punkte, zu welchem die Dinge ge¬
diehen sind, jede friedliche Einflußnahme der neutralen Mächte
fehlt. Aber es ist ihr unmöglich, in der Weise, wie es neuerlich
von Seiten des St. Petersburger Cabinets geschieht, die absolute
Enthaltung des unbetheiligten Europas zu billigen und zu empfehlen.
Sie hält es vielmehr für Pflicht, auszusprechen, daß sie noch an
allgemein europäische Interessen glaubt, und daß sie einen durch
unparteiische Einwirkung der Neutralen herbeigeführten Frieden der
Vernichtung weiterer Hunderttausende vorziehen würde."

Darüber, welcher Art die "unparteiische Vermittlung" gewesen
sein würde, läßt der Graf Beust keinen Zweifel: mitiger les
exigences du vainqueur, adoucir l'amertume des sentiments qui

1) Am 4. October.

Beuſtſche Machinationen zu Gunſten Frankreichs.
In derſelben knüpft er an ein Memorandum an, durch das ich
zu Anfang October1) auf die Folgen aufmerkſam gemacht hatte, die
ſich an einen bis zu eintretendem Mangel an Lebensmitteln fort¬
geſetzten Widerſtand des von zwei Millionen Menſchen bewohnten
Paris knüpfen müßten, und bezeichnet es, ganz richtig, als meinen
Zweck, die Verantwortlichkeit dafür von der preußiſchen Regirung
abzulehnen.

„Dies vorausgeſchickt,“ fährt er fort, „kann ich den Ausdruck
meiner Beſorgniß nicht unterdrücken, daß dereinſt vor dem Urtheil
der Geſchichte ein Theil dieſer Verantwortlichkeit auf die Neutralen
fallen würde, wenn ſie ſich die Gefahr unerhörten Unheils in
ſtummer Gleichgültigkeit vor Augen ſtellen ließen. Ich muß daher
Eure Excellenz auffordern, wenn der Gegenſtand gegen Sie be¬
rührt wird, offen unſer Bedauern darüber auszuſprechen, daß in
einer Lage, in welcher die königlich preußiſche Regierung Kata¬
ſtrophen, wie die in jenem Memorandum angedeutete, vorherſieht,
dennoch das entſchiedenſte Beſtreben ſich kundgibt, jede perſönliche
Einwirkung dritter Mächte fernzuhalten. ... Rückſichten auf eigne
Intereſſen ſind es nicht, welche die Regierung Oeſterreich-Ungarns
beklagen laſſen, daß auf dem Punkte, zu welchem die Dinge ge¬
diehen ſind, jede friedliche Einflußnahme der neutralen Mächte
fehlt. Aber es iſt ihr unmöglich, in der Weiſe, wie es neuerlich
von Seiten des St. Petersburger Cabinets geſchieht, die abſolute
Enthaltung des unbetheiligten Europas zu billigen und zu empfehlen.
Sie hält es vielmehr für Pflicht, auszuſprechen, daß ſie noch an
allgemein europäiſche Intereſſen glaubt, und daß ſie einen durch
unparteiiſche Einwirkung der Neutralen herbeigeführten Frieden der
Vernichtung weiterer Hunderttauſende vorziehen würde.“

Darüber, welcher Art die „unparteiiſche Vermittlung“ geweſen
ſein würde, läßt der Graf Beuſt keinen Zweifel: mitiger les
exigences du vainqueur, adoucir l'amertume des sentiments qui

1) Am 4. October.
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[101/0125] Beuſtſche Machinationen zu Gunſten Frankreichs. In derſelben knüpft er an ein Memorandum an, durch das ich zu Anfang October 1) auf die Folgen aufmerkſam gemacht hatte, die ſich an einen bis zu eintretendem Mangel an Lebensmitteln fort¬ geſetzten Widerſtand des von zwei Millionen Menſchen bewohnten Paris knüpfen müßten, und bezeichnet es, ganz richtig, als meinen Zweck, die Verantwortlichkeit dafür von der preußiſchen Regirung abzulehnen. „Dies vorausgeſchickt,“ fährt er fort, „kann ich den Ausdruck meiner Beſorgniß nicht unterdrücken, daß dereinſt vor dem Urtheil der Geſchichte ein Theil dieſer Verantwortlichkeit auf die Neutralen fallen würde, wenn ſie ſich die Gefahr unerhörten Unheils in ſtummer Gleichgültigkeit vor Augen ſtellen ließen. Ich muß daher Eure Excellenz auffordern, wenn der Gegenſtand gegen Sie be¬ rührt wird, offen unſer Bedauern darüber auszuſprechen, daß in einer Lage, in welcher die königlich preußiſche Regierung Kata¬ ſtrophen, wie die in jenem Memorandum angedeutete, vorherſieht, dennoch das entſchiedenſte Beſtreben ſich kundgibt, jede perſönliche Einwirkung dritter Mächte fernzuhalten. ... Rückſichten auf eigne Intereſſen ſind es nicht, welche die Regierung Oeſterreich-Ungarns beklagen laſſen, daß auf dem Punkte, zu welchem die Dinge ge¬ diehen ſind, jede friedliche Einflußnahme der neutralen Mächte fehlt. Aber es iſt ihr unmöglich, in der Weiſe, wie es neuerlich von Seiten des St. Petersburger Cabinets geſchieht, die abſolute Enthaltung des unbetheiligten Europas zu billigen und zu empfehlen. Sie hält es vielmehr für Pflicht, auszuſprechen, daß ſie noch an allgemein europäiſche Intereſſen glaubt, und daß ſie einen durch unparteiiſche Einwirkung der Neutralen herbeigeführten Frieden der Vernichtung weiterer Hunderttauſende vorziehen würde.“ Darüber, welcher Art die „unparteiiſche Vermittlung“ geweſen ſein würde, läßt der Graf Beuſt keinen Zweifel: mitiger les exigences du vainqueur, adoucir l'amertume des sentiments qui 1) Am 4. October.

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/125>, abgerufen am 27.11.2024.