als Stabsoffizier eines Cavallerie-Regiments; und es blieb 1870 mir gegenüber bei dem militärischen Boycott, wie man heut sagen würde.
Wenn man die Theorie, welche der Generalstab mir gegen¬ über zur Anwendung brachte und die auch kriegswissenschaftlich ge¬ lehrt werden soll, so ausdrücken kann: der Minister der Aus¬ wärtigen Angelegenheiten kommt erst wieder zum Wort, wenn die Heeresleitung die Zeit gekommen findet, den Janustempel zu schließen, so liegt schon in dem doppelten Gesicht des Janus die Mahnung, daß die Regirung eines kriegführenden Staates auch nach andern Richtungen zu sehn hat, als nach dem Kriegsschauplatze. Aufgabe der Heeresleitung ist die Vernichtung der feindlichen Streitkräfte; Zweck des Krieges die Erkämpfung des Friedens unter Bedingun¬ gen, die der von dem Staate verfolgten Politik entsprechen. Die Feststellung und Begrenzung der Ziele, die durch den Krieg er¬ reicht werden sollen, die Berathung des Monarchen in Betreff derselben ist und bleibt während des Krieges wie vor demselben eine politische Aufgabe, und die Art ihrer Lösung kann nicht ohne Einfluß auf die Art der Kriegführung sein. Die Wege und Mittel der letztern werden immer davon abhängig sein, ob man das schließlich gewonnene Resultat oder mehr oder weniger hat erreichen wollen, ob man Landabtretungen fordern oder auf solche verzichten, ob man Pfandbesitz und auf wie lange gewinnen will.
Noch schwerer wirkt in gleicher Richtung die Frage, ob und aus welchen Motiven andre Mächte geneigt sein könnten, dem Gegner zunächst diplomatisch, eventuell militärisch beizustehn, welche Aussicht die Vertreter einer solchen Einmischung haben, an fremden Höfen ihren Zweck zu erreichen, wie die Parteien sich gruppiren würden, wenn es zu Conferenzen oder zu einem Congresse käme, ob Gefahr vorhanden, daß aus der Einmischung der Neutralen sich weitre Kriege entwickeln. Namentlich aber zu beurtheilen, wann der richtige Moment eingetreten sei, den Uebergang vom Kriege zum Frieden einzuleiten, dazu sind Kenntnisse der europäischen Lage
Dreiundzwanzigſtes Kapitel: Verſailles.
als Stabsoffizier eines Cavallerie-Regiments; und es blieb 1870 mir gegenüber bei dem militäriſchen Boycott, wie man heut ſagen würde.
Wenn man die Theorie, welche der Generalſtab mir gegen¬ über zur Anwendung brachte und die auch kriegswiſſenſchaftlich ge¬ lehrt werden ſoll, ſo ausdrücken kann: der Miniſter der Aus¬ wärtigen Angelegenheiten kommt erſt wieder zum Wort, wenn die Heeresleitung die Zeit gekommen findet, den Janustempel zu ſchließen, ſo liegt ſchon in dem doppelten Geſicht des Janus die Mahnung, daß die Regirung eines kriegführenden Staates auch nach andern Richtungen zu ſehn hat, als nach dem Kriegsſchauplatze. Aufgabe der Heeresleitung iſt die Vernichtung der feindlichen Streitkräfte; Zweck des Krieges die Erkämpfung des Friedens unter Bedingun¬ gen, die der von dem Staate verfolgten Politik entſprechen. Die Feſtſtellung und Begrenzung der Ziele, die durch den Krieg er¬ reicht werden ſollen, die Berathung des Monarchen in Betreff derſelben iſt und bleibt während des Krieges wie vor demſelben eine politiſche Aufgabe, und die Art ihrer Löſung kann nicht ohne Einfluß auf die Art der Kriegführung ſein. Die Wege und Mittel der letztern werden immer davon abhängig ſein, ob man das ſchließlich gewonnene Reſultat oder mehr oder weniger hat erreichen wollen, ob man Landabtretungen fordern oder auf ſolche verzichten, ob man Pfandbeſitz und auf wie lange gewinnen will.
Noch ſchwerer wirkt in gleicher Richtung die Frage, ob und aus welchen Motiven andre Mächte geneigt ſein könnten, dem Gegner zunächſt diplomatiſch, eventuell militäriſch beizuſtehn, welche Ausſicht die Vertreter einer ſolchen Einmiſchung haben, an fremden Höfen ihren Zweck zu erreichen, wie die Parteien ſich gruppiren würden, wenn es zu Conferenzen oder zu einem Congreſſe käme, ob Gefahr vorhanden, daß aus der Einmiſchung der Neutralen ſich weitre Kriege entwickeln. Namentlich aber zu beurtheilen, wann der richtige Moment eingetreten ſei, den Uebergang vom Kriege zum Frieden einzuleiten, dazu ſind Kenntniſſe der europäiſchen Lage
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Dreiundzwanzigſtes Kapitel: Verſailles.
als Stabsoffizier eines Cavallerie-Regiments; und es blieb 1870
mir gegenüber bei dem militäriſchen Boycott, wie man heut ſagen
würde.
Wenn man die Theorie, welche der Generalſtab mir gegen¬
über zur Anwendung brachte und die auch kriegswiſſenſchaftlich ge¬
lehrt werden ſoll, ſo ausdrücken kann: der Miniſter der Aus¬
wärtigen Angelegenheiten kommt erſt wieder zum Wort, wenn die
Heeresleitung die Zeit gekommen findet, den Janustempel zu ſchließen,
ſo liegt ſchon in dem doppelten Geſicht des Janus die Mahnung,
daß die Regirung eines kriegführenden Staates auch nach andern
Richtungen zu ſehn hat, als nach dem Kriegsſchauplatze. Aufgabe
der Heeresleitung iſt die Vernichtung der feindlichen Streitkräfte;
Zweck des Krieges die Erkämpfung des Friedens unter Bedingun¬
gen, die der von dem Staate verfolgten Politik entſprechen. Die
Feſtſtellung und Begrenzung der Ziele, die durch den Krieg er¬
reicht werden ſollen, die Berathung des Monarchen in Betreff
derſelben iſt und bleibt während des Krieges wie vor demſelben
eine politiſche Aufgabe, und die Art ihrer Löſung kann nicht ohne
Einfluß auf die Art der Kriegführung ſein. Die Wege und Mittel
der letztern werden immer davon abhängig ſein, ob man das
ſchließlich gewonnene Reſultat oder mehr oder weniger hat erreichen
wollen, ob man Landabtretungen fordern oder auf ſolche verzichten,
ob man Pfandbeſitz und auf wie lange gewinnen will.
Noch ſchwerer wirkt in gleicher Richtung die Frage, ob und
aus welchen Motiven andre Mächte geneigt ſein könnten, dem
Gegner zunächſt diplomatiſch, eventuell militäriſch beizuſtehn, welche
Ausſicht die Vertreter einer ſolchen Einmiſchung haben, an fremden
Höfen ihren Zweck zu erreichen, wie die Parteien ſich gruppiren
würden, wenn es zu Conferenzen oder zu einem Congreſſe käme,
ob Gefahr vorhanden, daß aus der Einmiſchung der Neutralen ſich
weitre Kriege entwickeln. Namentlich aber zu beurtheilen, wann
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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/120>, abgerufen am 16.07.2024.
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