Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.Redaction der Depesche. Ursache ihrer Wirkung. Hohenzollern auf ihre Candidatur wieder zurückkommen sollten.Seine Majestät der König hat es darauf abgelehnt, den französi¬ schen Botschafter nochmals zu empfangen, und demselben durch den Adjutanten vom Dienst sagen lassen, daß Seine Majestät dem Bot¬ schafter nichts weiter mitzutheilen habe." Der Unterschied in der Wirkung des gekürzten Textes der Emser Depesche im Vergleich mit der, welche das Original hervorgerufen hätte, war kein Ergebniß stärkerer Worte, sondern der Form, welche diese Kundgebung als eine abschließende erscheinen ließ, während die Redaction Abekens nur als ein Bruchstück einer schwebenden und in Berlin fortzu¬ setzenden Verhandlung erschienen sein würde. Nachdem ich meinen beiden Gästen die concentrirte Redaction Diese meine Auseinandersetzung erzeugte bei den beiden Gene¬ Redaction der Depeſche. Urſache ihrer Wirkung. Hohenzollern auf ihre Candidatur wieder zurückkommen ſollten.Seine Majeſtät der König hat es darauf abgelehnt, den franzöſi¬ ſchen Botſchafter nochmals zu empfangen, und demſelben durch den Adjutanten vom Dienſt ſagen laſſen, daß Seine Majeſtät dem Bot¬ ſchafter nichts weiter mitzutheilen habe.“ Der Unterſchied in der Wirkung des gekürzten Textes der Emſer Depeſche im Vergleich mit der, welche das Original hervorgerufen hätte, war kein Ergebniß ſtärkerer Worte, ſondern der Form, welche dieſe Kundgebung als eine abſchließende erſcheinen ließ, während die Redaction Abekens nur als ein Bruchſtück einer ſchwebenden und in Berlin fortzu¬ ſetzenden Verhandlung erſchienen ſein würde. Nachdem ich meinen beiden Gäſten die concentrirte Redaction Dieſe meine Auseinanderſetzung erzeugte bei den beiden Gene¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0115" n="91"/><fw place="top" type="header">Redaction der Depeſche. Urſache ihrer Wirkung.<lb/></fw>Hohenzollern auf ihre Candidatur wieder zurückkommen ſollten.<lb/> Seine Majeſtät der König hat es darauf abgelehnt, den franzöſi¬<lb/> ſchen Botſchafter nochmals zu empfangen, und demſelben durch den<lb/> Adjutanten vom Dienſt ſagen laſſen, daß Seine Majeſtät dem Bot¬<lb/> ſchafter nichts weiter mitzutheilen habe.“ Der Unterſchied in der<lb/> Wirkung des gekürzten Textes der Emſer Depeſche im Vergleich mit<lb/> der, welche das Original hervorgerufen hätte, war kein Ergebniß<lb/> ſtärkerer Worte, ſondern der Form, welche dieſe Kundgebung als<lb/> eine abſchließende erſcheinen ließ, während die Redaction Abekens<lb/> nur als ein Bruchſtück einer ſchwebenden und in Berlin fortzu¬<lb/> ſetzenden Verhandlung erſchienen ſein würde.</p><lb/> <p>Nachdem ich meinen beiden Gäſten die concentrirte Redaction<lb/> vorgeleſen hatte, bemerkte Moltke: „So hat das einen andern<lb/> Klang, vorher klang es wie Chamade, jetzt wie eine Fanfare in<lb/> Antwort auf eine Herausforderung.“ Ich erläuterte: „Wenn ich<lb/> dieſen Text, welcher keine Aenderungen und keinen Zuſatz des Tele¬<lb/> gramms enthält, in Ausführung des Allerhöchſten Auftrags ſofort<lb/> nicht nur an die Zeitungen, ſondern auch telegraphiſch an alle<lb/> unſre Geſandſchaften mittheile, ſo wird er vor Mitternacht in<lb/> Paris bekannt ſein und dort nicht nur wegen des Inhaltes, ſondern<lb/> auch wegen der Art der Verbreitung den Eindruck des rothen Tuches<lb/> auf den galliſchen Stier machen. Schlagen müſſen wir, wenn wir<lb/> nicht die Rolle des Geſchlagenen ohne Kampf auf uns nehmen wollen.<lb/> Der Erfolg hängt aber doch weſentlich von den Eindrücken bei<lb/> uns und Andern ab, die der Urſprung des Krieges hervorruft; es<lb/> iſt wichtig, daß wir die Angegriffenen ſeien, und die galliſche Ueber¬<lb/> hebung und Reizbarkeit wird uns dazu machen, wenn wir <hi rendition="#g">mit<lb/> europäiſcher Oeffentlichkeit</hi>, ſo weit es uns ohne das Sprach¬<lb/> rohr des Reichstags möglich iſt, verkünden, daß wir den öffentlichen<lb/> Drohungen Frankreichs furchtlos entgegentreten.“</p><lb/> <p>Dieſe meine Auseinanderſetzung erzeugte bei den beiden Gene¬<lb/> ralen einen Umſchlag zu freudiger Stimmung, deſſen Lebhaftigkeit<lb/> mich überraſchte. Sie hatten plötzlich die Luſt zu eſſen und zu<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [91/0115]
Redaction der Depeſche. Urſache ihrer Wirkung.
Hohenzollern auf ihre Candidatur wieder zurückkommen ſollten.
Seine Majeſtät der König hat es darauf abgelehnt, den franzöſi¬
ſchen Botſchafter nochmals zu empfangen, und demſelben durch den
Adjutanten vom Dienſt ſagen laſſen, daß Seine Majeſtät dem Bot¬
ſchafter nichts weiter mitzutheilen habe.“ Der Unterſchied in der
Wirkung des gekürzten Textes der Emſer Depeſche im Vergleich mit
der, welche das Original hervorgerufen hätte, war kein Ergebniß
ſtärkerer Worte, ſondern der Form, welche dieſe Kundgebung als
eine abſchließende erſcheinen ließ, während die Redaction Abekens
nur als ein Bruchſtück einer ſchwebenden und in Berlin fortzu¬
ſetzenden Verhandlung erſchienen ſein würde.
Nachdem ich meinen beiden Gäſten die concentrirte Redaction
vorgeleſen hatte, bemerkte Moltke: „So hat das einen andern
Klang, vorher klang es wie Chamade, jetzt wie eine Fanfare in
Antwort auf eine Herausforderung.“ Ich erläuterte: „Wenn ich
dieſen Text, welcher keine Aenderungen und keinen Zuſatz des Tele¬
gramms enthält, in Ausführung des Allerhöchſten Auftrags ſofort
nicht nur an die Zeitungen, ſondern auch telegraphiſch an alle
unſre Geſandſchaften mittheile, ſo wird er vor Mitternacht in
Paris bekannt ſein und dort nicht nur wegen des Inhaltes, ſondern
auch wegen der Art der Verbreitung den Eindruck des rothen Tuches
auf den galliſchen Stier machen. Schlagen müſſen wir, wenn wir
nicht die Rolle des Geſchlagenen ohne Kampf auf uns nehmen wollen.
Der Erfolg hängt aber doch weſentlich von den Eindrücken bei
uns und Andern ab, die der Urſprung des Krieges hervorruft; es
iſt wichtig, daß wir die Angegriffenen ſeien, und die galliſche Ueber¬
hebung und Reizbarkeit wird uns dazu machen, wenn wir mit
europäiſcher Oeffentlichkeit, ſo weit es uns ohne das Sprach¬
rohr des Reichstags möglich iſt, verkünden, daß wir den öffentlichen
Drohungen Frankreichs furchtlos entgegentreten.“
Dieſe meine Auseinanderſetzung erzeugte bei den beiden Gene¬
ralen einen Umſchlag zu freudiger Stimmung, deſſen Lebhaftigkeit
mich überraſchte. Sie hatten plötzlich die Luſt zu eſſen und zu
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